Eine Initiative setzt sich für Tempo 30 im Ortsgebiet ein.

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Fast zwei Drittel der Verkehrsunfälle in Österreich passierten vergangenes Jahr im Ortsgebiet, in den ersten drei Quartalen starben innerorts 81 Menschen im Straßenverkehr. Ein niedrigeres Tempolimit könnte die Zahl der Zusammenstöße senken – immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sprechen sich deshalb dafür aus, die Geschwindigkeit im Straßenverkehr zu senken.

Geht es um Landesstraßen, die durchs Ortsgebiet führen, liegt die Entscheidung dazu allerdings nicht bei ihnen. Das Tempo gibt die Straßenverkehrsordnung (StVO) vor – für eine Senkung braucht es eine Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft. Eine neue Initiative, die der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) gestartet hat, fordert jetzt eine entsprechende Reform der StVO. Demnach sollen Gemeinden und Städte im Alleingang entscheiden dürfen, wie schnell im Ortsgebiet gefahren werden darf – auch wenn es sich um Landesstraßen handelt.

"Oft aussichtslose" Verfahren

Unterstützung dafür kam im Vorfeld von 110 Bürgermeisterinnen und Verkehrsstadträten aller Parteifarben. "Gemeinden wissen durch den direkten Kontakt mit ihren Bürgerinnen und Bürgern am besten, wo Geschwindigkeitsbegrenzungen nötig sind", erklärt etwa Stefan Helmreich (ÖVP), Bürgermeister von Lieboch in der Steiermark. Doch die Verfahren zur Temporeduzierung bei den Oberbehörden seien "langwierig und oftmals aussichtslos".

Und Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ), Bürgermeisterin von St. Valentin in Niederösterreich, sagt: "Wir dürfen nicht nur für Autos denken, wir müssen auch für Fußgänger und Radfahrer planen." Viele Menschen im Ort würden ihr gegenüber betonen, wie wichtig die Temporeduzierung sei. Neben der Sicherheit könne ein niedrigeres Tempo die Lebensqualität steigern und die Lärmbelästigung sowie den CO2-Ausstoß senken.

Florian Küng (FPÖ), Bürgermeister von Vandans in Vorarlberg, schildert eine Situation, die wohl für viele Gemeinden gilt: Eine Landstraße führt direkt durch das Dorfzentrum. Dieses sei ein wichtiger Begegnungs- und Lebensraum für die lokale Bevölkerung. "Da die Gemeinde bei Landesstraßen keinen Handlungsspielraum hat und durch die hohe Verkehrsgeschwindigkeit die Aufenthaltsqualität und die öffentliche Nutzung als Treffpunkt leiden, habe ich die Initiative unterstützt." Damit könne auch der Fuß- und Radverkehr bei einem sinkenden motorisierten Individualverkehr gesteigert werden.

In Brüssel gilt seit 2021 auf 85 Prozent der Straßen Tempo 30. Die durchschnittliche Geschwindigkeit in der Stadt sank damit von 29,1 auf 26,6 km/h.
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Wie eine Halbierung des Verkehrs

Der VCÖ wirbt dazu mit einigen Zahlen: Das Risiko tödlicher Verletzungen für Gehende sinke bei Tempo 30 statt 50 um bis zu 75 Prozent. Außerdem bringe die niedrigere Geschwindigkeit einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss und weniger Beschleunigungsphasen. Laut einer Studie des deutschen Umweltbundesamts nehme das menschliche Ohr das niedrigere Tempo wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahr.

Zudem würden sich die Folgen für Autofahrende in Grenzen halten, so der VCÖ. Es dauere damit theoretisch nur 48 Sekunden länger, einen Kilometer zu fahren. In der Praxis sei der Unterschied noch geringer. Das würden erfolgreiche Beispiele wie in Graz, Teilen von Leoben oder der Tiroler Gemeinde Natters zeigen.

Zuspruch kommt auch aus der Stadt Bregenz, sie hat im vergangenen Sommer die ganze Innenstadt autofrei gemacht. "Die Zeit des motorisierten Individualverkehrs ist vorbei. Diese Tatsache muss endlich auch in politische Arbeit gegossen werden", sagt der dortige Bürgermeister Michael Ritsch (SPÖ). Auf allen Gemeindestraßen werde Tempo 30 eingeführt. Dabei gehe es einerseits um die Verkehrssicherheit für schwächere Teilnehmer, aber auch um den Klimaschutz. Niedrigere Geschwindigkeiten würden nachweislich einen niedrigeren CO2-Ausstoß verursachen. Bregenz übernehme beim kommunalen Klimaschutz eine Vorreiterrolle, sagt Ritsch. Als erste Gemeinde unterstützt die Landeshauptstadt die Forderungen der Letzten Generation, betont er – unter anderem nach Tempo 100 statt 130 auf der Autobahn. (Alicia Prager, 25.4.2023)