Sollen Väter in die Pflicht genommen werden, um ihre Beteiligung bei der Kindererziehung zu erhöhen? Der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal betont in seinem Gastkommentar, dass dies eine persönliche Entscheidung ist, sieht aber auch, dass sich etwa die Unternehmenskultur vielerorts ändern muss.

Wie der Vaterrolle gerecht werden? Heutzutage leiden auch Väter unter Vereinbarkeitskonflikten.
Foto: Getty Images

Geht es um die Betreuung von Kleinkindern, wird allenthalben gefordert, Väter stärker in die Pflicht zu nehmen. Es ist in der Tat auffallend, dass ungeachtet langer gesellschaftlicher Debatten um die Erhöhung der Väterbeteiligung ein großer Teil der Väter die Ansprüche auf Karenz, Elternteilzeit und Familienzeit (Papamonat) nicht wahrnimmt.

Die Ursachen dafür sind vielfältig; zunächst kommt man jedoch an einer zivilrechtlichen Regelung nicht vorbei: Nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch obliegt es dem Konsens der Partner, wie sie ihre Gemeinschaft gestalten und auf welche Weise sie dazu beitragen. Im Idealfall sollen sich also die Eltern eines Kindes einigen, wie sie die Kinderbetreuung organisieren und in welchem Ausmaß sie sich in eigener Person oder durch finanzielle Beiträge daran beteiligen. Wollen wir diese Autonomie infrage stellen?

Freie Willensbildung

Dabei ist strittig, ob die Willensbildung angesichts der Rahmenbedingungen wirklich frei ist: Wenn Kinderbetreuungseinrichtungen nicht zur Verfügung stehen, ist eine persönliche Betreuung in größerem Ausmaß notwendig, als wenn extrafamiliale Kinderbetreuung möglich ist; und wenn Männer und Frauen unterschiedlich verdienen, ist es naheliegend, dass die Person mit höherem Einkommenspotenzial Erwerbsarbeit verrichtet und sich in geringerem Ausmaß an der Kindererziehung beteiligt. Handeln Väter, die besser verdienen als die Mutter des Kindes, im Interesse der Familie, wenn sie wegen Väterbeteiligung auf Erwerbseinkommen verzichten? Sollen Mütter Erwerbsarbeit ausweiten, wenn das ihren Wünschen nicht entspricht?

Seit Jahrzehnten wird versucht, das Verhalten von Vätern durch arbeits- und sozialrechtliche Anreize in Richtung einer verstärkten Väterbeteiligung zu lenken: Die massive arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Müttern wurde auch auf Väter übertragen, um die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung zu fördern: Diskriminierungen bei den Arbeitsbedingungen, insbesondere beim Entgelt, sind verboten; hunderte Millionen Euro sind in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen geflossen; die Wertigkeit von Zeiten der Kindererziehung im Pensionssystem ist im weltweiten Vergleich spitze; die faktischen Rahmenbedingungen der Entscheidungsfreiheit wurden verbessert; und schließlich sollte auch der Papamonat die Väterbeteiligung schmackhaft machen.

"Sollen wir – wie etwa Island – Väterbeteiligung per Gesetz vorschreiben?"

Tatsächlich wünschen sich Väter immer mehr Möglichkeiten, der Vaterrolle gerecht zu werden, und wollen sich persönlich in die Begleitung ihrer Kinder beim Heranwachsen einbringen. Eine Untersuchung, die im letzten Familienbericht publiziert wurde, hat aber aufgezeigt, dass Väter in zunehmendem Maß unter Vereinbarkeitskonflikten leiden: Die Erfahrung der Mütter, dass Beruf und Familie schwer unter einen Hut gebracht werden können, machen auch immer mehr Väter. Gerade der Papamonat dürfte durchaus den fatalen Effekt des "Abhakens" der Väterbeteiligung haben, frei nach dem Motto: "Jetzt machen wir einmal den Papamonat, und dann sind weitere Punkte wie Karenz und Teilzeit hinfällig!"

Offensichtlich ist es nach wie vor schwer, dem empirisch feststellbaren Einstellungswandel junger Menschen Rechnung zu tragen. Wie sollen wir als Gesellschaft mit dieser Situation umgehen? Wollen wir achselzuckend zur Tagesordnung übergehen? Sollen wir – wie etwa Island – Väterbeteiligung per Gesetz vorschreiben? Ich meine, dass wir die Freiheit der Lebensgestaltung nicht aufgeben und die Beteiligung an der Kindererziehung nicht als Zwang per Gesetz vorschreiben sollen, weil damit ein negativer Zugang zum Thema signalisiert wird.

Arbeitgeber sind gefragt

Allerdings müssen wir uns bewusst werden, dass die Verantwortung dafür, wie Väter und Mütter in die Kinderbetreuung eingebunden sind, nicht nur bei den Eltern und der Gesetzgebung liegt, sondern auch auf der Arbeitgeberseite: In deren Hand liegt, Vätern und Müttern die von ihnen gewünschte Lebensgestaltung zu ermöglichen! Mit "Arbeitgeber" ist freilich nicht eine formale Position, sondern sind alle konkreten Menschen angesprochen, die den Arbeitgeber repräsentieren: Vorgesetzte und Kollegen bestimmen die Wahrnehmung und Wirkung der Gesamtorganisation des Unternehmens.

"Warum nicht ohne Gesetz in eigener Verantwortung tun, was wichtig ist?"

Ob immer mehr Gesetze den Bewusstseinswandel erreichen werden, ist angesichts des ausgebauten geltenden Rechts und der Erfahrungen gerade auch mit dem Papamonat fraglich; aber: Warum nicht ohne Gesetz in eigener Verantwortung tun, was wichtig ist? Entscheidend ist wohl, dass es endlich zu einem gesamtgesellschaftlichen Umdenken kommt und es zu einem selbstverständlichen Bestandteil auch von Unternehmenskultur wird, Frauen und Männern zu ermöglichen, ihre Rolle als Mütter und Väter zu leben!

Hier geht es nicht – wie manche plakativ meinen – darum, dass die Menschen mehr Kinder bekommen sollen, damit das Sozialsystem finanzierbar bleibt, sondern um zentrale persönliche biografische Erfahrungen! Ich halte es für dramatisch, wenn eine Untersuchung vor einigen Jahren gezeigt hat, dass Menschen in Österreich befürchten, bei Realisierung eines Kinderwunsches persönliche Nachteile im gesellschaftlichen Ansehen und in ihrer beruflichen Entwicklung zu erleiden – lebenslang wirkende Nachteile aus der Realisierung des Kinderwunsches darf es in einem modernen Staat nicht geben!

Denken wir doch positiv: Verraten wir nicht länger die Zukunft, sondern geben wir auch in den Unternehmen endlich klare Signale, dass Männer und Frauen in ihrer Rolle als Eltern umfassend wertgeschätzt werden! (Wolfgang Mazal, 23.4.2023)