Anne Hathaway wurde zum Prototyp des sogenannten "Happy Girl" ernannt – und wurde dafür gehasst.

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#Hathahate: Unter diesem Hashtag versammelten sich im Jahr 2013 Menschen, die die Schauspielerin Anne Hathaway hassten, sich über sie lustig machten und sie unter der Gürtellinie attackierten. Aber was hatte Hathaway verbrochen, um das Internet so gegen sich aufzubringen und sich sogar einen eigenen Hate-Hashtag zu verdienen? Kurz: Sie war eine Frau, die gemocht werden und erfolgreich sein wollte.

Hathaway wurde in den 2000ern mit Filmen wie "Plötzlich Prinzessin" und "Der Teufel trägt Prada" erst zum Disney-Star und dann zur erwachsenen und vor allem beliebten Hollywood-Schauspielerin, die Erfolge am laufenden Band verbuchte. 2012 spielte sie schließlich in "Les Misérables", wofür sie sogar den Oscar als beste Nebendarstellerin absahnen konnte.

Und genau das war der Moment, in dem sich die Art und Weise, wie Anne Hathaway von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, veränderte: Sie gab sich in ihrer Dankesrede fast schon ein wenig zu ernsthaft und sprach davon, wie stolz es sie mache, dass sie ihren großen Traum vom Hollywood-Erfolg erreicht habe. Anne Hathaway machte keine bescheidenen, selbstironischen Gags, sie zeigte ihr perfektes Lächeln und strotzte nur so vor Pathos. "Sie schauspielert sogar dann, wenn sie einen Award gewinnt", analysierte Moderator Howard Stern damals.

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Das klingt erstmal nach keinem triftigen Grund, jemanden zu hassen. Aber: Der öffentliche Diskurs war zu dieser Zeit ein anderer. Das Internet lebte von bösartigem, misogynem Gossip und stürzte sich nur allzu gern auf Promis, die "Fehler" gemacht hatten, noch dazu, wenn diese Promis Frauen waren. Damals beschäftigte sich niemand mit der Frage, ob es richtig war, wie weibliche Celebritys von Öffentlichkeit, Medien und Publikum behandelt wurden. Wir waren weit entfernt von Dokus wie "Pamela: Eine Liebesgeschichte" oder Diskussionen über Janet Jacksons vorläufiges Karriereende nach Nipplegate.

Die vielgehasste Streberin

Anne Hathaways Fehler war kurz zusammengefasst folgender: Sie war so super, so perfekt, so ambitioniert, dass es nervte. Sie war die Person, die wir alle aus der Schule kennen – diejenige, die nach der Schularbeit mit Tränen in den Augen darüber jammert, dass sie es diesmal sicher versaut habe, während sie ihre gesunde, liebevoll zubereitete Jause von Mama verspeist. Die aber letzten Endes natürlich wie immer einen Einser schrieb.

Anne Hathaway war vom Internet zum Prototyp des sogenannten "Happy Girl" ernannt worden, das die Welt nicht mehr länger mit seinem perfekten Lächeln verzaubern konnte, weil es einmal zu oft breit gegrinst und sich über seine eigenen Erfolge gefreut hatte. Im "New Yorker" setzte man 2013 zu einem Erklärungsversuch an, warum Anne Hathaway plötzlich von so vielen gehasst wurde: Schon kleinen Mädchen werde beigebracht, dass man als Frau nicht zu offen nach Anerkennung und Applaus streben dürfe und mit seinen Errungenschaften am besten hinterm Berg hält, wenn man beliebt sein will.

Frauenfeindliche Klassiker

Hathaway blieb auch ein weiterer Klassiker aus dem Einmaleins der Frauenfeindlichkeit nicht erspart: Sie wurde gegen andere Schauspielerinnen ausgespielt und ständig mit anderen Superstars wie zum Beispiel Jennifer Lawrence verglichen. Lawrence wurde stets als selbstironisch, witzig und als "One of the Boys" wahrgenommen. Sie betonte in Interviews, wie gerne sie vor einem Gang über den Roten Teppich riesige Steaks isst, während sich Hathaway vegan ernährt. Lawrence war bodenständig, ließ ihren Megaerfolg so wirken, als würde er ganz beiläufig passieren. Hathaway war das Gegenteil.

Nach der Welle an Hate zog sich Hathaway zumindest zeitweise aus der Öffentlichkeit zurück – beim Sundance Film Festival 2013 sagte sie auf dem Roten Teppich: "Ich hatte das Gefühl, die Menschen brauchen eine Pause von mir." Die Hathahater hatten aber nicht gewonnen, denn Hathaway kam mit "Interstellar" zurück und lachte in der "Tonight Show" über ebendiese.

Was es bedeutet, "woman’d" zu werden

Die Autorin Rayne Fisher-Quann stellte sich die Frage, warum die Öffentlichkeit junge, aufstrebende Frauen oftmals erst begeistert aufbaut, nur um sie schließlich wieder zu zerstören. Sie schuf den Begriff "woman’d" und erklärte, dass Stars wie Hathaway "gefraut" würden, indem plötzlich alle gleichzeitig damit aufhören würden, diese Person zu mögen, um sie stattdessen (vor allem online) zu haten. Dieser Zyklus im öffentlichen Leben weiblicher Celebritys lasse sich nicht nur bei Hathaway, sondern zum Beispiel auch bei Britney Spears beobachten.

Erst werden diese Frauen erfolgreich, egal ob als Sängerin, Schauspielerin, Politikerin oder Autorin. Alle lieben die Newcomerin, den neuen Shootingstar, der dann gerne auch direkt mit anderen Stars vergleichen und beispielsweise als "die neue Amy Winehouse / Audrey Hepburn / Madonna" gefeiert werde. Die neue Celebrity ist für alle ihre Fans eine Bereicherung, genauso wie für die Medien. Fans profilieren sich auf Social Media durch Posts über die Person, während Medien Klicks generieren. Ein gutes Geschäft für alle also, oder?

Irgendwann erreichen Beliebtheit und Sichtbarkeit der Newcomerin jedoch einen Peak, ab dem alle krampfhaft nach einem Fehler suchen, der einen Turn des Narrativs rechtfertigt. Dieser "Fehler" kann noch so klein sein, zum Beispiel ein unlustiger Instagram-Post oder ein komisches Paparazzi-Bild. Im Fall von Anne Hathaway reichte eine stinknormale Oscar-Rede.

"Immer wieder wurden junge Frauen vor dem Gericht der öffentlichen Meinung zum Tode verurteilt für ihr Verbrechen, zu sichtbar, zu erfolgreich, zu stolz, zu schlecht darin zu sein, Bescheidenheit oder Coolness zu performen – oder welches neue Modell der Weiblichkeit eben gerade erstrebenswert ist", schreibt Fisher-Quann. Sie hält auch fest, dass es einen großen Unterschied gebe, ob jemand kritisiert oder eben "woman’d" werde. Bei Letzterem handele es sich nicht um inhaltliche Kritik zur Arbeit der Künstlerin, sondern um sexistischen Hass.

Macht über die eigene Geschichte

Die Art, wie wir weibliche Stars wahrnehmen, hat sich seit der #Hathahate-Welle natürlich maßgeblich geändert – vor allem durch Social Media. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben heute mehr Macht über ihre eigene Geschichte und Persona. Heute ist es gang und gäbe, auch als Superstar die Facetten von sich zu zeigen, die eben nicht perfekt sind. Wir kennen ungeschminkte Fotos, die nicht von Paparazzi, sondern von den Stars selbst geschossen wurden. Wir kennen Geschichten über verletzliche Momente, Unsicherheiten und mentale Kämpfe der Stars. All das macht sie menschlicher, zugänglicher und nützt ihnen dadurch natürlich. Aber er stellt vor allem für weibliche Celebritys eine traurige Notwendigkeit dar: Denn diese Inhalte machen sie weniger angreifbar. So kann sie niemand mehr dafür kritisieren, zu perfekt zu sein.

Anne Hathaway scheint mit dem #Hathahate heute übrigens im Reinen zu sein. 2022 sprach sie bei einer "Women in Hollywood"-Veranstaltung des Magazins "Elle" darüber: "Es gibt einen Unterschied zwischen Existenz und Verhalten. Man kann jemanden für sein Verhalten verurteilen. Man kann Verhalten verzeihen oder nicht. Aber niemand hat das Recht, jemanden für seine Existenz zu verurteilen – oder gar zu hassen. Freut euch für Frauen. Insbesondere für glückliche, erfolgreiche Frauen. Es ist gar nicht so schwer." (Verena Bogner, 21.4.2023)