Das chinesische Unternehmen Contemporary Amperex Technology (CATL) ist dieser Tage in vieler Munde. Im letzten Jahr hat es als erste Firma einen Natrium-Ionen-Akku in Massenproduktion geschickt. Bald darauf zog der Konkurrent Hina nach, und dessen Energiespeicher debütierte schließlich im Sehol E10X, dem ersten E-Auto, das auf diese Technologie setzt.

Der ist primär als kompakter Stadtflitzer gedacht, denn in Sachen Reichweite sind die "Salzakkus" noch keine Konkurrenz für die über Jahrzehnte stetig verbesserten Lithium-Ionen-Akkus. Ein Abstand, der mit der Zeit aber kleiner werden dürfte. Und schon jetzt punkten die neuen Akkus mit diversen Vorteilen.

Noch im Nachteil bei der Energiedichte

Hinas Natriumzellen erreichen eine Energiedichte von 140 bis 155 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg). CATL schafft bis zu 160 Wh/kg und will mit der nächsten Generation die 200er-Marke knacken. Je nach genauer Zusammensetzung kommen kommerziell genutzte Lithiumakkus heute auf bis zu 260 Wh/kg. Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch nicht erreicht, bei Volkswagen hofft man etwa, bis 2030 eine Energiedichte von 350 Wh/kg zu erreichen.

Ein Erklärvideo zur Zusammensetzung und dem Werdegang der Natriumakkus. Der Clip stammt aus dem August 2021 und deckt daher aktuelle Entwicklungen nicht ab.
Asianometry

Dem halten die Natriumakkus hohe Temperaturbeständigkeit entgegen. Selbst bei minus 20 Grad Celsius sollen immer noch 90 Prozent der Kapazität genutzt werden können, ohne dass der Akku vorher aufgewärmt werden müsste. Lithium-Ionen-Akkus verlieren bei extremeren Temperaturen sehr schnell ihren chemischen Vorteil und sind ab etwa minus zehn Grad bestenfalls mit großen Einschränkungen verwendbar.

Natrium und Aluminium statt Lithium und Kobalt

Natriumakkus sind in ihrem Aufbau im Prinzip ident zu ihren Lithium-Verwandten, nur dass eben Natrium als Träger der Ladung zwischen den Polen fungiert. Für die Akku- und Fahrzeughersteller ist das günstig, denn es bedeutet, dass sie trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung großteils die gleichen Werkzeuge, Prozesse und Strukturkomponenten verwenden können, um sie anzufertigen und zu verbauen. Das erspart potenziell langwierige und sehr teure Umrüstungen der Produktionsinfrastruktur, die bisher auch immer wieder ein Stolperstein für andere vielversprechende Akkutechnologien waren.

Die Nutzung von Natrium anstelle von Lithium bietet Herstellern nicht nur einen enormen Preisvorteil, sondern auch mehr Flexibilität beim Bezug. Es ist das sechsthäufigste in der Erdkruste vorkommende Element (2,8 Prozent), während Lithium vergleichsweise selten (0,006 Prozent) anzutreffen ist. Zudem konzentriert sich der allergrößte Teil der Lithiumvorkommen auf vier Länder: Australien, Chile, Argentinien und China. Die Gewinnung ist schwierig und mit Schäden für die Umwelt verbunden.

BYD hat auf der Automesse Schanghai das Modell Seagull vorgestellt. Die günstigere Version um umgerechnet 10.500 Euro nutzt einen Natriumakku und besitzt eine Reichweite von 300 Kilometern. Eine teurere Variante um etwa 13.000 Euro soll mit Lithium-Eisenphosphat-Batteriezellen knapp über 400 Kilometer schaffen.
Foto: BYD

Ein besonderer Knackpunkt ist der Verzicht auf das in Lithiumzellen verwendete Kobalt. Dieses relativ seltene Element (0,003 Prozent) wird als "Konfliktmaterial" eingestuft, sein Abbau ist nicht nur aufwendig, sondern dementsprechend häufig mit Ausbeutung, Kinderarbeit und der Finanzierung von Waffen in Krisenregionen verbunden. Das sorgt auch für Ausfallrisiken und unvorhersehbare Preisschwankungen in der Lieferkette. Den Bezug von "sauberem" Kobalt zu gewährleisten ist aufgrund der Situation in den Abbauregionen oft außerordentlich schwierig.

Ebenfalls ein Vorteil für Natriumakkus ist die Verwendung von Aluminium anstelle von Kupfer. Es eignet sich in Natriumakkus besser als Anodenmaterial. Es ist das dritthäufigste Element der Erdkruste (8,1 Prozent) und dementsprechend günstig und gut verfügbar. Kupfer hingegen ist ähnlich selten anzutreffen wie Lithium (0,006 Prozent) und geografisch auch stark auf wenige Länder verteilt, wobei Chile 2022 mit geschätzt 5,2 Millionen Tonnen mit Abstand den größten Teil und fast ein Viertel der Jahresgesamtproduktion beisteuerte.

China legt vor

Eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Natriumakkus wird Europa so schnell nicht einnehmen, die Führerschaft in Entwicklung und Produktion haben chinesische Firmen inne. Immerhin: Der schwedische Konzern Altris arbeitet am Aufbau einer Anlage, in der Kathoden auf Natriumbasis entstehen sollen. Die Jahresproduktion soll 2.000 Tonnen betragen, womit sich Akkus mit einer Gesamtkapazität von einer Gigawattstunde herstellen lassen sollen.

In den USA hat das kalifornische Start-up Natron Energy angekündigt, gemeinsam mit dem Akkuspezialisten Clarios in einer schon bestehenden Fabrik für Lithium-Ionen-Batterien in Michigan eine Produktionslinie für Natriumakkus aufzuziehen. Diese soll pro Jahr Akkus mit insgesamt 600 Megawattstunden an Kapazität liefern.

Bedarfsprognose für Lithium-Ionen-Akkus bis 2030.
Foto: McKinsey

Die Kapazitäten, die sich in China im Aufbau befinden, stellen das allerdings in den Schatten. Derzeit, so schreibt das Fachportal "Benchmark Minerals", belaufen diese sich auf 3,1 Gigawattstunden pro Jahr. Berücksichtigt man allerdings Fabriken, die sich in Planung oder bereits im Auf- oder Umbau befinden, so werden diese Kapazitäten bis 2030 auf über 100 Gigawattstunden anwachsen.

Beeindruckend, aber noch wenig im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus, deren globale Nachfrage 2022 laut der internationalen Unternehmensberatung McKinsey bei 700 Gigawattstunden lag. Bis Ende des Jahrzehnts soll der Bedarf auf 4,7 Terawattstunden anwachsen.

Entscheidende Jahre

Unter den chinesischen Autoherstellern zeichnet sich jedoch großes Interesse an der Natrium-Alternative ab. Westliche Hersteller, die einen weniger starken Fokus auf kleine Stadtautos pflegen, dürften noch zuwarten, bis die Energiedichte der Akkus verbessert wird und damit die Reichweite zunimmt. Einige Konzerne sind zudem gerade im milliardenschweren Aufbau von eigenen Fabriken für Lithium-Ionen-Akkus begriffen, um sich für die kommende Elektrowende des Verkehrs zu rüsten, und dürften so schnell keine Umstellung planen.

Ob Natriumakkus zum neuen Standard für E-Autos oder "nur" ein Sidekick von Lithiumbatterien bleiben, wird stark vom Fortschritt der Technologie in den nächsten Jahren abhängen. Der Grundstein für einen Umschwung wurde allerdings gelegt. (gpi, 22.4.2023)