Hans Peter Doskozil und Christian Kern 2018 in Oberwart. Diese Woche treffen sie sich wieder in Neudörfl.

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Fände das Rennen um den künftigen SPÖ-Parteivorsitz auf dem Red Bull Ring in Spielberg statt, wäre das Spitzentrio gerade in der ersten, nach Niki Lauda benannten Kurve. Bis ins Ziel ist es noch ein weiter Weg, die Mitgliederbefragung von rund 148.000 Genossinnen und Genossen endet erst am 10. Mai. Die definitive Entscheidung über den Vorsitz fällt überhaupt erst auf dem Parteitag am 3. Juni. Quasi aus der Box heraus will Ex-Kanzler Christian Kern aber jetzt schon "seinem" Kandidaten einen Vorsprung verschaffen: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.

"Die SPÖ braucht diesen Neustart: inhaltlich, personell, organisatorisch", schrieb Kern auf Facebook. Die SPÖ habe aus seiner Sicht mit Doskozil die besten Chancen, dieses Ziel zu erreichen.

Babler im Team

Und Kern philosophiert in seinem Facebook-Posting auch schon über die Zeit nach der Übernahme Doskozils. Er halte es für wichtig, dass Andreas Babler und seine Unterstützerinnen und Anhänger dann "an wichtiger Stelle" in das neue Team rund um Doskozil integriert würden. Doskozils Aufgabe werde sein, nach der Entscheidung auf dem Parteitag ein Team zu leiten, "das die gesamte Breite der Partei repräsentiert, und eine Bewegung zu formen, die so verlässlich wie leidenschaftlich für bessere Lebensverhältnisse in unserem Land sorgt", schreibt der Ex-Kanzler.

Für Kern gehe es nicht um unterschiedliche Haltungen in sachpolitischen Fragen, sondern um etwas bedeutend Größeres. Verfehlungen der türkis-blauen Regierung hätten Österreich "bedenklich nahe an autokratische Zustände wie in Ungarn" geführt. Sein Ziel ist klar: "Mein wichtigstes Anliegen ist es, Blau-Schwarz zu verhindern."

Kern greift Doskozil übrigens gleich bei dessen Wahlkampftour unter die Arme. Am Donnerstag begleitet er den Vorsitzanwärter als Überraschungsgast ins burgenländischen Neudörfl. Vor rund 400 SPÖ-Mitgliedern will Kern mit Doskozil "über aktuelle Herausforderungen der Wirtschafts- und Energiepolitik diskutieren". Neudörfl ist ein für die Sozialdemokratie symbolträchtiger Boden. Hier, 1874 noch zu Ungarn gehörend, liegt die Wiege der Sozialdemokratischen Partei.

Rendi-Wagner reagierte am Mittwoch betont gelassen auf Kerns Unterstützung für Doskozil: "Man muss nicht alles kommentieren", sagte sie auf einer Pressekonferenz. Enttäuscht dürfte Rendi-Wagner aber sein. Doch dazu später.

"Überhöht sich extrem"

Unter dem Label "Roter Abend" präsentierte Puls24-Moderatorin Corinna Milborn am Mittwochabend dann erstmals den Dreikampf um den SPÖ-Vorsitz gesammelt in einer Sendung. Die Interviews fanden aber dennoch getrennt voneinander statt. Doskozil wollte als Einziger die Einzelkonfrontation. Dazu kam es dann auch. Warum? "Es ist der Partei und den Mitgliedern nicht mehr zuträglich und zumutbar, dass wir uns komplett medial auf offener Bühne gegenseitig beflegeln", sagte Doskozil.

Den Anfang machte aber die amtierende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Ob sie und ihr Team eine "elitäre Blase" in der SPÖ geschaffen hätten, wie ihr von Doskozil vorgeworfen wird? "Jemand, der von einer elitären Blase innerhalb unserer Partei so spricht, der überhöht sich selbst extrem", konterte Rendi-Wagner. Sie halte von einem solchen "Schachteldenken" nichts.

Dass ausgerechnet Christian Kern die derzeit oberste Sozialdemokratin nicht unterstützt, enttäuschte Rend-Wagner zwar "menschlich". Aber das sei darüber hinaus nicht wichtig.

Vielmehr zeigte sich Rendi-Wagner entnervt von den vielen Jahren der Querschüsse: "Es nervt mich, dass wir nicht über die echten Probleme der Menschen sprechen." Dieser schmerzliche Prozess der Klärung" müsse aber gegangen werden. Und Rendi-Wagner glaubt daran, daraus als Siegerin hervorzugehen. Danach müsse Schluss sein mit Ego-Trips.

Ewige Versprechungen

Von Doskozil, dem sie eine uneindeutige Abgrenzung zur FPÖ attestierte und vorwarf, zu seiner eigenen Partei auf Distanz gegangen zu sein, werde Rendi-Wagner jedenfalls keinen Rücktritt verlangen, sollte sie gewinnen: "Er soll das halten, was er jetzt verspricht." Soll heißen: Das Ergebnis akzeptieren.

Im Burgenland sieht man das ein Stück weit anders. Doskozil will kein Querschießer sein. Er habe den Diskurs gesucht. Das sei legitim, befand Doskozil. Er monierte wiederum, für alle schlechten Wahlergebnisse verantwortlich gemacht zu werden. "Wenn diese Logik stimmt, dann muss man sich die Frage stellen, wer für die absolute Mehrheit im Burgenland verantwortlich ist – ich kann es ja nicht sein."

Das wahre Problem der SPÖ sei aus Doskozils Sicht, dass man immer viel versprochen habe, etwa die Mieten reduzieren zu wollen, "und in Wirklichkeit ist nie etwas passiert". Die SPÖ müsse das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, sonst werde man nicht mehr gewählt. Doskozil beklagte auch die Kompromisse, die die SPÖ eingegangen sei, nur "um Kanzler zu sein" oder um Ministerien zu bekommen.

Roter Schwund

Den Abschluss machte Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler. Was sein Vorwurf an er Führung sei? "Wir haben uns alleine in einer Generation halbiert", sagte Babler. "Ich war schon enttäuscht in Vranitzky-Zeiten, wie wir einmal eine Wahl von 47 auf 42 Prozent verloren haben." Hinzu komme, dass etwa bei der Anti-Teuerungspolitik nicht einmal mehr Babler selbst gewusst habe, "für was man eigentlich steht". Er sei für eine "klare Kante aus den Lebensrealitäten heraus".

Babler will auch nicht zurücktreten, sollte er die rote Mitgliederbefragung nicht gewinnen. "Ich halte das für schwach, in beiden Lagern anzukündigen, sich zurückzuziehen, wenn man Zweiter wird. Ich bin ganz bewusst Sozialdemokrat."

Den Erfolg der KPÖ in Salzburg interpretiert Babler als etwas "klassisch Sozialdemokratisches". Hätte sich die SPÖ ebenso dem Thema leistbaren Wohnen glaubhaft angenommen, wäre das Ergebnis aus Sicht Bablers besser ausgefallen: "Man muss nicht nach rechts blinken, um Wahlen zu gewinnen."

Eines haben die drei Roten bei allem Uneinigkeit allerdings doch gemeinsam. Niemand antwortete auf die Frage "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren" mit Kanzlerin oder Kanzler. (Guido Gluschitsch, David Krutzler, Jan Michael Marchart, 26.4.2023)