Harry Belafonte starb im Alter von 96 Jahren in seiner Geburtsstadt New York.

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Vorgesehen war jemand wie er nicht. Noch wurde fast alles unternommen, um Schwarzen bestenfalls den Weg durch die Hintertür zuzugestehen, doch dann kam er: Harry Belafonte. Er wurde in den frühen 1950er-Jahren ein Star, so groß, wie es sich weder das weiße noch das schwarze Publikum hatte vorstellen können. Und er blieb. Belafonte nutzte seine Popularität und wurde richtig lästig, unnachgiebig, nutzte seinen Charme, seine Freunde und sein Geld, um das, was ihm widerfahren war, anderen zu ermöglichen: den Weg durch die Vordertür für alle Schwarzen. Das machte Harry Belafonte zu einer Jahrhundertfigur, und fast so alt ist er geworden.

Video-Nachruf: Harry Belafonte ist tot
AFP

Am Dienstag ist der am 1. März 1927 als Harold George Bellanfanti Jr. in New York geborene Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler im Alter von wahrlich erfüllten 96 Jahren gestorben.

Harry Belafonte Television And Video Archive

Mehr oder weniger im Alleingang löste der Sänger mit Wurzeln in der Karibik in den frühen 1950ern nach Anfängen in der Folk Music einen Calypso-Boom aus und war noch vor Elvis Presley der erste Künstler, der von einem Album mehr als eine Million Stück verkaufte und Songs wie Day-O (The Banana Boat Song) oder Mathilda zu Welthits machte. Dabei war die Musik für ihn eher eine Verlegenheitslösung, weil er als Schwarzer nur "Onkel-Tom-Rollen" angeboten bekam, also Rollen, in denen er stereotype Schwarze spielen sollte. Das lehnte er ab.

Dennoch nahm er Schauspielunterricht und düste mit seinem Klassenkollegen Marlon Brando gemeinsam auf dem Motorrad durch die New Yorker Nacht. Erst seine Erfolge als Sänger ebneten ihm den Weg zu jenen Rollen, die seinem Ehrgeiz entsprachen, etwa Otto Premingers Carmen Jones (1954).

"Ruf mich nie wieder an!"

Er wurde ein lebenslanger Freund von Sidney Poitier und prüfte ihre Freundschaft in den 1960ern mehr als einmal, als er Poitier und andere Hollywoodgrößen in die Pflicht nahm, um mit ihnen in den US-Süden zu fahren. Um es Schwarzen zu ermöglichen, sich in die Wählerregister eintragen zu lassen, um verschwundene Bürgerrechtler zu suchen, sie aus dem Gefängnis zu holen oder einfach die Medienaufmerksamkeit so lange auf einen Redneck-Sheriff zu lenken, bis der die Leute von sich aus gehen ließ.

Bei einer dieser Aktionen wurde auf den Wagen von Belafonte und Poitier geschossen – "Ruf mich nie wieder an", soll Poitier später zu Belafonte gesagt haben, natürlich zwecklos. Belafonte war ein Mann mit einer Mission. An Hollywood war ihm die Macht der Popularität wichtiger als das Filmemachen selbst.

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In den frühen 1960ern freundete er sich mit Martin Luther King an. Er nahm an dessen Märschen teil, setzte sich mit John F. Kennedy und dessen Bruder Robert zusammen, um die "Rassenfrage" zu erläutern, und finanzierte, was in der Bürgerrechtsbewegung zu finanzieren war: Zwar hasste er es, frühmorgens aus dem Bett geholt zu werden, um für irgendjemanden Kaution stellen zu müssen, aber wenn er es nicht tat, tat es niemand. Trotz aller Rückschläge, die die Bewegung durch die Ermordung zahlreicher schwarzer Bürgerrechtler hinnehmen musste, blieb Belafonte unbeirrt.

Erst in den 1970ern dreht er wieder Filme, etwa Uptown Saturday Night (1974), in dem er einen schwarzen Mafiapaten spielte – eine Art Persiflage auf Brando in The Godfather. Später trat er in Robert Altmans Kansas City (1996) auf und war zuletzt 2018 in Spike Lees Streifen BlacKkKlansman zu sehen. Vor zwölf Jahren wurde auf der Viennale eine Werkschau seiner besten Rollen gezeigt. Damals gab er dem STANDARD dieses Interview.

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In den 1980ern engagierte er sich im Kampf gegen die Apartheid. Er ließ sich von dem Benefizsong Do They Know It's Christmas inspirieren und gebar die Idee für das Lied We Are the World, um Geld für das notleidende Äthiopien zu sammeln. An dem Lied nahm Popprominenz von Michael Jackson bis Bob Dylan teil.

Kritik und Moral

Er wurde Unicef-Botschafter und erlebte das Ende der Apartheid in Südafrika. Seine Mission erforderte Konsequenz bis zum Starrsinn, was ihm nicht selten Kritik eintrug. Doch er ließ sich nicht beirren, selbst wenn Wegbegleiter nicht immer nach derselben hohen Moral lebten wie er. Er verbrachte sein Leben in Opposition zur Dummheit und Ignoranz, versuchte, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Seine 2011 erschienene Autobiografie My Song liest sich wie ein Rückblick auf das 20. Jahrhundert, ist eine Biografie, die für ein einziges Leben fast schon zu enorm wirkt. Dem Mann persönlich zu begegnen war ein Erlebnis, sein Charisma fast greifbar, sein Timbre heiser: vom Singen, Lachen und dem lebenslangen Einreden auf Menschen, doch endlich das Richtige zu tun. Harry Belafonte starb am Dienstag im Alter von 96 Jahren in seiner Geburtsstadt New York. (Karl Fluch, 25.4.2023)