Der brasilianische Präsident Luiz Inacia Lula da Silva und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping trafen sich in Peking.

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Während in Europa vergangene Woche vor allem der Peking-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock die Medien dominierte, achtete man in China selbst mehr auf einen anderen hochrangigen Staatsbesuch: Der brasilianische Präsident Lula traf in Peking auf seinen Amtskollegen Xi Jinping und hielt dort eine Rede, die, anders als Baerbocks Mahnungen zur Menschenrechtslage, Wasser auf die Mühlen der chinesischen Propaganda-Maschinerie war. Lula nämlich erzählte hoch emotional davon, dass er sich "jede Nacht selbst fragt, warum alle Länder ihren Handel in Dollar abwickeln". "Warum können wir nicht in unseren eigenen Währungen handeln?", fragte er in seiner Rede bei der New Development Bank in Schanghai.

Gemäß dem Motto "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten" lohnt es sich, dem Phänomen der Leitwährung nachzugehen. Denn den Status des US-Dollars, der dieses "exorbitante Privileg", wie es der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing einmal nannte, innehat, zu beenden, ist erklärtes Ziel Chinas. Zwischen 80 und 90 Prozent aller Devisen-Transaktionen sind in Dollar nominiert, und über 60 Prozent aller Devisen-Reserven weltweit sind US-Dollar. Dabei werden nur knapp 18 Prozent der globalen Güter in den USA produziert. Woher also dieses Missverhältnis? Und warum profitieren davon am allermeisten die USA?

Petro statt Gold

Als US-Präsident Richard Nixon 1971 die Goldbindung des US-Dollars aufhob, drohte der nun an nichts mehr gekoppelte Wert der amerikanischen Währung drastisch einzubrechen. 1973 trat an die Stelle des GoldStandards der sogenannte Petrodollar, der den Aufstieg des US-Dollars zur internationalen Leitwährung begründete. Die USA schlossen einen Deal mit dem damaligen größten Ölproduzenten Saudi-Arabien. Gegen Waffenhilfe verpflichtete sich das Königreich, Erdöl von nun an nur noch gegen US-Dollar zu verkaufen (die die Scheichs dann wieder in amerikanische Staatsanleihen reinvestierten). Bald übernahmen andere erdölexportierende Länder das System. Wenn Japan Kuwait-Öl kaufte, brauchte es dafür US-Dollar. Aus der Gewohnheit wurde Zweckmäßigkeit: Wenn Deutschland Autos nach Mexiko verkaufte, wurden diese ebenfalls mit US-Dollar bezahlt.

Für die USA hat dieses gewachsene Konstrukt enorme Vorteile: Da alle Staaten US-Dollar benötigen, um Handel zu treiben, herrscht eine konstant hohe Nachfrage nach der Währung. Selbst bei einer hohen Staatsverschuldung bleibt der US-Dollar relativ stabil. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit steigt er im Wert sogar an, da viele Investoren und Staaten darin einen sicheren Hafen sehen. Zudem sind die USA das einzige Land der Welt, das ihre Schulden bei internationalen Anlegern einfach "wegdrucken" kann. Nicht zuletzt können die USA Länder, die ihnen politisch unliebsam sind, vom US-Dollar abschneiden.

Viele Spekulationen

Es ist dies allerdings ein Schwert, das bei zu häufigem Gebrauch stumpf wird. Als Washington nach der russischen Invasion in der Ukraine das Land vom internationalen Zahlungsverkehr abschnitt, begannen auch andere Staaten sich nach Alternativen umzusehen. Die Brics-Staaten, allen voran China, wollen den US-Dollar durch ein "multipolares Währungssystem" ersetzen. Darüber wird viel spekuliert, konkrete Formen aber hat dies bisher nicht. (Philipp Mattheis, 19.4.2023)