Das Spitalspersonal warnt seit Monaten vor Engpässen in der Versorgung.

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In Österreich fehlt es an Pflegepersonal, die Versorgung im Spital leidet massiv darunter. Ärzte gibt es im internationalen Vergleich viele – aber oft nicht da, wo es sie braucht.

Wieder erklang am Donnerstag ein alarmierender Aufschrei aus dem Gesundheitsbereich: Der Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) warnte eindringlich vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Die Notfallversorgung sei entgegen anderslautenden Beteuerungen nicht mehr gesichert, hieß es in einer Aussendung. Der Personalmangel habe schon Menschenleben gekostet. Zwei Patienten hätten so lange auf die Versorgung in einer Notfallambulanz warten müssen, dass sie in der Zwischenzeit, vom Personal unbemerkt, verstorben seien, berichtet demnach eine Pflegerin. Es müsse mehr gezahlt werden, lautet die Forderung.

Der Pflegepersonalmangel in den Spitälern, in Heimen und in der Pflege zu Hause ist evident. Er ist aber auch ein massives internationales Problem. Auch im ärztlichen Bereich tun sich im österreichischen Gesundheitssystem immer mehr Lücken auf – und das, obwohl das Land mit 5,4 Ärztinnen und Ärzten pro 1000 Einwohner weit über dem OECD-Schnitt von vier pro 1000 Einwohner liegt, nur Griechenland und Portugal haben mehr. Müsste man im ärztlichen Bereich nur besser steuern, in welchen Bereichen die Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium genau arbeiten? Inwieweit wird das bereits versucht?

Ans öffentliche System binden

Mehrere Bundesländer versuchen, mittels Stipendien Studierende zu unterstützen, damit sich diese nach dem Medizinabschluss – meist für die Dauer von circa fünf Jahren – im öffentlichen Gesundheitssektor zur Arbeit in dem jeweiligen Bundesland verpflichten, entweder in einem öffentlichen Krankenhaus oder im niedergelassenen Kassenbereich. Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) vergibt 50 Stipendien, deren Bezieherinnen und Bezieher im Anschluss mit einem Kassenvertrag arbeiten sollen.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) schwebt überhaupt eine Berufspflicht für die, die das Medizinstudium in Österreich abschließen, vor – was laut Europarechtler Walter Obwexer rechtlich möglich wäre. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist allerdings dagegen. Diese Maßnahme würde darauf abzielen, Absolventinnen und Absolventen im Land und im öffentlichen System zu halten.

Wahlärzte abschaffen?

Allerdings erlebt der Wahlarztsektor in Österreich seit Jahren einen großen Boom. Geht jemand zur Wahlärztin, erhält er eine Honorarnote, die er im Anschluss bei der ÖGK einreichen kann. Dort bekommt man dann maximal 80 Prozent dessen, was ein Kassenarzt für die gleiche Behandlung bekäme (das entspricht oft einem Bruchteil des Honorars). Wer eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat, kann bei dieser den (meist großen) Rest zurückfordern. Wahlärztinnen und Wahlärzte veranschlagen in der Regel mehr Zeit pro Patient, und es gibt weniger bis keine Wartezeiten vor Ort. Allerdings kann sich dieses Service weit nicht jeder leisten.

Die ÖGK gibt an, dass die Zahl der eingereichten Wahlarzthonorare seit 2018 um 31 Prozent gestiegen ist. Sie machen aktuell sechs Prozent der Ausgaben im Vertragsbereich aus. Allen voran in der Gynäkologie und der Kinderheilkunde gibt es im Kassenbereich große Lücken – und viele Wahlärzte. Viele sind auch zugleich Spitalsärzte.

Immer wieder wurde erwogen, diese Doppelfunktionen zu untersagen, allerdings wehrt sich die Ärztekammer dagegen: Dann müsse die Spitalsarbeit attraktiver werden, sonst würden viele sich wohl für die Wahlarztpraxis und gegen das Krankenhaus entscheiden. Auch diskutiert wurde die Idee von ÖGK-Vize Andreas Huss, nur mehr Ärztinnen und Ärzte auf Kasse zu haben oder eben ganz privat – ohne Kostenersatz der Sozialversicherung. Das Gegenargument hierzu: Zuerst müsse das Kassensystem verbessert werden, sonst werde es noch teurer für Patientinnen, wenn das von der Kasse abgedeckte Angebot fehle. Einer stärkeren Regulierung des Wahlarztsystems ist Gesundheitsminister Rauch nicht abgeneigt.

Kassenversorgung stärken

Ein starker niedergelassener Bereich wäre ein ganz wesentlicher Faktor, um Krankenhäuser zu entlasten. In die Spitalsambulanzen kommen zahlreiche Menschen, die diese hochspezialisierte und teure Versorgung nicht bräuchten. Das erzeugt beim Personal unnötig Stress und Frust. Rauch will bis 2025 mithilfe einer Verdreifachung der Zahl der derzeit rund 40 Primärversorgungseinheiten (PVE) die kassenärztliche Versorgung stärken. PVE haben lange Öffnungszeiten, und mehrere Ärztinnen und Ärzte sind dort mit Pflegekräften und Therapeutinnen tätig. Die Arbeit im Team soll auch eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen.

Allerdings liegt der Ausbau der Zentren weit hinter Plan, Rauch will PVE nun auch für Fachärzte etwa der Kinderheilkunde sowie Wahlärztinnen und Wahlärzten öffnen. Außerdem soll die Ärztekammer bei der Vertragsvergabe unter bestimmten Umständen nicht mehr mitreden. (Gudrun Springer, 20.4.2023)