Völlig leer war der Berliner Hauptbahnhof an diesem Freitagvormittag nicht. Für den zweiten Warnstreik hatte sich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auf die Morgenstunden verlegt. Um drei Uhr morgens legten die Beschäftigten die Arbeit nieder, um elf Uhr wurde sie wieder aufgenommen, die Züge fuhren wieder los.

"Bis ich nach Hamburg komme, wird es aber noch dauern", sagte eine Reisende um zehn Uhr am Berliner Hauptbahnhof. Denn beim Fernverkehr hatte die Deutsche Bahn vorsorglich gleich 13 Uhr als Beginn angegeben, dieser Zeitpunkt konnte aber oft auch nicht gehalten werden, weil die Züge erst wieder auf die Schienen mussten.

Im Vorfeld war die Aufregung wegen des Streiks groß, das Chaos blieb jedoch aus.
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Tarifverhandlungen

Mit dem Streik wollten die Beschäftigten ihre Forderungen in den laufenden Tarifverhandlungen bekräftigen. Die EVG verhandelt derzeit für rund 230.000 Mitarbeiter, 180.000 arbeiten bei der Deutschen Bahn. Sie fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr. Die Bahn bietet fünf Prozent und Einmalzahlungen von bis zu 2.500 Euro. Sollte es keine Bewegung bei den Verhandlungen geben, dann hat die EVG auch mehrtägige Warnstreiks nicht ausgeschlossen.

Im Gegensatz zum ersten Warnstreik am 27. März hatte sich die Gewerkschaft Verdi am Freitag nicht angeschlossen. Für die 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst beim Bund und bei den deutschen Kommunen liegt bei den Tarifverhandlungen mittlerweile ein Schlichterspruch vor.

Ruhige Lage

Das ganz große Chaos blieb aus. Trotz des Streiks war die Lage an den Bahnhöfen in Deutschland und Österreich am Freitagvormittag sehr ruhig. Die Passagiere haben sich offenbar gut auf die Zugausfälle eingestellt. In Österreich habe es kaum Kunden gegeben, die vergeblich ihren Zug gesucht hätten, sagte ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder. "Die Bahnhöfe sind fast leer", meinte ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin. Viele hätten ihre Reise verschoben und seien schon am Donnerstag gefahren. Da habe man "deutlich gespürt, dass die Züge voller werden".

Hierzulande war vor allem das Deutsche Eck betroffen. In Salzburg konnte im Nahverkehr die S-Bahn nicht wie gewohnt bis Freilassing fahren, in Summe fielen 19 Züge aus. Die ÖBB hatten daher zwischen den Bahnhöfen Salzburg-Taxham und Freilassing einen Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.

Hier sehen Sie, was in Salzburg (nicht) passiert ist.
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Abgesehen vom Bahnstreik waren auch Flugverbindungen zwischen Österreich und Deutschland aufgrund eines Streiks an vier deutschen Flughäfen beeinträchtigt. In Wien sind am Freitag 36 von insgesamt 600 Verbindungen ausgefallen. Betroffen waren Flüge nach Hamburg, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und Mailand.

Zufriedene Gewerkschaft

Die EVG zieht ein positives Fazit: "In allen 50 Unternehmen haben wir massive Auswirkungen gehabt", sagte Tarifvorständin Cosima Ingenschay. "Auf der Schiene und auch bei den Busbetrieben ist quasi nichts mehr gefahren." Die Beteiligung habe in etwa dem Niveau des ersten großangelegten Warnstreiks der EVG und Verdi Ende März entsprochen. "Die Wut und Enttäuschung ist sehr groß, dass immer noch keine verhandlungsfähigen Angebote vorliegen", sagte Ingenschay. Die Tarifverhandlungen im Bahnsektor sollen am kommenden Dienstag bei der Deutschen Bahn in Fulda weiter gehen. (Birgit Baumann aus Berlin, and, 21.4.2023)