Darmbakterien haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit. Bei manchen Erkrankungen wird deshalb ein sogenannter fäkaler Mikrobiom-Transfer angewendet. Zwei Cochrane-Reviews haben diesen Eingriff nun auf seine Sicherheit überprüft.

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Es geht um den "hot shit" in der Wissenschaft – und das sogar im Wortsinn. Stuhltransplantationen, auch fäkaler Mikrobiom-Transfer (FMT) genannt, werden seit einigen Jahren zur Behandlung von bestimmten Darmerkrankungen eingesetzt. Wirksamkeit und Sicherheit so eines Transfers sind dabei vieldiskutiert. Auch deshalb, weil sich im Jahr 2020 zwei US-amerikanische Patienten infolge einer Stuhltransplantation mit einem multiresistenten E.-coli-Stamm infizierten und einer sogar daran verstarb.

In der Folge wurden Auswahlkriterien und Sicherheitsvorkehrungen für eine Stuhlspende massiv verschärft. Dennoch wurde in den USA im November 2022 das erste fäkale Mikrobiota-Präparat Rebyota als Arzneimittel zugelassen. In Europa liegt bisher keine Zulassung für ein FMT-basiertes Verfahren vor, es kann nur im Zuge von klinischen Studien oder bei individuellen Heilversuchen eingesetzt werden. Die Cochrane Collaboration beleuchtet nun in zwei Reviews die Evidenz zu FMT bei verschiedenen Darmerkrankungen.

In einem Review kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass FMT bei immungesunden Personen wahrscheinlich zu einer höheren Heilungsrate von wiederholt auftretenden Infektionen mit dem Bakterium Clostridioides difficile führt als andere untersuchte Behandlungen, wie etwa jene mit Antibiotika wie Vancomycin. Letztere werden häufig bei Infektionen mit C. difficile verschrieben, die bei Betroffenen zu potenziell lebensbedrohlichen Durchfallerkrankungen aufgrund einer gestörten Zusammensetzung der Darmflora führen können. Für die Meta-Analyse konnten sechs klinische Studien mit insgesamt 320 Personen untersucht werden.

Gegen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Der zweite Review, ein Update eines Cochrane-Reviews von 2018, umfasst insgesamt zwölf Studien: elf Studien, die FMT zur Behandlung von Colitis ulcerosa untersuchen, und eine zur Behandlung von Morbus Crohn. Beides sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, deren molekulare Ursachen unklar sind. Die Forschenden resümieren, dass FMT unter Betroffenen einer aktiven Colitis ulcerosa den Anteil der Patienten und Patientinnen erhöhen kann, bei denen die Krankheit unter Kontrolle ist. Allerdings blieb die Evidenz bezüglich schwerwiegender unerwünschter Ereignisse und Lebensqualitätswerte in dieser Gruppe unsicher. Auch war die Evidenz unsicher in Bezug auf den Einsatz von FMT zur längerfristigen Aufrechterhaltung der Remission sowie zur Induktion und Aufrechterhaltung der Remission bei Morbus Crohn.

Vor allem bei einer Infektion mit Clostridioides difficile sei der fäkale Mikrobiom-Transfer mittlerweile eine Routinetherapie, betont Alexander Link, Leiter der Sektion Molekulare Gastroenterologie und Mikrobiota-assoziierte Erkrankungen in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Magdeburg. "Die Mehrheit der randomisierten Studien in diesem Fall wurde sogar vorzeitig abgebrochen, da FMT der Standardtherapie mit Antibiotika so deutlich überlegen ist." Die Behandlungsmethode sei in einem sehr dynamischen Feld angesiedelt, in dem ständig neue Erkenntnisse dazukämen. "Da ist es eine Herausforderung, alle Ärztinnen und Ärzte auf dem neuesten Therapiestand zu halten und diese sehr sichere Methode zu etablieren."

In den USA, wo bereits das Medikament Rebyota zugelassen ist, sei die Behandlung für Betroffene sehr aufwendig. Das Fertigpräparat muss tiefgefroren aus einer Apotheke abgeholt und zu Hause selbst aufgetaut werden. Der verflüssigte Stuhl von sorgfältig ausgewählten Spendern wird dann mit einem Applikationsset verabreicht. Es sei deshalb unsicher, ob das Präparat demnächst auch in Europa zugelassen werde – da es außerdem laut Studien auch nicht so effizient wirke wie ein klassischer fäkaler Mikrobiom-Transfer.

Akut versus chronisch

Im Gegensatz zu einer akuten Infektion mit C. difficile handelt es sich bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn um chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Zumindest bei Ersterer ist FMT ein effektives und sicheres Behandlungsverfahren, sagt Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena. "Für Morbus Crohn gibt es dagegen bisher keine Evidenzen."

Allerdings ist in vielen Ländern so ein Verfahren bei Colitis ulcerosa nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen inbegriffen, Betroffene müssten es deshalb selbst bezahlen. Und es ist kompliziert: "Beim Spender müssen Erkrankungen ausgeschlossen werden, die Stuhlspende muss bei minus 80 Grad in Quarantäne. Acht Wochen später wird der Spender oder die Spenderin erneut auf Infektionen getestet. Erst wenn alles passt, kann die Behandlung durchgeführt werden." Das alles ist sehr aufwendig und kostenintensiv. Dadurch sei aber die Sicherheit der Patientinnen und Patienten gewährleistet, betont Stallmach.

Der Effekt des Verfahrens ist zwar gegeben, aber er sei vergleichsweise wenig ausgeprägt. Trotzdem beurteilt Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie an der Medizinischen Klinik II am Universitätsklinikum Frankfurt, den Ansatz als potenziell relevant: "Da Colitis ulcerosa die Lebensqualität sehr stark beeinträchtigen kann, stellt auch ein vergleichsweise kleiner Effekt eine relevante Verbesserung dar." Und leider sehe man auch bei aktuell bereits eingesetzten Medikamenten keinen sehr starken Effekt. (Pia Kruckenhauser, 25.4.2023)