Wir und die nicht sehr anderen: Bundeskanzler Karl Nehammer und Arbeitsminister Martin Kocher (beide ÖVP).

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Der Burgschauspieler Michael Maertens ist sich sicher: Über kurz oder lang wird seinen Posten eine "Jederfrau" übernehmen, sagt der neue Jedermann. Und um das Bild progressiver "Jedermann"-Inszenierungen bei den Salzburger Festspielen, um das man seit ein paar Jahren bemüht ist, abzurunden, sagte auch die neue Buhlschaft Valerie Pachner etwas gendermäßig modern Anmutendes: Die Buhlschaft muss nicht "weiblich sein".

In kunst- und kulturspezifischen Kontexten wirkt es manchmal so, als ob wir fast schon in einer Postfeminismus-Ära angekommen seien. Zumindest wenn sich sogar Inszenierungen eines Uraltstoffes mit entsprechend konservativer Fanbase dem Wandel der Geschlechterverhältnisse nicht mehr verschließen können – und das auch gar nicht wollen.

Das ist ja nett, diese diskursiv-künstlerische Wohlfühlwelle. Und sie bringt schon auch ein bisschen etwas. Wenn sich die Kunst an Geschlechterhierarchien abarbeitet, dann schafft sie auch feministischere Bildpolitiken und neue Möglichkeitsräume. Aber eben nur ein bisschen. Denn abseits von Bühnen, Performances oder Musiker:innen, die für ihr Crossdressing geliebt werden, gibt es eben noch immer diese unzähligen schnöden Konferenzräume, in denen alles ganz ganz anders aussieht.

Schein und Sein

Die Autorin Susanne Kaiser spricht von einer Kluft zwischen einer "diskursiven Überwindung der patriarchalen Ordnung und ihrem faktischen Weiterbestehen". Und diese Ordnung kann tatsächlich fein und in aller Ruhe weiterbestehen, während eine diskursive Modernisierung als Nebelgranate einschlägt.

Und Folgendes lässt sie dann fast schon als Einzelfall erscheinen: Vergangenen Mittwoch trafen sich viele Vertreter und kaum Vertreterinnen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, um über die Zukunft der Autoindustrie zu beraten. Zum "Autogipfel" lud Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), um die drängenden Fragen nach den Antrieben der Zukunft zu stellen. Ein Foto der versammelten Runde macht den wahren Status quo deutlich: Männer ungefähr gleichen Alters (älter), mit ungefähr gleichen Interessen (ihre) und ähnlich bestens bezahlten Jobs (ein super Auto versteht sich von selbst) beraten über etwas, was längst nicht nur die Zukunft von ihresgleichen betrifft.

Männer auf den immer gleichen Sesseln

Biegen wir kurz ab: Mobilität ist für Frauen, vor allem für jene mit geringeren finanziellen Mitteln, auf dem Land ein Problem. Für die Erreichbarkeit ihrer Jobs und später am Tag für das rechtzeitige Ankommen bei Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Mobilität via Öffis ist für diese Zwecke auf dem Land mehr als dürftig. Das zeigte der Gleichstellungsmonitor des Österreichischen Städtebundes, der auch festhielt, wer das Auto eher bekommt, wenn es in einer Familie ein Auto gibt: er. Wo ist der Gipfel, wo ist die Männerrunde, die sich diesem Problem widmet?

Er ist es auch, der in der Automobilindustrie dominiert. Erst vergangenes Jahr präsentierte sich das neue "Zukunft"-Team des VW-Konzerns: sechs Männer. Keine Pointe.

Die CEOs von Automobilkonzernen sind praktisch durchgängig Männer. Sicher, wenn Frauen an Verbrennungsmotoren festhalten würden, machte es das für die Klimakatastrophe nicht besser. Tun sie in der Menge wie Männer aber eben derzeit nicht, deshalb ist es erst einmal diese undemokratische Homogenität, die uns Sorgen machen sollte. Vor allem, weil sie sich nicht auf Wirtschafts- oder Arbeitsmarktpolitik beschränkt, wie sich ständig zeigt.

Foto: Screenshot Faceobook / Ständige Vertretung Österreichs bei der EU

Von einer wilden und unmittelbaren Auflösung männlicher Macht sind wir noch weit entfernt. Während man andernorts erfolgreich den Eindruck erweckt, als würde man unablässig an der Abschaffung der Geschlechterkategorien arbeiten, organisiert sich in zahllosen zentralen Bereichen unseres Lebens Macht ungebrochen entlang von weißer Männlichkeit. Also keine Panik, wenn Michael Maertens' Prognose bald wahr wird und eine "Jederfrau" die Bühne betritt. Es wird trotzdem noch ziemlich lange alles beim Alten bleiben. (Beate Hausbichler, 24.4.2023)