Vom Verschiedensein und Zusammenhalten: Dragqueen Freya van Kant buchstabiert für unsere Kleinsten die Geschichte vom Frieden auf Erden.

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Vergangenen Sonntag haben aufgeweckte Kinder große Augen gemacht: Einige von ihnen waren in der Türkis Rosa Lila Villa in Wien zusammengekommen, um Freya van Kant zu lauschen. Die Dragqueen las aus den Bunten Geschichten vom Verschiedensein und Zusammenhalten und anderen, kaum weniger fantastischen Märchen.

Das Grölen und Höhnen der Demonstranten wird das eine oder andere Kind verschreckt haben. Unwillkürlich sah man sich an alte Fernsehbilder aus Belfast oder Derry erinnert: Damals schritten entzückende sommersprossige Mädchen in Blazern an der Hand ihrer Eltern in Richtung Schule. Wurfgeschoße und üble Schimpfworte prasselten von allen Seiten auf die schluchzenden Kinder ein. Es ist völlig gleichgültig, wer in dieser Szene aus Nordirlands Alltagsleben die Katholiken waren, wer die Protestanten. Die einen bewegten sich durch das Viertel der anderen. Was immer ihnen die Lehrerin in der Schule anschließend vorgelesen haben mag, es kann kein wirksamer Balsam für die Kinderseelen gewesen sein.

Als ich, ein rundlicher Babyboomer, zu Anfang der Ära Kreisky voll Wissbegier auf dem Knie meiner vorlesenden Mutter saß, wollte ich stets die Geschichte vom Prinzen Eugen hören: Der ließ "schlagen einen Brucken / dass man kunnt’ hinüberrucken". Instinktiv war ich fasziniert von der Idee einer tragfähigen Brücke der Verständigung, errichtet zwischen zwei Kulturen. Gemeint war jedoch Belgrad. Der kunstsinnige Prinz wollte die befestigte Stadt schleifen, um möglichst allen Türken im Handumdrehen den Garaus zu machen.

Variierender Anteil

Um diese Zusammenhänge aus erster Hand zu erfahren, erlernte ich sicherheitshalber noch vor Schulbeginn das Lesen. Bis es so weit ist, können die Kleinen getrost jemandem wie Freya van Kant lauschen. Der märchenhafte Anteil an den Vorlesestoffen variiert ohnedies.

Im Kindergarten erfuhr ich aus dem Mund einer übelgelaunten Nonne brühwarm, wie sie Jesus Christus, den Herrn, ans Kreuz schlugen. Ich war zutiefst entsetzt – und halte die Frohbotschaft bis heute für ein Märchen. (Ronald Pohl, 19.4.2023)