Preise für Lebensmittel bergen politischen Zündstoff. Studien über Supermärkte als Kostentreiber duellieren sich mit Analysen über den Lebensmittelhandel als Inflationsdämpfer. Flankiert wird der Schlagabtausch von einer nicht versiegenden Flut an Preisvergleichen.

Es geht um die Wurst. Ist Österreichs Lebensmittelhandel Kostentreiber oder Inflationsdämpfer?
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Der jüngste könnte vor allem vegane und vegetarische Konsumenten ins Mark treffen. Von der "Grenze zu Wucher" ist angesichts pflanzlichen Fleischersatzes die Rede.

Sebastian Bohrn Mena, Gründer der Initiative Oekoreich, nahm drei gängige Lebensmittel in den Regalen der Handelsketten unter die Lupe: Frankfurter Würstel, Pizza und Hühnerfilets. Bei allen dreien macht er enorme Preisunterschiede aus.

VIDEO: Zum vergangenen Weltvegantag ging unser Videoteam der Frage "Wie vegan is(s)t? Österreich" nach.
DER STANDARD

Für die vegane Tiefkühlpizza zahlen die Österreicher seinen Berechnungen zufolge um satte 90 Prozent mehr als für ein mit Salami belegtes Pendant. Fleischlose "Hendlfilets" kosten um 120 Prozent mehr als jene mit Geflügel. Und für das Würstel primär aus Weizengluten und Sojaeiweiß sind um 280 Prozent mehr hinzulegen als für das günstigste Frankfurter aus Schweinefleisch.

"Spiel mit den Margen"

Fleischimitat sei teuer wie nie zuvor, zieht Bohrn Mena Bilanz. Dabei seien die Zutaten dafür in der Regel billig, meint er mit Blick auf Wasser, Rapsöl und Erbsenproteine.

Viele Konsumenten versuchten, über bewusstere Ernährung einen Beitrag zu mehr Tierwohl zu leisten. Doch statt dies preislich zu fördern, werde der Griff dazu – nicht zuletzt auch durch ein Spiel mit den Margen – erschwert. "Handel und Industrie scheinen sich auf dem Rücken der Konsumenten zu bereichern."

Bei Österreichs Lebensmittelherstellern löst der Vorwurf Kopfschütteln aus. Beim Nachbau fleischähnlicher Produkte aus Pflanzen sei viel Hirnschmalz gefragt, sagt Katharina Koßdorff, Chefin des Verbands der Lebensmittelindustrie, und erzählt von zahlreichen gescheiterten Versuchen, bei denen weder Konsistenz noch Geschmack des Fleischersatzes überzeugten. Die Anlaufphasen für innovative Produkte seien lang. Investitionen in Entwicklungsarbeit müssten sich letztlich rechnen.

Eine klassische Salamipizza werde anders als eine vegane zu Tausenden verkauft, gibt Nicole Berkmann, Sprecherin der Handelskette Spar, zu bedenken. "Starker Absatz wirkt sich natürlich auf den Preis aus."

Dass vegane Lebensmittel besonders kaufkräftige Kunden anzieht und der Handel folglich höhere Margen draufschlägt, lässt sie nicht gelten: Die Preisbildung auf den Märkten sei weitaus komplexer.

"Katze beißt sich in den Schwanz"

Auch Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher führt aufwendige Vorarbeit vieler Start-ups ins Treffen. Der preisliche Abstand zu Bio sei zudem oft nur gering. Bei Rabatten achte sein Konzern darauf, parallel zu den Fleischprodukten auch die veganen Alternativen in Aktion zu setzen. In den Regalen stünden mittlerweile beide im Dienste der besseren Vergleichbarkeit nebeneinander.

Für Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft, beißt sich beim Argument der geringeren Verkaufsmengen die Katze in den Schwanz: Je günstiger Fleischloses angeboten werde, desto größer sei der Absatz, was wiederum den Preis senke.

Das beste Beispiel dafür sei Ikea: Der Möbelriese offeriere seine veganen Fleischbällchen um zumindest einen Cent billiger, sagt Hnat. In der Folge verkaufe Ikea bereits ein gutes Drittel davon fleischlos.

Langsame Annäherung

Britische Supermarktketten setzten bei ihren Eigenmarken bei allem Pflanzlichen niedrigere Preise an als bei deren fleischlichen Konterfeis – auch hier zeige sich, welche großen Chancen in Preisparität steckten.

Hnat ortet in Österreich über die Jahre eine langsame, aber stete Annäherung der Preise. Stark gebremst werde diese durch steuerliche Nachteile. Kuhmilch etwa wird mit zehn Prozent besteuert – ein Pflanzendrink mit 20, auch wenn dieser in Österreich biologisch erzeugt wird.

Hnat erinnert zudem an hierzulande stark subventionierte Fleisch- und Milchproduktion. Während in Ländern wie Dänemark bereits hunderte Millionen Euro in die pflanzliche Proteinwende investiert würden, fördere Österreich nach wie vor primär eine, aus ökologischer Sicht, wenig nachhaltige Landwirtschaft.

Keine Kostenwahrheit

Was Fleischpreise im Handel und in der Gastronomie zusätzlich niedrig hält, sind Importe aus Massentierhaltung im Ausland. Geringere Standards in der Tierhaltung als in Österreich und der Einsatz von Gensoja verstellen den Blick auf höhere Kostenwahrheit. Die simple Logik, dass Lebensmittel aus direkt verarbeitetem Getreide billiger sein sollten als Lebensmittel aus verfüttertem Getreide, greift folglich nicht.

Alles in allem wiegt der Markt für pflanzliche Nahrungsmittel in Österreich im Einzelhandel knapp 100 Millionen Euro, zeigen Nielsen-Daten. Der Umsatz stieg zwischen 2020 und 2022 um 22 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt Österreich damit weit abgeschlagen auf Rang elf, erhob des Good Food Institute. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für vegane Lebensmittel belegt Österreich den achten Platz hinter Ländern wie Italien, Belgien und Deutschland.

Was macht den Unterschied?

Für Konflikte sorgt nicht nur Veganes. Eine neue Studie der EZB ortet bei Supermärkten in der Grenzregion zwischen Deutschland und Österreich hohe Preisunterschiede: Wer in Österreich kauft, lege im Schnitt für idente Produkte um 13 Prozent mehr ab. Dafür herangezogen wurden Preise zwischen 2008 und 2018. Der Handel führt eine Palette von Gründen an, warum Einkäufe nur bedingt vergleichbar sind.

Andere Steuern und Lohnkosten wirkten sich aus, mehr Bio und Regionales, was Lebensmittel in Summe durch Mischkalkulation verteuere, kostspieligere Logistik – vor allem jedoch höhere Einstandspreise durch kleinere Volumina an Lebensmitteln und Drogeriewaren, die bewegt werden. In anderen Ländern günstiger einzukaufen, ließen Markenkonzerne vielfach nicht zu.

Wie stark die massive Konzentration der Supermärkte auf die Preise durchschlägt, lässt sich bisher nicht durch harte Daten belegen. (Verena Kainrath, 26.4.2023)