Die Wien Energie zieht nach einem turbulenten Jahr Bilanz: Der Jahresgewinn ist dank starker Preiserhöhungen an der Strombörse kräftig gestiegen; beim Verkauf von Strom, Gas und Wärme hat Österreichs größter Landesenergieversorger aber Verluste gemacht.

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Österreichs größter Landesenergieversorger Wien Energie, der im Vorjahr wegen Nachschussverpflichtungen in Milliardenhöhe knapp vor dem Abgrund stand und sich nur mit Unterstützung der öffentlichen Hand über Wasser halten konnte, hat das Jahr 2022 mit einen Gewinn in dreistelliger Millionenhöhe beendet. Das Jahresergebnis lag mit 386 Millionen Euro um gut 175 Prozent über dem Niveau von 2021, als unter dem Strich rund 140 Millionen Euro Gewinn übrig geblieben sind. Hauptreiber war nach Angaben des Managements dabei die Vermarktung der Stromproduktion an der Börse.

Ein Teil des Gewinns – exakt 140 Millionen Euro – soll über mehrere Entlastungspakete Kunden und Kundinnen des städtischen Energieversorgers zugutekommen. Das gaben der Chef der Wien Energie, Michael Strebl, und der in der Geschäftsführung unter anderem für IT, Personal und Rechtsangelegenheiten zuständige Karl Gruber bei der Bilanzpräsentation am Mittwoch bekannt. Den restlichen Gewinn und noch mehr, in Summe 417 Millionen Euro, will man heuer für grüne Investitionen einsetzen, unter anderem für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Starke Verluste im Vertrieb

Erhebliche Verluste hat im Berichtsjahr hingegen die Vertriebstochter der Wien Energie eingefahren. Die Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG hat das Geschäftsjahr 2022 mit einem negativen Ergebnis von 143 Millionen Euro abgeschlossen. Das nehmen Strebl und Gruber als Beleg dafür, dass die Wien Energie Kunden und Kundinnen in den zurückliegenden schwierigen Monaten jedenfalls nicht durch übergebührlich hohe Preise belastet habe. 2021 war das Jahresergebnis der Vertriebstochter noch positiv, nach Angaben von Wien Energie war es "ein mittlerer, einstelliger Millionen-Euro-Betrag".

Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Wien Energie.
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Die Volumina der angedachten Entlastungsmaßnahmen sind am Dienstag vom Aufsichtsrat des Unternehmens abgesegnet worden. 80 Millionen der zur Refundierung vorgesehenen 140 Millionen Euro werden demnach Strom- und Gaskunden und -kundinnen im heurigen Sommer in Form von Freienergietagen sowie Rabatten erhalten. Die Entscheidung, um wie viele Gratistage es sich handelt, soll kurz vor dem Sommer abhängig von den dann vorherrschenden Strom- und Gaspreisen getroffen werden. "Jetzt etwas zu sagen ist unseriös", meinte Strebl. Das Volumen sei mit 80 Millionen Euro fixiert. Profitieren sollen sowohl Bestands- als auch Neukunden. Auch für Gewerbekunden soll es eine Entlastung geben.

Rabatt auf Fernwärme

50 Millionen Euro sind für einen Fernwärmepreisnachlass in Form eines Rabatts von 20 Prozent auf den Grundpreis, der erst im Frühherbst angehoben wurde, reserviert. Die Preisreduktion ist rückwirkend geplant und soll allen Fernwärmekunden und -kundinnen bei der kommenden Jahresabrechnung gutgeschrieben werden. Ein durchschnittlicher Wiener Haushalte, der an das Fernwärmenetz angeschlossen ist, werde damit um etwa 80 Euro in der Heizperiode entlastet. Weitere zehn Millionen Euro will die Wien Energie karitativen Organisationen wie Caritas, Rotem Kreuz oder Volkshilfe in Form von Strom-, Gas- und Wärmegutscheinen zur Verteilung an besonders Bedürftige zukommen lassen.

Forcieren will die Wien Energie die Dekarbonisierung der Fernwärme und den Ausbau derselben. War bisher eine voraussichtliche Anschlussquote von 80 Prozent als Startschuss für die Erschließung eines Stadtgebiets mit Fernwärme notwendig, will die Wien Energie den Fernwärmeausbau künftig auf eigenes Risiko übernehmen. Dafür wurden 50 Millionen Euro reserviert, mit denen ein Zwischenfinanzierungstopf dotiert wird.

Hoher Umsatz, teurer Gaseinkauf

Kräftig gestiegen ist im Berichtszeitraum der Umsatz, und zwar um 95 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro. Noch kräftiger gestiegen ist der Materialaufwand der Wien Energie, was zu einem Großteil auf den teuren Gaseinkauf zurückzuführen ist: plus 110,7 Prozent auf knapp 4,8 Milliarden Euro. Sowohl das Umsatzplus als auch der gestiegene Materialaufwand seien den Preisen geschuldet, die im Großhandel 2022 nie gesehene Höhen erreicht haben.

Die Zahl der Mitarbeiter ist im Jahresschnitt leicht von 2.179 auf 2.205 gestiegen. Im Kundenservice habe man an die 100 neue Stellen besetzt, sagte Strebl. Weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen dazukommen. Allerdings werde es noch etwas dauern, bis man kundenseitig etwas merke. Strebl: "Wir sind mit einer unglaublichen Anzahl an Anfragen konfrontiert." (Günther Strobl, 19.4.2023)