Erzbischof Georg Gänswein war am Montagabend in der "ZiB2" zu Gast.

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Erzbischof Georg Gänswein, der langjährige Privatsekretär des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI., beschreibt in seinem Buch "Nient'altro che la verità" (Nichts als die Wahrheit) das nicht immer konfliktfreie Miteinander von Benedikt und seinem Nachfolger, dem amtierenden Papst Franziskus. Der 66-Jährige sorgte damit für Aufsehen. Kardinal Christoph Schönborn bezeichnete das Buch als "ungehörige Indiskretion". Und weiter: "Ich finde es nicht richtig, dass so vertrauliche Dinge veröffentlicht werden, zumal vom persönlichen Sekretär." Der Corriere della Sera sprach sogar von einer Vendetta gegenüber Franziskus.

Gänswein kann Buch "vor meinem Gewissen verantworten"

Am Montagabend verteidigte Gänswein sein Buch. "Ich habe den amtierenden Papst Franziskus nicht offen kritisiert", sagte er in der "ZiB2". "Wer Kritik sieht, will das darin sehen. Ich kann das nicht erkennen." Anders als manche Journalisten bezog er Franziskus' mahnende Predigt am Dreikönigstag auch nicht auf sich. "So wie ich Papst Franziskus kenne, sagt er mir das persönlich, wenn er etwas an mir auszusetzen hat".

Gänswein stellte auch in Abrede, Vertraulichkeiten aus dem Zusammenleben mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI ausgeplaudert zu haben. "Die Dinge, die ich gesagt habe, die kann ich vor meinem Gewissen verantworten", sagte der Erzbischof. Sie würden auch dabei helfen, das Verhältnis der beiden Päpste "besser zu verstehen und vor allem die Einseitigkeiten des Bildes, das von Papst Benedikt gezeichnet worden ist, in nicht wenigen Medien, hoffentlich zu korrigieren".

Erzbischof Georg Gänswein war am Montagabend in der "ZiB2" zu Gast.
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ORF-Moderator Armin Wolf sprach daraufhin an, dass sich im Buch "kein einziges kritisches Wort" über Benedikt XVI alias Joseph Ratzinger finde, auch nicht "über seinen Umgang mit den vielen schweren Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche". Frage: "Glauben Sie wirklich, er hat in seiner Zeit als Erzbischof in München, als Chef der Glaubenskongregation und dann als Papst, bei diesem Thema immer vorbildlich, konsequent und engagiert genug agiert?" Gänswein antwortete kurz und bündig: "Ja". Er habe selber erlebt, wie Ratzinger "geradezu als Pionier der Aufarbeitung in der Missbrauchskrise mutig auch gegen inneren Widerstand aufgetreten ist."

Der im Jänner 2022 veröffentlichte Untersuchungsbericht über die Diözese München warf Ratzinger vor, in vier Fällen nichts gegen des Missbrauchs beschuldigte Kleriker unternommen zu haben. Nachdem der emeritierte Papst in einer Stellungnahme zu dem Gutachten falsche Angaben machte, wurde die Kritik umso schärfer. Was für viele wie eine bewusste Falschdarstellung zum Selbstschutz wirkte, erklärten Benedikt und seine Berater zu einem erklärbaren Fehler. Ratzinger verfasste am Ende einen Brief, in dem er die Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung bat. Konkrete Vertuschungsvorwürfe gegen sich wies er aber entschieden zurück.

Gänswein sagte zur Causa: "Dass er in manchem möglicherweise Fehler gemacht hat, das kann ich nicht abstreiten". Aber immer auf die Frage zurückzukehren, was er nicht gemacht habe oder was er machen hätte sollen, "halte ich für einfach nicht zielführend."

Keine Revanche

Unterschiede zwischen Benedikt XVI und Franziskus gebe es in der Mentalität, in den Schwerpunkten und in ganz konkreten Fähigkeiten, sagte Gänswein. "Kein Papst ist ein Abziehbild seines Vorgängers." Ob der amtierende Papst wie sein Vorgänger zurücktreten könnte, will der Erzbischof nicht abschätzen. "Lassen wir uns doch überraschen".

In seinem Buch berichtet Gänswein auch über seine Enttäuschung, 2020 von Franziskus als Präfekt des päpstlichen Hauses dauerhaft beurlaubt worden zu sein. Das im Jänner veröffentlichte Buch sei aber keine Revanche dafür, betonte der Erzbischof. Die Freistellung habe ihn geschmerzt, sagte der gebürtige Schwarzwälder. "Das habe ich dem Papst auch gesagt. Dass ich das im Buch geschrieben habe, ist nicht eine Revanche, sondern ein Zeichen, dass ich ehrlich geschrieben habe".

Nächste Station offen

Zum Abschluss dementierte Gänswein einen spanischen Medienbericht, wonach er Vatikan-Botschafter in Costa Rica werden könnte. "Ich weiß davon nichts", sagte der 66-Jährige. Aktuell sei er Testamentsvollstrecker des Nachlasses des zu Silvester 2022 verstorbenen emeritierten Benedikt XVI. Es brauche noch etwas Zeit, bis er eine neue Aufgabe bekomme. Was das dann konkret sei und wo das geographisch sei, "das liegt in der Hand von Papst Franziskus. Und ich fühle mich in seinen Händen eigentlich ganz gut geborgen." (red, APA, 17.4.2023)