Diese Skizze aus dem Gerichtssaal zeigt Richter Eric Davis, der nach dem Vergleich den Geschworenen mitteilt, dass sie entlassen sind.

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Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl stand fest. Doch Donald Trump wollte es nicht akzeptieren. Die Wahlcomputer hätten dem Sieger Joe Biden fälschlich Stimmen zugeschustert, ließ er seine Berater fantasieren. Beim rechten Sender Fox News war man schwer genervt. "Die Software-Scheiße ist absurd", schrieb Starmoderator Tucker Carlson im November 2020 in einer privaten Nachricht an eine Kollegin. Sein Kollege Sean Hannity wählte drastischere Worte: "Fucking lunatics" (verdammte Wahnsinnige) nannte er intern die Verschwörungspropagandisten. "Das ist wirklich verrücktes Zeug", merkte auch Firmenpatriarch Rupert Murdoch an.

Dennoch befeuerte der US-Kabelkanal in den kommenden Monaten aggressiv die hanebüchene Wahlbetrugslüge: Seine Studiogäste ließ er bereitwillig immer absurdere Konspirationsmärchen verbreiten – bis hin zu der Behauptung, die Wahlmaschinen des Herstellers Dominion seien von politischen Akteuren im Ausland manipuliert worden.

Eine der höchsten Summen

"Fox kannte die Wahrheit. Doch es nutzte seine Macht und seinen Einfluss, um die falsche Geschichte zu verbreiten", prangerte das diffamierte Unternehmen in einer Verleumdungsklage die Desinformation der Fernsehzuschauer an.

Dafür muss der Medienkonzern nun einen gewaltigen Preis zahlen. Unmittelbar vor dem Beginn eines mit Spannung erwarteten Prozesses gestand Fox dem Wahlmaschinenhersteller am Dienstag einen Schadenersatz von 787,5 Millionen Dollar (718,65 Mio. Euro) zu. Das ist nach US-Medienberichten eine der höchsten Summen, die in den Vereinigten Staaten je wegen einer Verleumdungsklage fällig wurden. "Lügen haben Konsequenzen", triumphierte Dominion-Anwalt Justin Nelson vor dem Gericht in Wilmington.

Später Vergleich

Trotzdem sind nicht alle in den USA zufrieden. Kritiker des rechten Propagandasenders, der allabendlich von mehr Menschen als seine linksliberalen Konkurrenten CNN und MSNBC eingeschaltet wird, hatten nämlich auf einen mehrwöchigen Prozess gehofft, bei dem mutmaßlich viele Starmoderatoren hätten aussagen und ihre Bigotterie verteidigen müssen.

Tatsächlich hatte der Richter in Wilmington schon die Geschworenen vereidigt, und die Eingangsstatements sollten gerade beginnen, als die Nachricht von dem Vergleich hereinplatzte und das Verfahren abrupt beendete.

Rechtsexperten weisen jedoch darauf hin, dass eine bewusste Verleumdung des Wahlmaschinenherstellers nicht ganz einfach nachzuweisen gewesen wäre und die meisten derartigen Klagen in den USA mit einer außergerichtlichen Einigung enden.

Entlarvende Äußerungen

So kann Fox News zwar den weiteren Imageschaden durch ein öffentliches Spektakel vor Gericht eindämmen. Doch Dominion hatte in seiner Klageschrift bereits zahlreiche entlarvende Äußerungen von Fox-Managern, -Moderatorinnen und -Moderatoren zusammengetragen, die das Bild eines Propagandasenders zeichnen, der aus Panik wegen möglicher Quoteneinbußen und einer Abwanderung seiner radikalen Zuschauer zu den ultrarechten Newcomer-Konkurrenten OAN und Newsmax bewusst die Wahrheit verbog.

"Ich habe das keine Sekunde geglaubt", hatte Moderator Sean Hannity in einer eidesstattlichen Erklärung für den erwarteten Prozess eingeräumt. Einige der hauseigenen Kommentatoren hätten die Lüge von der Wahlfälschung unterstützt, gab sich in seiner schriftlichen Einlassung für das Gericht auch Konzernboss Rupert Murdoch demonstrativ zerknirscht: "Im Rückblick wünschte ich, dass ich dem stärker widersprochen hätte."

Öffentlich freilich zeigt der Sender weit weniger Reue. Im laufenden Programm wurde der Vergleich am Dienstag erst mit einiger Verzögerung gemeldet. Die dann verlesene Presseerklärung des Medienunternehmens räumt widerwillig ein, "dass das Gericht einige Behauptungen über Dominion als falsch eingestuft hat". Dann behauptet der Sender ernsthaft, die Einigung unterstreiche "die Verpflichtung von Fox News auf die höchsten journalistischen Standards". Einen Widerruf oder eine Entschuldigung im Programm musste der Sender nicht ausstrahlen.

Zweite Verleumdungsklage

Der Schadenersatz dürfte das Murdoch-Unternehmen finanziell trotzdem treffen. Immerhin frisst er rund ein Fünftel sämtlicher liquider Mittel auf, über die Fox am Ende des vergangenen Quartals verfügte.

Und es dürfte nicht die letzte Zahlung sein. Ein weiterer Hersteller elektronischer Wahlsysteme namens Smartmatic hat ebenfalls eine Verleumdungsklage gegen Fox News und seine Moderatoren eingereicht und fordert einen Schadensersatz von 2,7 Milliarden Dollar. Der Dominion-Fall habe nur einen Teil des Schadens durch die Desinformationskampagne des Senders offengelegt, gab sich ein Smartmatic-Sprecher kämpferisch: "Wir werden den Rest aufdecken." (Karl Doemens aus Washington, 19.4.2023)