Die Regierung baut die "Wiener Zeitung" um.

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Wien – Als "Wiener-Zeitungs-Zerstörungs-Gesetz" bezeichnet Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft in der GPA, die Umbaupläne der türkis-grünen Regierung für die "Wiener Zeitung". Am Mittwoch ist das Gesetz wie berichtet im Verfassungsausschuss von den Abgeordneten der Regierungsparteien beschlossen worden. Ende April soll es in den Nationalrat kommen. Aus der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt soll eine Onlineplattform mit zehn Printausgaben pro Jahr werden.

Gewerkschaft: 100 Kündigungen

Die Gewerkschaft berichtete am Donnerstag in einer Aussendung von einer Urlaubssperre für die Belegschaft. Das Gesetz soll am 1. Juli in Kraft treten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zur Verfügung stehen, "um ihnen offensichtlich in Einzelgesprächen ihre Kündigung zu verkünden". "Dies, obwohl Ministerin Raab noch im Oktober versichert hatte, es werde keine Kündigungen geben", so Kullmann. Nach Gewerkschaftsinformationen ist von bis zu 100 Kündigungen die Rede. Ex-Chefredakteur Walter Hämmerle hat am Freitag bereits bekannt gegeben, dass er das Medium nach 20 Jahren verlassen wird.

"WZ"-Geschäftsführer: Sozialplangespräche starten erst

Eine Zahl, die Martin Fleischacker, Geschäftsführer der "Wiener Zeitung", auf STANDARD-Anfrage nicht bestätigen will. Die Beschlussfassung werde erst kommende Woche im Nationalrat und danach im Bundesrat erfolgen: "Erst dann ist es uns möglich, im Aufsichtsrat die notwendigen Beschlüsse zu fassen." Der Betriebsrat sei voll eingebunden, die Sozialplangespräche würden kommende Woche starten. "Wir können eines vorwegnehmen: Es wird weniger Personen betreffen als die kolportierte Zahl", so Fleischhacker.

Keine Mitsprache der Redaktion mehr

Kullmann, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft in der GPA, kritisiert auch, dass das Redaktionsstatut ausgehebelt werde. "In dem vom grünen Koalitionspartner federführend getragenen Vorschlag" werde dessen Kern ausgehöhlt. "Es soll demnach keine Möglichkeit mehr für die Redaktion bestehen, die Bestellung eines Chefredakteurs abzulehnen", so Kullmann. Laut Redaktionsstatut kann die Redaktion der "Wiener Zeitung" einen Chefredakteur mit Zwei-Drittel-Mehrheit ablehnen. "Das soll bei künftigen Produkten einzig und alleine die Angelegenheit des Geschäftsführers sein, der übrigens ein früherer Funktionär der Jungen VP Burgenland gewesen ist."

Kritik an Verstaatlichung der Journalistenausbildung

Kullmann meint damit Fleischacker, in dessen Verantwortung diverse Geschäftsbereiche wie der "Media Hub" fallen: eine journalistische Aus- und Weiterbildungseinrichtung und ein Praxisprogramm, das jährlich mit sechs Millionen Euro dotiert ist. "Mit sechs Millionen Euro jährlich wird hier eine Verstaatlichung der Journalistenausbildung betrieben, anstatt die bestehende Expertise durch die privaten Aus- und Weiterbildungsinstitute wie die Medienakademie und das fjum mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten", kritisiert Kullmann.

Fleischhacker ist seit 2018 Geschäftsführer des Blattes, das zu 100 Prozent im Eigentum der Republik steht. Er gilt als ÖVP-nahe – genauso wie der gesamte Aufsichtsrat der "Wiener Zeitung". Sein Vertrag wurde erst 2021 durch das Bundeskanzleramt verlängert.

Update am 23. April um 15 Uhr

Heftige Kritik kommt auch vom Redaktionsbeirat der "Wiener Zeitung". "Ich weiß, dass es Änderungen im Redaktionsstatut geben soll, über Details hat aber noch niemand mit mir gesprochen. So wichtig kann die Redaktion daher nicht sein", sagt Tamara Slavik, Vorsitzende des Redaktionsbeirats. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich daher nur sagen, dass das aktuelle Redaktionsstatut für mich seine Gültigkeit hat und allfällige Änderungen laut diesem in ,beidseitigem Einvernehmen' zu erfolgen haben. Ich kann für mich nur ausschließen, etwas zu unterschreiben, das die von meinem Vorgängerteam erkämpften Rechte der Redaktion – auch wenn sie zuletzt leider allzu oft übergangen wurden – weiter beschneidet." (omark, 21.4.2023)