Die Reifeprüfung im größten deutschen Bundesland musste auf Freitag verschoben werden.

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Der Spott über die angeblich mangelhafte Digitalkompetenz in Deutschland dürfte mit der jüngsten Episode aus Nordrhein-Westfalen nicht abnehmen. Dort musste die eigentlich für Mittwoch angesetzte Abiturprüfung, also die Matura, verschoben werden. Der Grund: Der Download funktionierte nicht.

Das Ministerium für Schule und Bildung des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslands sprach von einer "massiven technischen Störung" beim Download der schriftlichen Aufgaben für das Zentralabitur. Betroffen waren die Prüfungsfragen für die Fächer Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik sowie Technik.

Die technische Störung konnte im Lauf des Dienstags nicht mehr rechtzeitig behoben werden, sodass die für Mittwoch vorgesehenen schriftlichen Abiturprüfungen auf den Freitag verschoben werden mussten. 72.000 Schülerinnen und Schüler sind davon betroffen. Dieser Tag hätte eigentlich prüfungsfrei sein sollen, hieß es aus dem Ministerium. Die Schulen wurden fortlaufend über die Störung und am Abend über die Verschiebung informiert.

Prüfung am Feiertag

Laut einem Bericht von "Heise" bedeutet die Verschiebung für muslimische Abiturientinnen und Abiturienten, dass sie wohl nicht frisch ausgeschlafen antreten können. Der neue Prüfungstermin fällt ausgerechnet auf einen der höchsten Feiertage des Jahres für Muslime: das Fastenbrechen zum Ende des Ramadan. Der wichtigste Teil des Feiertags ist das Morgengebet etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang, gemeinsam mit anderen Gläubigen, auf einem offenen Platz oder in einer Moschee. Davor ist eine rituelle Ganzkörperwaschung Pflicht.

Ursachenforschung

Warum es keine alternativen Methoden zur Verteilung der Aufgabendateien gibt, ist bislang unklar. "Die Abiturientinnen und Abiturienten haben sich intensiv auf ihre Prüfungen vorbereitet. Umso ärgerlicher ist es, dass eine Störung beim Download dazu geführt hat, dass die Schulen die Aufgaben nicht rechtzeitig erhalten haben. Das Ministerium für Schule und Bildung wird die massive Störung gemeinsam mit dem externen Dienstleister intensiv aufarbeiten", teilte Bildungsministerin Dorothee Feller mit.

Im Lauf des Mittwochs gab es mehrere Spekulationen wodurch es zu der Panne gekommen sein könnte. Ein 480 Megabyte großer Film, der als Angabe für eine Prüfungsfrage diente, soll laut einigen Lehrkräften die Server zum Zusammenbrechen gebracht haben. Das Ministerium widersprach dieser Darstellung.

Der Präsident des Lehrerverbandes NRW, Andreas Bartsch, kritisierte in der Rheinischen Post, dass das Schulministerium den IT-Dienstleister gewechselt habe und viele Schulleiter darüber verärgert seien, dass es keinen Testlauf für den Download gegeben habe. Der Wechsel des Dienstleisters habe zudem ohne Beteiligung von Schulvertretern stattgefunden, der mehrfache Hinweis darauf, das System frühzeitig zu testen, sei ignoriert worden.

Deutschland stand beim europäischen Vergleich der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2022 an 13. Stelle und kam auf eine Gesamtpunktezahl von 52,9. Damit lag die Bundesrepublik im sogenannten Desi-Index hinter Österreich, das auf Platz zehn lag. Führend sind Finnland und Dänemark.

Spott über das Fax

Im Jänner sorgte bereits eine Ausschreibung der deutschen Bundesnetzagentur für Spott. Die Behörde, die unter anderem für die breiten Themenfelder Internet und Telekommunikation zuständig ist, setzt offenbar noch auf das längst überholte Fax. Laut der Ausschreibung werden hier monatlich noch 3.000 bis 4.000 Faxe verschickt. (pez, 19.4.2023)