Amerikanisches Déjà-vu: Wie schon 2020 wird der Kandidat der Demokratischen Partei auch 2024 wohl Joe Biden heißen. Er könnte es wieder mit Donald Trump zu tun bekommen.

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Am Anfang stehen verstörende Bilder vom 6. Jänner 2021, von der gewaltsamen Erstürmung des US-Kapitols in Washington. Doch am Ende präsentiert sich lächelnd ein dynamischer Joe Biden. "Lasst uns den Job zu Ende bringen! Ich weiß, dass wir das können", sagt der 80-Jährige.

Mit einem perfekt inszenierten dreiminütigen Werbespot hat der US-amerikanische Präsident am frühen Dienstagmorgen (US-Zeit) seine erneute Bewerbung für das Amt angekündigt. Ernstzunehmende innerparteiliche Gegenkandidaten gibt es nicht. Damit scheint klar, dass Joe Biden 2024 erneut für die Demokraten im Rennen um das Weiße Haus antritt.

DER STANDARD

Die Republikaner müssen ihren Herausforderer hingegen noch bestimmen: In Umfragen liegt derzeit Ex-Präsident Donald Trump (76) deutlich vor Ron DeSantis (44), dem Gouverneur von Florida, und ebenfalls vor Ex-Vizepräsident Mike Pence (63) und der ehemaligen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley (51).

In dem Video, dessen aktuelle Bilder vor einer Woche in Bidens Zweitwohnsitz Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware aufgenommen wurden, knüpft der Präsident an die Botschaft seiner ersten Kampagne von 2020 an: Im Zentrum steht der "Kampf für die Demokratie".

Gegen "MAGA-Extremisten"

Doch deutlicher als vor bald vier Jahren, als Biden stark den Willen zur Versöhnung betonte, benennt er nun seine Gegner: Überall im Land arbeiteten "MAGA-Extremisten" daran, die Grundpfeiler der amerikanischen Gesellschaftsordnung zu zerstören. MAGA: Das steht für "Make America Great Again", den Wahlslogan von Donald Trump.

Tatsächlich sieht man dann in dem Clip die brüllende rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, eine der fanatischsten Trump-Anhängerinnen, und den Ex-Präsidenten selbst – allerdings nicht allein, sondern zusammen mit Ron DeSantis. Ein wichtiges parteiinternes Argument für eine Biden-Kandidatur ist, dass der 80-Jährige schon einmal Trump geschlagen hat und laut Umfragen dies auch ein zweites Mal schaffen könnte.

Doch offensichtlich nimmt seine Kampagne auch den viel jüngeren republikanischen Alternativkandidaten ins Visier und versucht die These zu widerlegen, dass dieser "vernünftiger" sei. Bidens explizite Kritik an Kürzungen der Sozialleistungen, Abtreibungsverboten, Buchzensur, Diskriminierung der LGBTQI-Gemeinschaft und Behinderungen des Wahlrechts trifft DeSantis jedenfalls mindestens so stark wie Trump.

Dystopisches Video

In seiner ersten Kampagnenbotschaft schlägt Biden einen betont positiven, optimistischen Ton an. Die Amerikaner seien "gute und anständige Menschen", sagt er und appelliert an Ehre, Respekt und Würde. Der Hass dürfe in den USA kein Zuhause haben, fordert er.

Das kontrastiert extrem mit der Botschaft der Republikaner und deren Favoriten Trump. Die Partei veröffentlichte als Antwort auf Bidens Kandidatur ein mithilfe von künstlicher Intelligenz erstelltes dystopisches Weltuntergangsvideo. "Wir sind eine Müllhalde", erklärte Trump selbst in einer schriftlichen Erklärung: "Unsere Städte sind von Obdachlosen, Drogenabhängigen und gewalttätigen Kriminellen überrannt worden."

Trotzdem liegt auch ein Schatten über Bidens Bewerbung. In den ersten Stunden nach der Ankündigung gab es wenig euphorische Reaktionen im Netz. Das spiegelt das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Senders CBS. "Soll Biden noch einmal antreten?", wurden da in der vergangenen Woche 2.000 potenzielle Wähler der Demokraten gefragt. 55 Prozent antworteten mit Ja, doch 45 Prozent mit Nein.

Die Befürworter argumentierten vor allem mit Bidens Errungenschaften als Präsident und seiner bereits einmal erwiesenen Fähigkeit, Trump zu schlagen. Die Gegner begründeten ihre Skepsis zu 86 Prozent mit seinem Alter. Tatsächlich ist Biden schon jetzt der älteste Präsident in der US-Geschichte. Bei einer erneuten Amtseinführung wäre er 82 Jahre, am Ende der zweiten Amtsperiode 86 Jahre alt.

Landesweite Euphorie will sich bei diesen Aussichten nicht einstellen. Nur 22 Prozent der Befragten erklärten, sie fänden die Aussicht auf einen zweiten Biden-Wahlkampf "aufregend". Andere Umfragen aber lassen vermuten, dass die US-amerikanischen Wählerinnen und Wähler bei einem erneuten Duell von Biden und Trump mehrheitlich – wenngleich zähneknirschend – für den Amtsinhaber stimmen werden. Darauf setzen offenbar die Demokraten.

Biden ernennt seine Beraterin Julie Chávez Rodríguez zur Wahlkampfmanagerin.
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Biden hat derweil erste Personalentscheidungen für seine Kampagne getroffen. Der Präsident ernannte eine seiner Beraterinnen im Weißen Haus, Julie Chávez Rodríguez, zur Wahlkampfmanagerin. Die 45-Jährige sei eine "vertrauenswürdige und langjährige" Unterstützerin der Demokraten, teilte Bidens Wahlkampfteam für die Präsidentschaftswahl 2024 am Dienstag mit. An diesem Freitag trifft er sich in Washington mit seinen wichtigsten Geldgebern.

Briefe an Trump

Trump, der es seit Dienstag auch mit einem Zivilprozess wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs zu tun hat, hat unterdessen ein Buch mit mehr als 150 Briefen veröffentlicht, die er in den vergangenen vier Jahrzehnten von Prominenten erhalten hatte. In den "Letters to Trump" finden sich Schreiben der Ex-Präsidenten Richard Nixon, Barack Obama und Ronald Reagan ebenso wie von der Präsidentschaftskandidatin von 2016, Hillary Clinton.

Briefe von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, Kreml-Chef Wladimir Putin, King of Pop Michael Jackson, Talkshowkönigin Oprah Winfrey, Großbritanniens Ex-Premier David Cameron, Prinzessin Diana, Queen Elizabeth II. und angeblich auch Großbritanniens neuem König Charles III., Schauspieler Clint Eastwood und Ex-Basketballspieler Shaquille O'Neal runden den Promiauflauf ab. Vergangenen Monat erklärte Trump: "Ich kannte sie alle – und jeder von ihnen hat meinen Arsch geküsst, und jetzt habe ich nur noch die Hälfte von ihnen, die meinen Arsch küssen." (Karl Doemens aus Washington, Michael Vosatka, red, 26.4.2023)