"Niente. Nada. Zero" will Programmdirektorin Gradištanac über die ORF-Reform "in der Fläche" auf FM4 hören.

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Noch diese Woche soll es so weit sein: ÖVP und Grüne wollen einem Kompromiss zum neuen ORF-Gesetz gefunden haben. Dementsprechend nervös ist die Medienbranche. Auch auf dem Küniglberg liegen die Nerven blank. Wie sehr, das zeigt eine E-Mail der Programmdirektorin des Radiosenders FM4 von Montag. In ihrer Nachricht wies Doroteja Gradištanac ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, nicht über das neue Gesetz zu berichten, in "keinerlei Kommentare, persönlichen Einschätzungen, Jokes oder sonst was". Ein Maulkorb für die gesamte Redaktion?

Diese und weitere Fragen hat DER STANDARD dem ORF, der Programmchefin Gradištanac und dem Generaldirektor Roland Weißmann gestellt. Alle Anfragen blieben bis dato unbeantwortet. Auch der "Kurier" berichtete über die Mail.

Gradištanacs Mail von Montag ließ allerdings wenig Raum für Interpretation: Es handle sich um den "unmissverständlichen Auftrag" von Generaldirektor Weißmann an alle Führungskräfte, nicht über das ORF-Gesetz zu berichten, schrieb sie. Dieser "Bitte" schließe sie sich an. Wenn die ORF-Reform dennoch Thema werde, dann solle dies "in den englischen Nachrichten oder im Halb-Block" Platz finden. Gemeint sind damit wohl die deutschen Nachrichten zur halben Stunden in der Früh. "In der Fläche ist davon bitte nichts zu hören. Niente. Nada. Zero.", ergänzte sie.

Eine Show besonders im Visier

Besonders im Visier hatte Gradištanac das Team rund um die "FM4 Passt Show!" von Hannes Duscher und Roland Gratzer. "Das gilt natürlich vor allem und ausdrücklich für euch", heißt es in der Mail. Die Satireshow ist dafür bekannt, niemanden zu schonen, auch nicht den eigenen Arbeitgeber. "Bis auf Widerruf" soll der ORF in dieser Causa nun aber "komplett" von der Themenliste Duschers und Gratzers gestrichen werden. "Bei Unsicherheiten kontaktiert mich sofort", fügte Gradištanac hinzu.

Verunsichert dürften einige Empfängerinnen und Empfänger der Mail sehr wohl gewesen sein. So appellierte Gradištanac am Ende ihrer Mail an die Loyalität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deutete mögliche Konsequenzen an: "Persönlich würde es mich nicht wundern, wenn in dieser schwierigen Zeit Zuwiderhandeln disziplinär geahndet wird."

Nicht mit ORF-Statut vereinbar

Welche disziplinären Maßnahmen greifen würden, ließen Weißmann, der ORF und Gradištanac unbeantwortet. Der Vorsitzende des Redaktionsrats im ORF, Dieter Bornemann, sagte dazu auf STANDARD-Anfrage: "Es darf keinerlei Vorgaben zur Beitragsgestaltung geben, auch nicht das eigene Haus betreffend." Ein Maulkorb wäre "absolut unzulässig und ist mit dem ORF-Redaktionsstatut nicht vereinbar."

Es habe laut Bornemann bereits am Montag ein Treffen mit Gradištanac und der Redaktionsvertretung gegeben, in dem sich die FM4-Programmdirektorin "für ihre missverständlichen Formulierungen in der Mail entschuldigte", sagte der Redaktionsvertreter.

Am Montag soll bereits eine Mail von Gradištanac an denselben Verteiler gefolgt sein, in dem sie sich für ihre Wortwahl entschuldigt haben soll, berichten Personen aus dem ORF. Außerdem war zu hören, dass Weißmann die Führungskräfte lediglich angewiesen habe, dafür zu sorgen, dass sich ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an einer Diskussionen auf Social Media über das ORF-Gesetz beteiligen sollen. Wer also auf dem Küniglberg in diesem Fall wann etwas falsch verstanden hat, war nicht mehr mit Sicherheit zu eruieren. (Laurin Lorenz, 26.4.2023)