Die jährliche Grippeimpfung wird an die aktuell kursierenden Stämme angepasst. Doch durch die lange Vorlaufzeit in der Produktion kann es passieren, dass es zu weiteren Mutationen kommt. Ein neuer Universalimpfstoff soll dieses Problem lösen.

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Alljährlich wird für die Influenza-Impfung Stimmung gemacht. Idealerweise lässt man sich im November mit dem angepassten Vakzin impfen, damit man für den Höhepunkt der Influenza-Welle, die üblicherweise im Jänner kommt, gerüstet ist. Die Impfung schützt nicht immer gegen Infektion, aber sehr gut gegen schweren Verlauf. Wie gut sie tatsächlich schützt, hängt davon ab, wie gut das Vakzin auf jenen Virusstamm ausgelegt ist, der im Winter kursiert. Darum arbeiten viele Forschende an einer Art "Universalgrippeimpfstoff", der möglichst viele Erregervarianten umfasst. Mit vielversprechenden Daten im Rahmen einer klinischen Studie mit 52 Freiwilligen warten nun US-Forschende auf. An der Analyse beteiligt waren auch aus Österreich stammende Virologen.

Alle Jahre wieder diskutieren Mediziner und Impfstoffentwicklerinnen darüber, welcher Grippestamm dominant sein wird, um einen möglichst passenden Impfstoff herzustellen. Für die kommende Grippesaison 2023/2024 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sich bei der Zusammensetzung der Vakzine auf vier Influenza-Stämme zu konzentrieren. Darunter ist heuer auch ein Influenza-Virusstamm aus Österreich aus dem Jahr 2021 (B/Austria/1359417/2021). Eine exakte Wissenschaft ist das selbstverständlich nicht. Liegt die Forschungscommunity falsch, kann die Impfung die jährlichen Wellen weniger abflachen als erhofft.

Zu wenig Flexibilität bei Mutationen

In den USA gab es in den vergangenen zehn Jahren jedes Jahr zwischen 12.000 und 52.000 Influenza-Tote. In Österreich sind es laut dem Gesundheitsministerium im Schnitt mehr als 1.000 Todesfälle pro Jahr. Influenza-Viren tragen auf ihrer Oberfläche einen Eiweißstoff namens Hämagglutinin, der sie in die Wirtszellen leitet. Die meisten saisonalen Impfstoffe machen das Immunsystem auf dessen exponierten Kopf-Abschnitt aufmerksam, damit es die Viren daran erkennt und zerstört. Hier gibt es aber immer wieder mitunter signifikante Veränderungen. Die Herstellung der Vakzine hat einen relativ langen Vorlauf, dadurch ist man bei der Konzeption in der Flexibilität eingeschränkt. Umso größer ist der Bedarf an "suprasaisonalen oder universalen Influenza-Impfstoffen", die effizient hergestellt werden können, schreiben die Forschenden in der Arbeit, an der auch der am Mount Sinai School of Medicine in New York tätige, gebürtige Oberösterreicher Peter Palese beteiligt war.

Forschende um die Erstautorin der im Fachblatt "Science Translational Medicine" erschienenen klinischen Studie über den experimentellen Universalimpfstoff, Alicia Widge vom Vaccine Research Center (VRC) des National Institutes of Health (NIH) in den USA, erprobten nun ihren Ansatz erstmals an Menschen. Das Gros der 52 Testpersonen zwischen 18 und 70 Jahren erhielt zwei Dosen des Vakzins in einem zeitlichen Abstand von 16 Wochen.

Der sogenannte H1ssF-Influenza-Impfstoff enthält Nanopartikel des H1-Hämagglutininstammes. Diese stammen jedoch nicht von dem recht wandelbaren Hämagglutinin-Kopf, sondern von der Stamm- oder Halsstruktur des Eiweißstoffes. Diese Teile des Virus sind über verschiedene Typen des Erregers nämlich sehr ähnlich gestaltet. "Daher ist der Stamm ein vielversprechendes Ziel für einen Universalimpfstoff", so die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Das Team setzte hier auf Teile eines in Neukaledonien im Jahr 1999 aufgetauchten Influenza-Stammes, dessen Halsstruktur immer noch zu über 90 Prozent mit sehr viel später entstandenen Abkömmlingen übereinstimmt.

Ansatz mit unveränderlichen Virusbestandteilen

Die Ergebnisse zeigen nun, "dass das H1ssF-Vakzin sicher, gut verträglich und immunogen ist", schreiben die Forschenden. Bei den Testpersonen gab es kaum Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen. Den Analysen zufolge stieß der Impfstoff eine ausgeprägte und lang anhaltende, vor allem Grippeviren der "Gruppe 1" neutralisierende Antikörperreaktion an. Zu dieser Gruppe gehören u. a. die Subtypen H1, H2 oder H5.

Deutlich weniger ausgeprägt war sie bei der "Gruppe 2", in die beispielsweise H3- oder H10-Grippeviren eingeteilt werden. Bei letzteren beiden Subtypen blieb die Neutralisierungswirkung aus.

Gerade die für die Erinnerung an die Teile des Virus zuständigen B-Zellen produzieren durch das neue Vakzin angeregte Antikörper, die sich gegen zwei Teile des Erregerstammes richten, die besonders unveränderlich erscheinen. Mit Boostersubstanzen, sogenannten Adjuvantien, könnte die Wirksamkeit überdies weiter verstärkt werden.

Insgesamt glauben die Wissenschafter an die Vorteile ihres Nanopartikel-Vakzins auf Basis des Eiweißstoffes Ferritin, da man nicht auf die zeitaufwendige Herstellung in Hühnereiern angewiesen ist. Außerdem könnten die Wirkstoffe rasch angepasst werden, falls sich der Erreger im Laufe einer Epidemie stärker verändert. (APA, red, 19.4. 2023)