Die hohe Inflation macht der Bevölkerung trotz des Rückgangs auf 9,2 Prozent im März immer noch schwer zu schaffen. Aber hat sie mittelfristig auch positive Auswirkungen?

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Im März hat sich die Inflation in Österreich erstmals seit vielen Monaten merklich verlangsamt. Dank eines geringeren Preisauftriebs bei Energie und Nahrungsmitteln ist sie im Vergleich zum Vormonat um 1,7 Prozentpunkte auf 9,2 Prozent gesunken, gab die Statistik Austria am Mittwoch bekannt. Aber trotz des deutlichen Rückgangs steht Österreich im Vergleich zur Eurozone bei der Inflation schlecht da – und das schon seit vielen Monaten.

Auf Basis einheitlicher EU-Berechnung lag die Teuerung im März in Österreich bei 9,2 Prozent, in der gesamten Währungsunion aber bloß bei 6,9 Prozent. Das sind um 2,3 Prozentpunkte mehr Inflation als im Durchschnitt, zu den als Musterschüler in Sachen Inflationsbekämpfung geltenden Ländern wie Spanien und Portugal ist der Abstand noch deutlich größer. Als Hauptursache gilt, dass die Politik hierzulande – und anders als die Iberer – auf Markteingriffe wie Preisbremsen bei Energie und Mieten weitgehend verzichtete. Stattdessen gab es Geld für die Haushalte, um die höheren Preise bezahlen zu können.

In einer Momentaufnahme sieht daher ein Inflationsvergleich für Österreich nicht gut aus. Aber welche Auswirkungen hat ein stärkerer Preisauftrieb mittelfristig für den Standort und die Staatsfinanzen? Steht das Land in zwei, drei Jahren – bis dahin sollte sich die Teuerung wieder dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent angenähert haben – vielleicht sogar besser da als andere Länder mit derzeit geringerer Inflation?

Vorfinanzierung sinnvoll

Dem österreichischen Weg kann Marcel Göttert unter diesem Blickwinkel einiges abgewinnen. Der Ökonom von der wirtschaftsliberalen Agenda Austria ist der Ansicht, "es war gescheit, den Leuten Geld in die Hand zu drücken". Die Hilfen seien zur Vorfinanzierung der Inflation für die Bevölkerung sinnvoll gewesen, da der Teuerungsschub erst zeitverzögert durch Lohnerhöhungen oder andere Anpassungen des Einkommens abgefedert wurde. Künftig seien auch keine derartig starken Maßnahmen mehr nötig.

Allerdings kritisiert Göttert die geringe soziale Treffsicherheit der Maßnahmen, die teils per Gießkanne verteilt wurden. Er empfiehlt, entsprechende Datenverknüpfungen zwischen Behörden und Organisationen herzustellen, damit derartige Hilfen künftig schneller und gezielter ausgezahlt werden können. "Das ist etwas, das für den Sozialstaat in Zukunft relevant ist", betont der Ökonom.

Lenkungseffekt durch Preis

Gleichzeitig setzte Österreich anteilig am wenigsten preissenkende Maßnahmen in der Eurozone, kritisiert das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut. Lediglich bei den Strompreisen stieg die Regierung direkt auf die Bremse, bei den Mieten scheiterte ein entsprechendes Vorhaben am Unwillen der ÖVP – stattdessen wurden wieder Hilfen beschlossen. Für Momentum-Ökonomin Marie Hasdenteufel der falsche Weg, sie bevorzugt Preiseingriffe und fordert eine Umsatzsteuersenkung für Grundnahrungsmittel. Ein Kontrollmechanismus soll garantieren, dass die Steuersenkung auch an Konsumierende weitergeben wird. Offen bleibt, wie dies umgesetzt und administriert werden soll.

Ökonom Göttert von der Agenda Austria hält vorübergehende Steuersenkungen für keine gute Idee. Bei deren Auslaufen drohten – ebenso wie bei Preisbremsen – sprunghafte Preisanstiege. Zudem bleibe etwa bei Energie ein marktwirtschaftlicher Lenkungseffekt aus. Sprich, Unternehmen und Haushalten fehlt durch Preisdeckel der Anreiz, den Verbrauch zu drosseln oder auf energieeffizientere Lösungen umzusteigen – was hierzulande sehr wohl der Fall sei. "Da hat man in Österreich dann schon einen Vorteil", meint Göttert.

Nachteil für Tourismus

Für den Standort Österreich bedeuten schneller steigende Preise auch ein schneller steigendes Lohnniveau. Dieses bringe Probleme für den personalintensiven Dienstleistungssektor, etwa den für die heimische Wirtschaft bedeutenden Tourismus, dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit dadurch leidet. Zuletzt führte IHS-Chef Klaus Neusser die höhere Inflation in Österreich auch auf den starken Preisauftrieb in der Gastronomie zurück. Im Gegenzug kann ein höheres Lohnniveau theoretisch zwar Arbeitskräfte anlocken und den Personalmangel etwas lindern – allerdings eher nur in Teilbereichen.

Tendenziell gut ist die höhere Inflation für die Staatsfinanzen. Wohl steigen wegen der Abschaffung der kalten Progression die Steuereinnahmen nicht mehr stärker als die Löhne. Aber die Konsumsteuern bringen sofort mehr ein, während die Kosten für den Staat erst zeitverzögert ansteigen. "Damit ist der Staat ein großer Profiteur", sagt Wifo-Experte Simon Loretz.

Gut für Staatsfinanzen

Dazu komme, dass die Verschuldungsquote in Prozent der nominellen, also der nicht inflationsbereinigten Wirtschaftsleitung berechnet werde. So ist das nominelle Wachstum in Österreich mit 10,2 Prozent im Vorjahr sehr hoch ausgefallen, allerdings sind davon 8,6 Prozentpunkte auf die Inflation zurückzuführen. Die Folge: Trotz eines Haushaltsdefizits von 3,3 Prozent verringerte sich Österreichs Verschuldungsquote deutlich. Die Staatsschulden werden ebenso durch die Teuerung entwertet, also gewissermaßen "weginflationiert". Allerdings gibt Loretz zu bedenken, dass die Inflation sukzessive auch die Zinslast der Staaten erhöhe, wenngleich stark zeitverzögert.

Ob Österreich in zwei, drei Jahren trotz der höheren Inflation besser oder schlechter dastehen wird als andere Eurostaaten mit Preisbremsen und geringerer Teuerung, ist für den Wifo-Ökonomen noch kaum abzuschätzen. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", sagt Loretz. Agenda-Austria-Volkswirt Göttert glaubt hingegen, dass sich dann zeigen werde, dass der österreichische Weg der Hilfen besser war als jener der Preisbremsen. (Alexander Hahn, 19.4.2022)