Ist es moralisch vertretbar, wenn Unternehmen trotz der hohen Inflation ihre Preise weiter hinaufsetzen und damit Extragewinne einfahren? Rund um diese Frage tobt in Österreich eine aufgebrachte Diskussion. Die Gewerkschaft spricht von "Gierflation". Ökonomen rücken aus, um Profitzurückhaltung zu fordern: Im Sinne der "gesamtwirtschaftlichen Vernunft" sollten Unternehmen ihre Preise nicht stärker erhöhen, als dies durch Kosten gerechtfertigt sei, so der Chef des Fiskalrats, Christoph Badelt. Vor allem Gastronomen geraten in Kritik, weil Schnitzel, Sushi und Co teuer geworden sind.

Preiskontrollen in der Gastronomie? Ein Wirt, der 20 Euro für ein Schnitzel verlangt, macht nichts falsch, solange die Nachfrage stimmt.
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Der Debatte wohnt eine merkwürdige Vorstellung davon inne, wie eine Marktwirtschaft funktioniert. Das Profitstreben zu verteufeln ist unter den gegebenen Spielregeln unsinnig. Der Begriff "Gierflation" taugt dazu, Empörung beim Publikum auszulösen. Basis für gute Wirtschaftspolitik ist er nicht.

Vorwürfe an Unternehmen

Ziel von Unternehmerinnen und Unternehmern ist es, Gewinne zu maximieren. Dafür gibt es mehrere Wege. Betriebe können Preise für Dienstleistungen und Waren senken und so versuchen, den Umsatz zu erhöhen. Oder sie verkaufen Produkte einen Tick teurer.

Letzteres ist im aktuellen Inflationsumfeld leichter möglich: Alle erwarten steigende Preise, weshalb es im Alltag leichter durchgeht, wenn das Kinoticket oder der Kaffee teurer werden. Diesen Mechanismus zu nutzen lässt sich keinem Unternehmer vorwerfen. Der Wirt, der für sein Schnitzel 20 Euro verlangt, wenn die Nachfrage da ist, macht nichts falsch – genauso wenig wie Gewerkschaften, die höhere Löhne für ihre Mitglieder durchsetzen. Um die Inflation zu bekämpfen, sind andere da.

Für einzelne Segmente mögen vorübergehende Preiskontrollen sinnvoll sein, um die Inflation zu dämpfen. Flächendeckend klug wäre es jedoch nicht: Dann müsste der Staat nämlich Preise und Löhne festlegen. Das würde zu groben Verwerfungen führen und die liberale Marktwirtschaft begraben. Nach freiwilliger Zurückhaltung zu rufen ist auch zwecklos. Sollen Firmenchefs etwa als Ziel ausgeben: "Im nächsten Jahr erwirtschaften wir weniger Gewinn"?

Gewinne und Wettbewerb

Überhaupt drängt sich die Frage auf, wo das Problem bei höheren Gewinnen liegt, sofern der Wettbewerb funktioniert? Aus gesellschaftlicher Sicht sind höhere Profite eine gute Nachricht. Betriebe, die profitabel sind, werden eher investieren und Jobs schaffen.

Der Staat profitiert dabei: 2022 nahm der Finanzminister 13 Milliarden Euro durch Gewinnsteuern ein, das war jeder achte Steuereuro. Natürlich gibt es vernünftige Ziele, welche die staatliche Politik verfolgen sollte. Dazu gehört, die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit aufgehen zu lassen. Wer hier ansetzen will, muss fordern, Gewinne höher zu besteuern, und sollte nicht Profite verhindern.

Das alles bedeutet freilich nicht, dass aus der aktuellen Entwicklung nichts folgen sollte. Österreich gibt fast fünf Milliarden an Unternehmensförderungen aus, weil die Energiekosten so gestiegen sind. Vieles von dem ließe sich sparen, sonst zahlen wir doppelt: als Steuerzahler und als Konsumenten. Die Regierung müsste überlegen, wo es mehr Wettbewerb braucht. Dass die sich die Koalitionäre bei der Ernennung eines neuen Chefs der Bundeswettbewerbsbehörde seit Monaten blockieren, ist keine gute Nachricht. Darüber gehört geredet. Mit Debatten über Gier kommen wir nicht weiter. (András Szigetvari, 21.4.2023)