Das Objekt sieht spektakulär aus und könnte ein neues Licht auf die vielleicht rätselhaftesten aller Himmelskörper werfen. Soeben wurde im Fachjournal "Physical Review D" eine Studie zur Publikation akzeptiert, die zeigt, wie mittels der Stringtheorie ein Objekt möglich sein könnte, das aus der Ferne wie ein Schwarzes Loch aussieht, aber ein völlig anderes Innenleben hat.

Es handelt sich um einen theoretischen Vorschlag für einen neuen Sternentyp, der "topologisches Soliton" genannt wird und aus der Welt der Stringtheorie stammt. Diese Theorie ist eine mögliche Alternative zum derzeitigen Standardmodell der Physik, das alle sichtbare Materie beschreibt. Sie geht davon aus, dass Elementarteilchen in Wirklichkeit winzige Fäden sind, die je nach der Art, wie sie schwingen, verschiedene Teilchentypen bilden. Ein Forschungsteam der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität nutzte Stringtheorie zur Konstruktion des neuen Objekts und zeigte mittels einer Computersimulation, wie es aussehen würde.

Inspiriert von Gravitationswellen

So würde ein Schwarzes Loch einen dahinterliegenden Nebel verzerren ...
Foto: Pierre Heidmann/Johns Hopkins University

"Wir waren sehr überrascht", sagt der Physiker Pierre Heidmann, der Erstautor der Studie. "Das Objekt sieht aus wie ein Schwarzes Loch, aber aus seinem dunklen Fleck kommt Licht."

Die Forschenden gaben an, von der Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2015 inspiriert gewesen zu sein. Sie fragten sich, ob es nicht andere Objekte geben könnte, die ein ähnliches Gravitationsfeld haben.

"Wenn man kein Schwarzes Loch zur Verfügung hat, wie will man das feststellen? Wir haben keine gute Möglichkeit, das zu testen", sagt Heidemanns Kollege Ibrahima Bah. "Die Untersuchung hypothetischer Objekte wie topologischer Solitonen wird uns helfen, mehr herauszufinden."

Möglich sind solche Objekte, wenn man annimmt, dass die Welt nicht aus drei Raum- und einer Zeitdimension besteht, sondern es weitere Dimensionen gibt, die in unserem Alltag unsichtbar sind. In den bekannten vier Dimensionen sehen die neuen Himmelskörper wie extrem dichte kosmische Objekte aus. Erst in der Nähe offenbaren sich die zusätzlichen Dimensionen. Die ursprüngliche Konstruktion geschah ohne Zuhilfenahme von Stringtheorie. Letztere lieferte den nötigen Unterbau, der erklären kann, dass ein solches Objekt auch physikalisch Sinn hat.

Drei verschiedene Objekte

... und so würde das bei dem neuen Objekt aussehen.
Foto: Pierre Heidmann/Johns Hopkins University

Im Gegensatz zu Sternen oder Schwarzen Löchern besitzen topologische Solitonen keine herkömmliche Masse, die den sie umgebenden Raum krümmt. Bei ihnen sind andere Effekte dafür verantwortlich.

Ein topologisches Soliton sieht aber nicht automatisch wie ein Schwarzes Loch aus. Um das von der Forschungsgruppe vorgeschlagene Objekt zu erhalten, braucht es nicht nur ein einzelnes, sondern drei miteinander gekoppelte topologische Solitonen. Doch dann entsteht ein Objekt, das alles einfallende Licht verschluckt und sogar einen für Schwarze Löcher typischen "Photonenring" ausbildet. Das ist ein Bereich etwas außerhalb des für Schwarze Löcher typischen Ereignishorizonts, in dem die Raumkrümmung gerade so groß ist, dass Licht dort im Kreis geführt und gefangen werden kann.

Weiter im Inneren gibt es dann keine Gemeinsamkeiten mehr. Im Gegensatz zu den bekannten Schwarzen Löchern kommt das verschlungene Licht, nachdem es in höheren Dimensionen einen komplizierten Weg absolviert hat, wieder zum Vorschein.

Die Frage, ob die in der Astronomie beobachteten dichten Objekte, die man für Schwarze Löcher hält, nicht etwas völlig anderes sein könnten, stellte sich bis vor einigen Jahrzehnten ganz konkret. Untersuchungen von Sternen, die in unmittelbarer Nähe von Sagitarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße kreisen, zeigten zwar, dass es sich um ein extrem kompaktes Objekt handeln musste. Doch in den 80er-Jahren gab es Fachleute, die auch eine große Anzahl sehr nahe beieinander kreisender Neutronensterne für möglich hielten, wie der Astrophysiker Reinhard Genzel erzählt. Erst ein extrem nah vorbeiziehender Stern schloss auch diese Möglichkeit aus und brachte Genzel sowie einer Kollegin und einem Kollegen den Nobelpreis für Physik ein.


Aus der Welt der Stringtheorie

Inzwischen sind Schwarze Löcher gut etabliert und es bedarf weit exotischerer Ansätze, um Alternativen zu den bekannten Modellen zu finden. Die Stringtheorie ist eine gute Quelle für solche exotischen Modelle der Physik. Die vielen Dimensionen, derer sich die Theorie bedient, bieten auch viele Möglichkeiten, sich Dinge zu erdenken, die in vier Dimensionen nicht möglich sind.

Für die Stringtheorie ist das nun vorgeschlagene Objekt mindestens so interessant wie für die Astronomie, könnte es doch eine Möglichkeit bieten, eine Vorhersage der Stringtheorie experimentell zu untersuchen. Das sei auch der Antrieb für die neue Arbeit gewesen, betont das Team in der Studie. Diese seit Jahrzehnten als Teilgebiet der theoretischen Physik etablierte Theorie hat den Ruf, Experimenten extrem schwer zugänglich zu sein. Auch die leistungsfähigsten Physikexperimente der Welt, allen voran der Teilchenbeschleuniger LHC am Kernforschungszentrum Cern, scheiterten bisher daran, irgendwelche Hinweise darauf zu finden.

Exotisches Szenario

Der österreichische Stringtheoretiker Daniel Grumiller von der Technischen Universität Wien hält große Erwartungen im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Sternentypus aber für verfrüht. "Es ist sicher gut, diese Möglichkeit aufzuzeigen, aber starke Erwartungen habe ich nicht, dass das, was wir bislang als Schwarze Löcher interpretiert haben, in Wirklichkeit topologischen Solitonen entspricht", sagt Grumiller. Grundsätzlich ließe sich so ein Objekt aber relativ gut beobachten.

Für ihn ist das neue Konzept auch innerhalb der Stringtheorie nicht unbedingt zwingend: "Selbst unter der Voraussetzung, dass die Stringtheorie stimmt, erscheint es mir als eher exotisches Szenario."

So sieht ein echtes Schwarzes Loch aus. Sagittarius A* ist das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße.
Foto: EHT Collaboration/National Science Foundation/Handout via REUTERS

Grumiller hält solche Gedankenexperimente dennoch für wichtig. Er vergleicht sie mit verschiedenen Vorhersagen, die durch Forschungen am LHC widerlegt wurden. "Es war sinnvoll, diese Szenarien gedanklich durchzuspielen und zu zeigen, welche Signale diverse Exotika hinterlassen würden, wenn es sie gäbe", sagt Grumiller und nennt als Beispiele Mini-Schwarze-Löcher, Extradimensionen sowie diverse neue Teilchen. Aber das heißt laut Grumiller nicht, dass es sehr wahrscheinlich war, sie tatsächlich zu finden.

"Wenn man das Objekt beobachtet, wäre das natürlich großartig, aber wie gesagt, allzu viel würde ich darauf nicht wetten", sagt der Physiker.

Im Prinzip ist eine Beobachtung seit einigen Jahren möglich. Der Event-Horizon-Telescope-Kollaboration gelang es bereits, zwei Schwarze Löcher tatsächlich abzubilden. Künftig soll es noch genauere Aufnahmen geben. Das Forschungsteam von der Johns-Hopkins-Universität setzt darauf, dass dort etwas gefunden wird, das dem nun vorgeschlagenen Objekt ähnelt. (Reinhard Kleindl, 23.4.2023)