(Dieses Bild wurde mit der Bild-KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "a rock band consisting of robots, playing on a stage, in the style of a colorful graphic novel --ar 16:9".)

Foto: Midjourney/Stefan Mey

Ein mit künstlicher Intelligenz gestaltetes Fake-Duett zwischen Drake und The Weeknd sorgte zuletzt in den Chefetagen der Musiklabels für schlaflose Nächte. Denn der Song wurde zum viralen Hit, entstand aber ohne Zustimmung der Musiker. Die Initiatoren hatten die Stimmen zum Trainieren ihrer KIs genutzt, um ihnen selbstgeschriebene Texte in den Mund zu legen. Das Beispiel ist prominent, aber eigentlich nur eines von vielen: Stimmen zu klonen und damit neue Songs zu erstellen ist leichter als je zuvor.

Auch andere KI-Experimente sorgen für Aufsehen: Hier singt ein gefälschter Kanye West "Just the Two of Us".

Nun wird debattiert, wie mit einer Technologie umgegangen werden soll, welche die Branche erneut auf den Kopf stellen könnte, gerade jetzt, da die Wunden der Napster-Revolution verheilt zu sein scheinen.

Rechte schützen ...

Natürlich müssen die Urheberrechte der Kunstschaffenden geschützt werden. Die Stimme ist das Kapital eines Rappers, und er muss das Recht haben, über dessen Verwendung zu bestimmen. Vor allem Deep Fakes, in denen Menschen in täuschend echten Soundclips oder gar Videos unwahre Aussagen in den Mund gelegt werden, müssen verboten werden. Kein Will Smith will sich selbst hören, wie er etwa als KI den IS verherrlicht.

Doch Verbote sind nicht die einzige Lösung. So könnte etwa auch ein Revenue-Share – also ein Anteil am Erlös – angeboten werden, wenn Musikerinnen bemerken, dass ihre Stimme oder eine von ihnen geschriebene Melodie zur Erschaffung neuer Werke genutzt wurde. Denn für Aufsehen hat der Song unter anderem gesorgt, weil manche User meinten, er sei "besser als ein echter Drake-Song". Von der Existenz solcher Werke profitieren die Fans also, und die Künstler könnten sich finanziell entschädigen lassen.

... und Chancen nützen

Was aber, wenn das Label und der Künstler, die Künstlerin gar nicht bemerken, dass ein solches Werk existiert? Dann hat sich das Problem eigentlich von selbst gelöst. Denn wenn ein Werk unter dem Radar fliegt, dann generiert es auch keinen Umsatz, und die Diskussion um entgangenes Geschäft erübrigt sich. Diese Nischenprodukte sollte man gewähren lassen.

Denn es geht um mehr als ums Geld: Es geht auch um die mögliche Entstehung einer neuen Kunstform, um neue Werke, um das Experimentieren mit bisher ungeahnten Möglichkeiten. David Guetta etwa ließ während eines Gigs ein KI-Sample des Rappers Eminem über einen seiner Tracks rappen. Die Menge rastete aus, dem DJ ist die Begeisterung anzusehen – während er auch klar betont, dass er das Werk nicht kommerziell verwerten werde.

David Guetta

Chancen zum Experimentieren gibt es aber nicht nur für Star-DJs, sondern auch für Privatmenschen: Snoop Dogg als Stimme aus dem Off im Familienurlaubsvideo? Ist Geschmackssache, auf jeden Fall aber technisch möglich.

Alt trifft Neu

Zu erwarten ist jedenfalls, dass in den kommenden Monaten eine Schwemme an KI-generierten Songs auf uns einprasseln wird. Und viele davon werden wie das klingen, was sie sind: liebloser Einheitsbrei. Doch ist diese Phase einmal überwunden, dürften die ersten Experimente auch kreative Früchte tragen. Dann wird sich herausstellen, dass die KI nicht alles kann, dann wird das Menschengemachte wieder gewünscht: die rotzig-verzerrte E-Gitarre einer Keller-Punkband, die Wut in der Stimme eines Zack de la Rocha.

Die KI wiederum kann helfen, Beats zu entwickeln und kleine Samples zu komponieren, die von Menschen zu einem Gesamtwerk arrangiert werden. Musik ist Mathematik und auch Emotion. Sie ist das perfekte Spielfeld, auf dem Mensch und Maschine kooperieren können, um Wunderschönes zu erschaffen. Wenn man sie nur lässt. (Stefan Mey, 25.4.2023)