Schwere Viruserkrankungen können in der Folge zu Autoimmunerkrankungen führen, wie etwa Diabetes Typ 1. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen.

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Seit über drei Jahren befinden wir uns nun schon in der Corona-Pandemie. Und auch wenn sie noch nicht vorbei ist, haben viele Menschen zumindest das Gefühl, dass sie ihren Alltag nicht mehr bestimmt. Doch dieses Gefühl ist durchaus trügerisch. Denn die schwere Virusinfektion hat einige gesundheitliche Langzeitfolgen, die jetzt erst in ihrer gesamten Tragweite offensichtlich werden. Die Auseinandersetzung in wissenschaftlichen Kreisen mit diesen Corona-Folgen für die Gesellschaft beginnt jetzt so richtig anzulaufen und wird Forschende noch lange beschäftigen.

Eine dieser Folgen, über die man erstmals bereits 2020 berichtete, ist das erhöhte Risiko für Diabetes nach einer Corona-Infektion. Mittlerweile deuten Daten darauf hin, dass bereits einer von 20 neuen Diabetesfällen mit einer Covid-Erkrankung zusammenhängen könnte. Eine soeben erschienene Kohortenstudie analysiert kanadische Daten von 629.935 auf Sars-CoV-2 getesteten Personen von Anfang 2020 bis Ende 2021. Jene Personen, die positiv getestet waren, hatten ein signifikant höheres Risiko, in den folgenden Wochen und Monaten eine neue Diagnose von Diabetes Typ 1 oder 2 zu bekommen.

"Insgesamt sind drei bis fünf Prozent der neuen Diabetesfälle auf eine Covid-Erkrankung zurückzuführen", weiß Studienleiter Naveed Janjua von der University of British Columbia in Vancouver. Besonders stark betroffen sind Männer, Ältere und übergewichtige Menschen, also jene, die ohnehin schon ein höheres Diabetesrisiko haben. Dieses kann um bis zu 235 Prozent ansteigen.

Mehr Männer betroffen

Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres nach Infektion an Diabetes zu erkranken, steigt mit der Schwere der Erkrankung, das hat eine in "The Lancet" publizierte Studie bereits vor einem Jahr festgestellt. Aber auch infolge von milden Infektionen konnten verstärkt Diabeteserkrankungen festgestellt werden.

Woher dieses erhöhte Risiko kommt, ist noch nicht ganz klar. Theorien gehen davon aus, dass das Coronavirus die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse schädigen kann. Die Autorinnen und Autoren nehmen an, dass möglicherweise die geschlechtsspezifische Immunantwort auf das Virus dafür verantwortlich ist, dass mehr Männer betroffen sind. Sie betonen deshalb, dass Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko nach einer Corona-Infektion besonders genau auf diese Folge beobachtet werden sollen. Ein weiterer Grund für die erhöhten Zahlen könnte sein, dass die Erkrankung bereits vorhanden war und erst durch den Krankenhausaufenthalt festgestellt worden ist.

Auch in Österreich sind die Diabetesfälle im Zuge der Pandemie mehr geworden, weiß Johanna Brix, Internistin und Leiterin des soeben neu eröffneten Diabeteszentrum Wienerberg. Dort arbeiten Endokrinologinnen, Diätologen und Gesundheitspsychologinnen fächerübergreifend zusammen, um Betroffenen so eine optimale Versorgung bieten zu können.

Mehr Fälle von Typ 1 Diabetes auch bei Kindern

Johanna Brix ist Internistin und leitet das neu eröffnete Diabeteszentrum Wienerberg. Dort arbeiten Endokrinologinnen, Diätologen und Gesundheitspsychologinnen fächerübergreifend zusammen, um Betroffenen so eine optimale Versorgung bieten zu können.
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Brix berichtet auch, dass es durch Corona vermehrt zu Diabetes-Typ-1-Fällen kommt, also dem autoimmunen Diabetes. Viruserkrankungen könnten generell diese Folge haben, es ist kein ausschließliches Corona-Spezifikum: "Eine Viruserkrankung bedeutet Stress für den Körper. Damit er mit dieser Situation besser umgehen kann, kommt es zu einer Blutzuckererhöhung. Deshalb sieht man öfter zwei bis drei Wochen nach einer Viruserkrankung eine erste Manifestation von Diabetes Typ 1, die sonst erst später passiert wäre. Durch Corona ist das jetzt sehr gehäuft aufgetreten."

Auch Kinder sind davon betroffen, die Zahlen sind jedoch nicht eindeutig. Die kanadische Studie zeigt kein erhöhtes Risiko für die Jungen, ebenso wenig wie Zahlen aus Dänemark. Eine Studie aus den USA dagegen mit Daten von 27 Millionen Menschen – allerdings wurden dafür nicht nur Kinder untersucht – zeigt einen Anstieg von 42 Prozent bei Diabetes Typ 1, norwegische Zahlen zeigen sogar einen Anstieg von 60 Prozent. Für Österreich gibt es keine genauen Zahlen. "Wir können eine Häufung von Erstmanifestationen bei Kindern nicht belegen, aber wir sehen tatsächlich mehr Fälle", sagt Brix.

Impfung schützt

Es gibt jedoch eine Möglichkeit, das Risiko dieser Corona-Langzeitfolge zu senken: die Impfung. Eine aktuelle Studie zeigt, dass dadurch die Diabetes-Inzidenz infolge einer Corona-Erkrankung um 37 Prozent sinkt. Und der US-amerikanische Kardiologe und Corona-Experte Eric Topol verweist auf einen Hoffnungsschimmer: "Einige Berichte deuten darauf hin, dass sich das erhöhte Diabetesrisiko und die damit einhergehende Glukose-Dysregulation im Laufe der Zeit wieder verbessern oder sogar vollständig auflösen könnten."

Internistin Brix ist noch etwas zurückhaltend: "Ich denke, wir können die Folgen von Corona auf die Diabetes- und Adipositaszahlen noch nicht ganz abschließend betrachten, die Zeitspanne ist einfach viel zu kurz." Sie empfiehlt jedoch allen Gefährdeten, regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen und besonders die entsprechenden Werte zu kontrollieren. "Dann bekommt man einen guten Überblick, wo man steht. Schafft man es dazu, Übergewicht zu reduzieren, verbessern sich die Risikofaktoren deutlich." (Pia Kruckenhauser, 27.4.2023)