Momen Moussa, Mohammed Yousef und Mohamad Bakjaji haben in Österreich eine neue (Gastro-)Heimat gefunden.

Werner Dedl

Die syrische Küche gilt für viele ob ihrer Raffinesse als die beste Küche im Vorderen Orient.

Werner Dedl

Linz – Ein unscheinbares Gebäude mit grauer Fassade unmittelbar an der stark befahrenen Mozartstraße inmitten von Linz. Man vermutet hier vieles – aber sicher keine lukullische Erlebnisreise.

Und doch findet sich im Haus mit der Nummer 44 seit April ein Gaumenentzücker der ganz besonderen Art. Der süßliche Geruch der Vormieter, einer Shisha-Bar, hat sich längst verzogen. Wer den großen Gastraum heute betritt, den empfängt olfaktorisch die Vielfalt der orientalischen Küche.

Ohne Papiere

Geschuldet ist dies Mohammed Yousef. Der 32-jährige gelernte Koch ist 2014 gemeinsam mit seinen Freunden Momen Moussa und Mohamad Bakjajii den Wirren des Krieges in Syrien entflohen und in Linz gestrandet. In Oberösterreich hat man eine neue Heimat gefunden, Familien gegründet – und sich mit der Eröffnung des Restaurants Alarabe einen Lebenstraum erfüllt.

Doch was auf den ersten Blick nach einem harmonischen Integrationsmärchen klingt, war für die drei jungen Männer ein durchaus steiniger Weg. Der etwa für Mohammed Yousef bereits früh beginnt: Er erblickt in Palästina das Licht der Welt, flüchtet aber noch im Kleinkindalter mit dem Großvater und den Eltern nach Syrien. Dort werden palästinensische Geflüchtete aber als Staatenlose geführt. Der Grund dafür liegt in dem 1965 von den arabischen Staaten beschlossenen Casablanca-Protokoll. Der Ausschluss von der syrischen Staatsbürgerschaft sollte eigentlich das Recht auf Rückkehr nach Palästina gewährleisten. Doch tatsächlich bleibt die Lage der Betroffenen über Generationen prekär, weil sie weder einen eigenen Staat noch eine Staatsbürgerschaft eines anderen besitzen.

Schlechte Voraussetzungen für ein Leben in Damaskus, noch schlechtere Voraussetzungen für einen Neustart in Österreich. Doch eines hat Mohammed Yousef nie getan: seinen Traum vom eigenen Restaurant aufgeben.

Mohammed Yousef, Momen Moussa und Mohamad Bakjajii haben an einem großen Tisch Platz genommen. Zwischen einer beleuchteten Kunstblumenwiese an der Wand und orientalischer Deko in kräftig leuchtenden Farben hält der 32-Jährige stolz einen in Gold gerahmten Brief in Händen. Es ist die offizielle Anerkennung seiner in Syrien absolvierten Kochausbildung in Österreich durch das Arbeitsministerium. Und damit auch die Grundlage für das Restaurant Alarabe.

Bürokratische Hürden

Das Geschäftslokal finden die drei Männer bereits ein Jahr vor der Eröffnung. Doch rasch wird klar, dass größere Umbauten notwendig sein werden: "Eine neue Küche, eine neue Belüftung, die Neugestaltung des Gastraums. Alles haben wir selbst gemacht."

Zu nehmen galt es vor allem etliche bürokratische Hürden: den Bankkredit, das lange Warten auf die Betriebsgenehmigung. Yousef: "Es war eine enorm schwierige Zeit. Wir konnten das Lokal acht Monate nicht aufsperren, mussten aber monatlich 5000 Euro Miete zahlen."

Doch heute scheinen diese Sorgen vergessen. Das Lokal ist gut gefüllt. Für den Weg aus der Küche braucht Momen Moussa angesichts der Vielfalt einen Servierwagen: Hummus, Baba Ganoush, Foul Medammas, feurig scharfe Muhammarah, Mutabbal, Schawarma, frischer Tabouleh-Salat und Musakhan Rolls mit faschiertem Huhn, karamellisierten Zwiebeln und einer herrlich sanften Sumach-Säure.

Zurück nach Syrien will von den dreien keiner mehr. "Österreich ist unsere neue Heimat. Hier möchten wir bleiben, hier möchten wir, dass unsere Kinder aufwachsen", erzählt Mohamad Bakjajii – vor allem weil man in Österreich so nett aufgenommen wurde: "Viel wird von einem Hass gegen Ausländer ge redet. Wir haben davon nie etwas gespürt."

"Weil wir darauf geachtet haben, dass wir schnell die Sprache lernen und einen Job kriegen. Sonst geht nichts – nirgendwo auf der Welt", setzt Momen Moussa nach. Und legt ein weiteres Zeugnis davon ab, dass Integration durch den Magen geht: "Mein Lieblingsessen sind übrigens jetzt Käsespätzle – mit Bergkäse." (Markus Rohrhofer; 27. 04. 2023)