Hohe Inflation, ansteigende Zinsen, verändertes Konsum- und Arbeitsverhalten der Menschen: Diese Mischung lastet auf Gewerbeimmobilien und damit auch auf den finanzierenden Banken.

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Die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitswelt, gefolgt von Zinserhöhungen der Notenbanken, setzen dem Markt für Gewerbeimmobilien derzeit massiv zu. Eine Umfrage der US-Großbank JPMorgan unter Investoren identifizierte Gewerbeimmobilien als die wahrscheinlichste Ursache einer potenziellen Krise. Denn die Branche kämpft momentan mit vielerlei Herausforderungen.

Die Auslastung der Büros erholte sich immer noch nicht zum Vor-Pandemie-Niveau, und das hat Folgen auch für den Einzelhandel. Zum geänderten Arbeits- und Einkaufsverhalten der Menschen, die immer noch viel Zeit im Homeoffice verbringen und viele Besorgungen online erledigen, kommt auch das neue Zinsumfeld hinzu.

Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte innerhalb des vergangenen Jahres den Leitzins auf 3,5 Prozent von minus 0,5 Prozent, um die Inflation zu bekämpfen. Damit stiegen nicht nur die Finanzierungskosten für Bauvorhaben, sondern auch die Refinanzierung bestehender Immobilien. Risiken aus diesem Sektor für Banken und andere Finanzunternehmen müssen nach Ansicht der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, überwacht werden.

Besser aufgestellt, Gefahr bleibt

Europäische Institute, die Gewerbeimmobilien finanzieren, seien zwar besser aufgestellt als ihre US-Rivalen, sagen Analysten – doch Risiken bleiben. Der IWF schätzt, dass im vergangenen Jahr Gewerbeimmobilien rund sechs Prozent der Bankkredite in Europa ausmachten. In den USA beliefen sich diese Engagements dagegen auf 18 Prozent. Somit seien europäische Institute für anstehende Risiken besser positioniert.

Sollten sich jedoch systemische Risiken abzeichnen, so seien nordische Institute und die auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien spezialisierten deutschen Banken diesen stärker ausgesetzt, merkten die Experten von Barclays an. Der IWF sieht die Lage der Gewerbeimmobilien zunehmend mit Sorge, weil die Branche stark von kleineren Geldinstituten abhängt. In Deutschland beliefen sich Kredite für Gewerbeimmobilien laut IWF Mitte vergangenen Jahres auf 4,4 Prozent des Gesamtkreditvolumens der Finanzinstitute.

Bewertungen werden fallen

"Auch in Europa kann es immobilienbezogene Schwachstellen im Finanzsystem geben", sagt Ökonom Andrew Burrell. Allerdings zeichnete sich bislang keine große Gefahr für die Banken ab. Burrell prognostiziert, dass Bewertungen von Gewerbeimmobilien in der Eurozone rund 20 Prozent fallen werden, bevor sie ihren Tiefpunkt erreichten.

Nach Angaben von Barclays sind schwedische Geldinstitute bei solchen Risiken stärker exponiert. Das Kreditvolumen schwedischer Immobilieninvestoren hatte sich 2021 mit 2300 Milliarden Schwedische Kronen (202 Milliarden Euro) im Vergleich zu 2012 nahezu verdoppelt. Zudem hoben Analysten eine höhere Konzentration der Risiken bei den auf Immobilien spezialisierten deutschen Banken hervor, wie die Aareal Bank, die Deutsche Pfandbriefbank und Berlin Hyp. Die Aareal Bank wollte hierzu keine Stellung nehmen. Die PBB und Berlin Hyp waren zunächst für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Bankaufseher der EZB hatten im vergangenen Jahr bei den meisten Geldhäusern Defizite in den Abläufen erkannt, wie sie die Zahlungsfähigkeit ihrer potenziellen Kreditnehmereinschätzen. Rund 30 Prozent der notleidenden Kredite bei den europäischen Banken sind der Notenbank zufolge im Bereich der Gewerbeimmobilien.

Fokus auf USA

Laut einer Analyse der Bank of America halten US-Regionalbanken fast 70 Prozent dieser Gwerbeimmo-Kredite in ihren Büchern. Bei ihnen ist das Risiko von Ausfällen oder Neubewertungen also enorm. Neben Büroimmobilien zählen Kredite für Einzelhändler, Shoppingcenter und Wohngebäude dazu, berichtete das "Handelsblatt".

Viele dieser Kredite wurden im Nullzinsumfeld vergeben. Seit vergangenen März ist der US-Leitzins aber auf die Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent gestiegen. Diese Zinslast wiegt schwer. Heuer werden Kredite für Gewerbeimmobilien von rund 450 Milliarden Dollar fällig. Diese "müssen in einem Umfeld refinanziert werden, in dem die Zinsen deutlich höher liegen und die Bewertungen der Immobilien abgenommen haben. Gleichzeitig ist weniger Liquidität im Markt", warnt Scott Rechler, CEO des Immobilienentwicklers RXR, im "Handelsblatt".

Das Refinanzierungsrisiko ist enorm. Bis Ende 2025 werden laut einer Erhebung von Bloomberg fast 1,5 Billionen US-Dollar an US-Schulden für gewerbliche Immobilien fällig. (Reuters, bpf 20.4.2023)