Viel Verkehr, viele Abgase: Regelmäßige Staus sind an Grenzen, die noch kontrolliert werden, unvermeidbar.

Foto: AP

Lastwagen, die oft stundenlang an der Grenze stehen, aber auch Autos, die nur langsam an die Passkontrolle heranfahren können, stoßen viele Abgase aus. Die Abschaffung der Grenzen im Schengen-Raum hat deshalb in den vergangenen Jahren auch dazu geführt, dass die Schadstoffbelastung reduziert wurde. An der Grenze zwischen anderen EU-Staaten und Rumänien wird aber weiter die Luft verpestet, weil Österreich – völlig überraschend – im Vorjahr ein Veto gegen den Beitritt des osteuropäischen Landes eingelegt hat.

Nun gibt es eine Studie der Beratungsfirma KPMG, die aufzeigt, wie viel mehr CO2-Emissionen dadurch weiterhin in die Luft gehen. Der ehemalige rumänische Energieminister Razvan Nicolsescu, heute Vorsitzender des Verbands für saubere Energie und den Kampf gegen den Klimawandel, kommt diese Woche nach Wien und besucht nicht nur Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), sondern auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), um Argumente zu liefern, damit Österreich sein Veto gegen Rumäniens Schengen-Beitritt schnell aufhebt.

Diskriminierung im Verhältnis zu Kroatien

"Ich bin sehr besorgt über diese unsinnigen CO2-Emissionen, die von Lastwagen und Autos verursacht werden, die an den Grenzen zwischen Rumänien und einigen Mitgliedsstaaten warten müssen", sagt Nicolescu zum STANDARD. Er weist außerdem darauf hin, dass Rumänien nicht auf der Migrationsroute liege, wie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) behauptet hatte. Nicolescu und seine Kollegen werden in dieser Woche in Wien auch Gespräche mit Umweltinitiativen führen.

"Die rumänische Gesellschaft ist sehr enttäuscht von der österreichischen Haltung gegenüber Rumänien", kritisiert er die Entscheidung von Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Besonders verärgert ist man in Bukarest darüber, dass Österreich zwar dem Beitritt Kroatiens zugestimmt habe, aber Rumänien diskriminiert werde, obwohl es alle Bedingungen erfüllt habe. "Außerdem müssen nun weiterhin 4.000 rumänische Beamte die EU-Binnengrenzen zwischen Rumänien und Bulgarien oder Rumänien und Ungarn schützen statt die problematischen Außengrenzen, etwa jene zwischen Serbien und Ungarn", fügt Nicolescu hinzu.

Petition im EU-Parlament

Der Verband für saubere Energie bringt zudem im Europäischen Parlament eine Petition wegen der Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit der Verschiebung des rumänischen Schengen-Beitritts ein, auch um die Gesundheit aller EU-Bürger zu schützen.

In der KPMG-Studie wird betont, dass der Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum zu kürzeren Reisezeiten sowohl für den Straßengüter- als auch für den Personenverkehr führen würde, was sich unmittelbar auf den Kraftstoffverbrauch auswirken und somit zu einer Verringerung der Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen führen würde.

311.000 Bäume

"Da die Ziele der EU zum Klimawandel sehr ehrgeizig sind, sollten alle Entscheidungen und Maßnahmen, die innerhalb der EU getroffen werden, auch aus der Perspektive des Klimawandels bewertet werden", heißt es in der Studie. Berechnet wurden Anzahl und Art der Fahrzeuge und die durchschnittliche Wartezeit, die etwa an der Grenze Rumäniens zu Ungarn und Bulgarien zwischen 30 Minuten und 72 Stunden liegt.

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass mit jedem Jahr, in dem Rumänien und Bulgarien nicht Mitglieder des Schengen-Raums sind, zusätzliche CO2-Emissionen von über 46.000 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gehen. Dies entspreche 56 Millionen Kilowattstunden Strom, die in einem der besonders umweltschädlichen Kohlekraftwerk erzeugt würden. Insgesamt bräuchte man 311.000 Bäume, um diese Emissionen zu binden. Die unnötige Verschmutzung erhöhe den CO2-Fußabdruck der gesamten EU und verursache zudem Luftverschmutzung für die Gemeinden, die in der Nähe der Grenze liegen. (Adelheid Wölfl, 24.4.2023)