Das Bildungsministerium gab im Jahr 2021 264 Millionen Euro für Covid-Tests an Österreichs Schulen aus.

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Das fünfmalige Bohren in beiden Nasenlöchern, das Reindrücken des Stäbchens in die Salzflüssigkeit, das Rauftröpfeln auf die Testkassette – und dann das bange Warten, ob nach wenigen Minuten ein zweiter Strich durchschimmert: Das gehörte zu Pandemiezeiten zum fixen Morgenritual an Österreichs Schulen. Bis ins Frühjahr 2022 mussten sich Schulkinder und Lehrkräfte dreimal pro Woche testen. Nur ein engmaschiges Testregime würde sicherstellen, dass die Schulen weiter offen bleiben könnten, so der damalige Tenor der Regierung. 97,5 Millionen Covid-Antigentests wurden dafür allein 2021 an die 6000 Schulen in Österreich ausgeliefert.

Doch dass all diese Covid-Tests ordnungsgemäß an Schulen zum Einsatz kamen, darf mittlerweile bezweifelt werden. Denn von insgesamt 35,2 Millionen Antigentests, also mehr als einem Drittel, fehlt laut Rechnungshof jede Spur, wie dieser in seinem Rohbericht, der dem ORF und dem STANDARD vorliegt, festhält. Demnach sei nur bei 62,29 Millionen Antigentests der konkrete Verbleib nachvollziehbar. Der Rest sei nicht zuordenbar.

Weder wisse das Bildungsministerium, wie viele Corona-Tests tatsächlich an Schulen verbraucht wurden, noch wie viele dort noch lagerten. Diese Erkenntnisse gehen aus der Rechnungshofprüfung, die die rechtlichen Rahmenbedingungen an Österreichs Schulen in den Pandemiejahren 2020 und 2021 in den Blick nahm, hervor.

Monitoring mit Lücken

Doch wie lässt sich diese große Informationslücke erklären? Für den Rechnungshof steht fest: "Das Ministerium konnte kein funktionierendes Monitoring über den Verbrauch von Antigentests bzw. die vorhandenen Bestände sicherstellen." Eine Inventur führte das Ministerium erst knapp drei Monate nach der ersten Belieferung der 6000 Schulen durch. Drei weitere Inventurdurchgänge folgten im Jahr 2021. Doch aus all diesen "gingen keine aussagekräftigen Ergebnisse hervor. Eine ausschließliche Verwendung der Antigentests für die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs war nicht festgelegt", heißt es in dem Bericht.

Was dem Mysterium um den Testverbleib dabei Brisanz verleiht: Der Wert dieser 30 Millionen verschollenen Covid-Antigentests beläuft sich auf 74 Millionen Euro. Geld, das das Bildungsministerium 2020 und 2021 aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds erhielt. Zum Vergleich: Für Laptops an Schulen wurden in diesem Zeitraum nicht ganz vier Millionen Euro ausgegeben.

Geschichte an Unstimmigkeiten

Tatsächlich sind Unstimmigkeiten im Ministerium beim Pandemiemanagement nicht neu: Gleich zweimal hatte es Anbieter, darunter eine Firma mit ÖVP-nahem Eigentümer, mit überteuerten PCR-Testungen für 2700 Schulen betraut. Lukrative Aufträge, die das Bundesverwaltungsgericht 2021 und 2022 als rechtswidrig einstufte. Das Ministerium musste in Summe 850.000 Euro Bußgeld zahlen.

Nun richtet sich die Kritik des Rechnungshofs gegen das große Informationsdefizit, das auch zu einem Beschaffungschaos führte. "Während bei der Bundesbeschaffung GmbH noch ein Abrufvolumen für Tests zur Verfügung stand, bestellte das Bildungsministerium selbst Tests im Wege von Notbeschaffungen." Bis Ende 2021 führte es diese durch.

Ministerium: Tests "nicht verschwunden"

Der Rechnungshof weise "zu Recht auf Probleme hin, die sich bei der Inventarisierungen an Schulen 2021 ergeben haben", heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus dem Bildungsministerium. Dies hänge aber nicht damit zusammen, dass "Tests verschwunden" seien, sondern dass "Lehrkräfte krank waren oder keine Zeit gesehen haben, neben allen anderen Belastungen auch noch eine umfangreiche Inventur vorzunehmen". Viele Tests seien also schlicht nicht erfasst worden. Ein "höchst unbefriedigender Zustand", aber eine vollständige Aufarbeitung hätte man den Schulen in dieser Zeit nicht abverlangen wollen.

Abhilfe hätte ein leicht bedienbares Monitoringsystem mittels App für die Schulen schaffen können, räumt das Ministerium ein. Die Implementierung sei aber wegen "Kapazitätsgründen" im Ministerium und den Bildungsdirektionen nicht möglich gewesen. Ob letztlich zu viele Tests angefordert wurden, beantwortet das Ministerium auf Nachfrage nicht. Alle Tests seien "ordnungsgemäß" verwendet worden, heißt es. (Elisa Tomaselli, 21.4.2023)