Mit einem "Bonussystem" werden Grazerinnen und Grazer animiert, ihr Lebensumfeld zu begrünen.

Foto: Stadt Graz

Nach achtmonatiger Vorarbeit hat die dunkelrot-grüne Grazer Stadtregierung jetzt ein Kernstück ihrer Politik auf den Tisch gelegt und damit die Frage beantwortet, wohin sich Graz in den nächsten Jahren entwickeln soll.

"Die Klimakrise stellt die Städte und damit auch die Stadtentwicklung vor große Herausforderungen", sagt die für die Stadtentwicklung verantwortliche Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) zum STANDARD: "Sie erfordert von uns ein Umdenken, um hier wirksam gegensteuern zu können, um letztendlich die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Das ist für Graz das dringliche Gebot der Stunde."

Dementsprechend wurden jetzt die neuen Leitlinien für das Stadtentwicklungskonzept diesem Generalthema des Klimawandels unterworfen, wiewohl auch der große Lebensbereich Wohnen erstmals in die Agenda aufgenommen wurde. Die Entwicklung der steirischen Landeshauptstadt wird sich also in den nächsten Jahren "entlang strenger Klimaschutz- und Wohnparameter, die sich in den Bauvorschriften manifestieren, entwickeln", sagt Schwentner.

Grüne Dächer

"Drei Themen liegen mir besonders am Herzen: Wir legen einen verbindlichen Grünflächenfaktor fest. Wir nehmen erstmals das Thema Wohnen im Entwicklungskonzept auf und schreiben Flächen für den kommunalen Wohnbau vor. Und: Wir beziehen die in Graz lebenden Menschen aktiv in die Gestaltung ihrer Stadt ein", sagt Schwentner.

Was heißt das nun konkret? Graz soll deutlich wesentlich grüner werden. Ab einer Dachfläche, die größer als 60 Quadratmeter ist, wird zum Beispiel verpflichtend eine Begrünung vorgeschrieben. Ein eigenes "Bonussystem" soll einen Anreiz für Fassadenbegrünungen geben sowie für die Pflanzung neuer Bäume oder den Erhalt alter Bäume.

Sehr helle oder dunkle Fassadenfarben sind künftig verboten, ebenso werden große Glas- oder Metallflächen nur noch eingeschränkt genehmigt. Zudem werden die rechtlichen Möglichkeiten einer Rückwidmung von alten Bauflächen geprüft, um auch eine weitere Zersiedelung vor allem an den Stadträndern zu verhindern.

Wo immer es möglich ist, soll die Stadt entsiegelt werden. "Hier werden wir alle Möglichkeiten durchforsten", sagt Schwentner. Beginnen soll es bei Verkehrsinseln und Verkehrssperrflächen.

Kinder in der Stadt

Graz soll in den nächsten Jahren laut dem Entwicklungskonzept auch so etwas wie eine "bespielbare Stadt" werden. Bei der Gestaltung des öffentlichen Raums wird speziell auf die Bedürfnisse der Kinder Rücksicht genommen.

Im Gemeinderatswahlkampf spielte die exzessive Bautätigkeit in Graz eine zentrale Rolle. Dem damaligen Bürgermeister Siegfried Nagl wurde vorgeworfen, zu sehr auf die Baulobby Rücksicht zu nehmen, die Graz "zubetoniere". Nagl wurde nichts zuletzt wegen dieser "Bauwut" abgewählt. Zumal sich auch seine ÖVP-Klientel in den noblen Vierteln von den großräumigen Bauprojekten vor der Haustür gestört fühlte.

Nun macht KPÖ-Grünen-Regierung einen Strich: Der voluminöse Terrassentyp, der vielerorts das Ortsbild zerstört habe, werde auf klar definierte kleinere Dimensionen beschränkt, sagt Schwentner. Sogenannte Laubengänge werden straßenseitig limitiert, und auch für die Grüngürtel sowie die Villen- und Einfamilienhausgebiete werden Maximalvolumina festgelegt.

Gegen Zersiedelung

Und es sollen weitere Weichen für mehr leistbares Wohnen gestellt und der kommunale Wohnbau weiter ausgebaut werden – ein Kernthema für die KPÖ, die mit diesem Lebensbereich – wie zuletzt auch in Salzburg – auf große Resonanz bei Wahlen stößt.

"Das Stadtentwicklungskonzept ist das wichtigste hoheitliche Instrument der örtlichen Raumplanung. Hier wird der Grundstein für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung gelegt", sagt Eva-Maria Benedikt, die Leiterin des Referats für Stadtentwicklung und Flächenwidmung der Stadt Graz. Zersiedelung könne vermieden, Bodenverbrauch reduziert und eine kompakte Stadtstruktur erhalten und weiterentwickelt werden, sagt Benedikt. Das novellierte Stadtentwicklungskonzept biete nun den Grundstein "für jedes klimafreundliche Handeln und ermöglicht eine Stadt der kurzen Wege". Im Grazer Stadtgebiet bedeute dies konkret: einerseits die konsequente Vermeidung von Baulanderweiterungen in den umliegenden Hügeln und "andererseits die Weiterentwicklung der Stadtstruktur im Bereich von infrastrukturell gut versorgten Gebieten mit Grün- und Freiflächen sowie der Fuß- und Radwegeinfrastruktur", sagt Eva-Maria Benedikt.

Bausperre bei Widerspruch

Erstmals findet eben auch das Thema Wohnen Platz in dem Stadtentwicklungskonzept. Leistbarer, bedarfsgerechter Wohnraum soll geschaffen und soziale Vermischung forciert werden, sagt Schwentner. Es wird in diesem Zusammenhang ein Mindestanteil an leistbarem Wohnbau festgelegt, dafür sollen auch Vorbehaltsflächen für gemeinnützigen Wohnbau geschaffen werden.

Die Immobilienbranche muss in den nächsten Monaten jedenfalls tief durchatmen: Denn mit der Auflage des adaptierten Stadtentwicklungskonzeptes ab 10. Mai wird auch gleichzeitig eine Bausperre verhängt. Sämtliche Bauvorhaben und -verfahren werden ab diesem Zeitpunkt auf Übereinstimmung mit den Inhalten des neuen Stadtentwicklungskonzeptes geprüft. Bei Widerspruch ist keine Genehmigung möglich.

Das Konzept muss zwar noch im Gemeinderat mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Zumal alle Parteien in die Vorarbeiten eingebunden waren, geht Schwentner aber von einer klaren Zustimmung für die neue Stadtentwicklung aus. (Walter Müller, 26.4.2023)