Im Gastblog zeigt Rechtsanwältin Kristina Silberbauer, wie Unterschiede in der Art des Arbeitsverhältnisses sich auch auf finanzielle Ansprüche auswirken können.

Einige Kollektivverträge sehen den Verlust der Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsremuneration) vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch berechtigte Entlassung oder unberechtigten vorzeitigen Austritt endet. Hat der oder die Betroffene zum Beispiel das Urlaubsgeld zu diesem Zeitpunkt schon erhalten, muss es sogar zurückgezahlt werden. Diese Regelung wird von Teilen der Lehre seit langem kritisiert. Immerhin würden Sonderzahlungen – ähnlich wie Jahresprämien – jeden Tag eingearbeitet. Daher könne man sie den Entlassenen oder den zu Unrecht Ausgetretenen nicht nachträglich wieder wegnehmen. Aliquot, bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, müssten sie dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin belassen werden.

Da eine Tankstellenmitarbeiterin nicht als Angestellte, sondern als Arbeiterin arbeitete, verlor sie bei ihrem unberechtigten Austritt den Anspruch auf Sonderzahlungen.
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Mit dieser Thematik, aber auch der Schlechterstellung von Arbeitern und Arbeiterinnen befasste sich der OGH jüngst erneut (23.02.2023, RIS – 8ObA13/22b – Entscheidungstext – Justiz (bka.gv.at)): Eine Tankstellenmitarbeiterin, die im November unberechtigt vorzeitig ausgetreten war, wollte bis zu diesem Zeitpunkt neben dem Lohn auch anteilige Sonderzahlungen. Sie verlor in allen drei Instanzen, und zwar wegen des Wortlauts des anwendbaren Kollektivvertrags. Er sah für den Fall eines unberechtigten vorzeitigen Austritts eines Arbeiters oder einer Arbeiterin den gänzlichen Entfall der Sonderzahlungen in diesem Jahr vor. Pikanterweise galt das laut Kollektivvertrag nur für die Arbeiter und Arbeiterinnen, nicht jedoch die Angestellten.

Kollektivvertrag entscheidet

Der Hinweis auf diese aus ihrer Sicht unsachliche Differenzierung half der Arbeiterin allerdings nicht. Nach OGH-Judikatur ist es den Kollektivvertragsparteien unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen – so auch an die Einordnung als Arbeiterin oder als Angestellter. In den letzten Jahren erfolgte nur eine teilweise Annäherung der gesetzlichen Regelungen für Angestellte an jene für Arbeiter und Arbeiterinnen. Das zeigt, dass auch der Gesetzgeber die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Angestellten auf der einen Seite und Arbeitern und Arbeiterinnen auf der anderen Seite noch nicht generell aufgehoben hat. Laut OGH dürfen Kollektivverträge diese Personalgruppen unterschiedlich behandeln. (Kristina Silberbauer, 25.4.2023)