Zwischenstation in Djibuti: Aus Khartum evakuierte Spanier und Spanierinnen besteigen ein Flugzeug, das sie nach Hause bringt. Wer kann, verlässt den Sudan.

Foto: Reuters/SPANISH DEFENCE MINISTRY

Seit zehn Tagen toben in der Hauptstadt Khartum und in anderen Teilen des Sudan, etwa in Darfur, schwere Kämpfe. Wie andere Staaten hat auch Österreich damit begonnen, seine Bürger und Bürgerinnen zu evakuieren: Mithilfe Frankreichs und der deutschen Bundeswehr konnten am Sonntag 27 – ungefähr die Hälfte der Österreicher und Österreicherinnen im Sudan – ausgeflogen werden.

Hoffnungen auf einen Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien gibt es zurzeit nicht. Die Armee von Militärjuntachef Abdelfattah al-Burhan ist zwar zahlenmäßig stärker als die Milizen seines bisherigen Stellvertreters Mohamed Hamdan Dagalo, aber diese sind besser ausgerüstet und trainiert.

Frage: Warum kämpfen die beiden Generäle gegeneinander?

Antwort: Burhan und Dagalo, der auch Hemeti genannt wird, haben nach dem Sturz von Langzeitpräsident Omar al-Bashir 2019 die Macht übernommen, die sie nun wieder – im zweiten Anlauf – an eine zivile Führung hätten übergeben sollen. Beide beschuldigen einander, den Prozess torpediert zu haben.

Abdelfattah al-Burhan ist ein klassischer Militär, ausgebildet in Ägypten und Jordanien, und war bis 2019 nicht sehr hochrangig. Hemeti wurde zwar nur sein Stellvertreter, ist aber als Chef der gefürchteten und gut vernetzten RSF (Rapid Support Forces) gut aufgestellt. Die RSF sind aus den vom Darfur-Genozid bekannten arabischen Reitermilizen Janjaweed hervorgegangen und sichern auch Hemetis Geschäftsinteressen – er kontrolliert einen Teil der sudanesischen Goldminen – ab. Die RSF sollten nach Wunsch Burhans rasch in die Armee integriert werden, das wollte Hemeti nicht hinnehmen.

Frage: Woher kommen die beiden?

Antwort: Burhan (62) aus einem Dorf am Nil, gilt als ein "Kizan": Die den Muslimbrüdern nahestehenden arabischen Islamisten stützten die dreißigjährige Herrschaft Omar al-Bashirs. Das benützt Hemeti dazu, sich als Kämpfer gegen den Islamismus und Rückkehr des alten Regimes zu stilisieren. Er selbst ist aber ein Mann, der von al-Bashir gemacht wurde, der ihn sogar einmal seinen "Beschützer" nannte.

Militärjuntachef Abdelfattah al-Burhan vor der Uno-Vollversammlung im Herbst 2022.
Foto: AP

Hemeti, 48, stammt aus einfachsten Verhältnissen, er verließ die Schule früh und landete im Kamelhandel und dann als Milizionär im Darfur-Konflikt. Sein Stamm lebt im Grenzgebiet von Tschad und Darfur. Deshalb wird auch ein Überschwappen des Konflikts in den Tschad befürchtet. Hemeti hat jedoch auch Kontakte zu bewaffneten Gruppen in Libyen und in der Zentralafrikanischen Republik.

Frage: Wer unterstützt die beiden?

Antwort: Burhan gelang es – trotz seiner Kizan-Nähe –, stabile Beziehungen zum ägyptischen Regime von Abdelfattah al-Sisi aufzubauen. Der Juntachef versuchte, in die klassische Präsidentenrolle zu schlüpfen und pflegte Kontakte zu den Nachbarn und regionalen Partnern. Der Sudan stellte zum Beispiel der saudisch-geführten Koalition im Jemen, der auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) angehörten, sudanesische Soldaten zur Verfügung. Burhan gelang es aber nie, die finanziell potenten Vereinigten Arabischen Emirate ganz auf seine Seite zu ziehen. Sie stehen hinter Hemeti, der gute Beziehungen zum Herrscherhaus haben soll.

General Mohamed Hamdan Dagalo bzw. Hemeti führt die paramilitärischen Rapid Support Forces im Sudan an.
Foto: Reuters/MOHAMED NURELDIN ABDALLAH

Hemeti beschuldigt Kairo, Burhan militärisch gegen ihn zu unterstützen: Zu Beginn dieses Konflikts nahmen die RSF auf dem Flughafen in Merowe nördlich von Khartum ägyptische Armeeangehörige fest. Aber Hemeti ist viel besser als Burhan auf informeller Ebene vernetzt: Zu seinen Unterstützern wird der ostlibysche General Khalifa Haftar gezählt, der viele Kämpfer aus Darfur unter seinen Söldnern hat. Sie kämpften gegen die international anerkannte Regierung in Tripolis.

Russland steht in Libyen auf der Seite Haftars und wird im Sudan der Seite Hemetis zugerechnet. Der soll auch eng mit der Wagner-Gruppe zusammenarbeiten. Aber beide – Burhan und Hemeti – haben versucht, gute Beziehungen zu Moskau zu pflegen: Sie hatten Russland gemeinsam die Zusage gegeben, am Roten Meer in Port Sudan eine Militärbasis errichten zu können. Dementsprechend befindet sich jetzt Russland, wie die meisten äußeren Akteure, in einer abwartenden Haltung: Sie wollen sich nicht auf die Seite des Verlierers schlagen.

Frage: Worum geht es bei den Verbindungen von Wagner zu Hemeti?

Antwort: Es gehört zu der Strategie der Wagner-Gruppe, in Nordafrika jedes mögliche Einfallstor zu nutzen, sie ist in fast allen Ländern präsent. Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin dementiert das Engagement seiner Miliz für Hemeti. In dessen Umfeld gibt es jedoch viel Geld zu verdienen. Abgesehen vom Gold kontrolliert er auch Migranten und Menschenhandelsrouten.

Frage: Gibt es außer Burhan und Hemeti noch andere Akteure im Sudan, die wichtig werden könnten?

Antwort: Der Sudan war stets ein schwacher Zentralstaat, es gibt Konflikte vor allem in den Randgebieten. Es gibt Milizen und Fraktionen noch aus der Zeit des innersudanesischen Bürgerkriegs und des Kriegs in Darfur. Viele dieser alten Warlords warten erst einmal ab. Hemeti hat sich bei seinem Aufstieg besonders viele Feinde gemacht: Da gilt Musa Hilal als eine mögliche Schlüsselfigur. Auch er war Janjaweed-Führer und hat mächtige Stammesvernetzungen, er wurde jedoch von Omar al-Bashir zugunsten Hemetis zur Seite geschoben. Die Liste der Personen und Gruppen, die wieder aus den Kulissen auftauchen könnten, ist lang. (Gudrun Harrer, 25.4.2023)