Ältere Menschen werden sich noch an die Werbeaussage einer Bank erinnern, wonach Geld glücklich mache, wenn man rechtzeitig darauf schaue, es zu haben. Vor Gericht zeigt sich, dass es aber auch Probleme bringen kann.

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Wien – Herr P. ist entweder ein übler Kredithai, der aus der finanziellen Notlage seiner Mitmenschen unverdienten Profit schlägt. So sieht es Staatsanwältin Silvia Wimmer, die dem unbescholtenen 38-Jährigen die Delikte Geldwucher und Nötigung vorwirft. Oder aber Herr P. ist ein hilfsbereiter Mensch, der selbst zum Opfer wurde, wie Verteidiger Michael Nierla vor Richter Markus Müller argumentiert.

Der arbeitslose Notstandshilfebezieher P., der selbst zwei Bankkredite in Höhe von 11.500 Euro offen hat, bekennt sich jedenfalls nicht schuldig und erzählt seine Version der Geschichte. Vor drei oder vier Jahren habe ihn ein "flüchtiger Bekannter", Herr M., um Geld gebeten. 4.000 Euro sollten es für ein oder zwei Monate sein, P. lehnte zunächst ab, sagt er. "Er lief mir aber einen Monat lang nach und hat im Auto geweint", erinnert der Angeklagte sich.

Schuldner bot angeblich 200-Euro-Raten an

Schließlich habe er nachgegeben und einen mündlichen Vertrag mit dem Bekannten abgeschlossen. Der bot an, monatlich 200 Euro zu zahlen, nach spätestens zwei Monaten hätte der Angeklagte also 4.400 Euro an Kapital und Zinsen zurückbekommen. "Einen schriftlichen Vertrag gibt es nicht?", wundert sich Richter Müller. "Sie haben doch gesagt, Sie kannten M. nur flüchtig?" – "Nein, er hat mir als Pfand sein Auto gegeben", antwortet der Angeklagte.

"Wie ist es weitergegangen?", will der Richter wissen. "Relativ katastrophal", gesteht P. ein. Bis heute, also mindestens drei Jahre später, habe er von M. lediglich 3.250 Euro zurückerhalten, fasst der Angeklagte zusammen. Denn nach den ersten beiden Monaten habe der Schuldner ständig die Telefonnummern gewechselt, sei daheim nur selten anzutreffen gewesen und habe stets neue Ausreden verwendet. "Er hat gesagt, seine Frau ist krank, sein Vater ist krank, seine Mutter sei gestorben, er sei im Gefängnis, oder er sei in Serbien", rekapituliert der Angeklagte. Auch M.s Auto gab er wieder zurück, da der Eigentümer es verkaufen wollte – der Verkauf fand statt, die offene Kreditsumme blieb dennoch offen.

Gläubiger wartete vor dem Haus

Manchmal gelang doch ein Kontakt, so am 15. Dezember 2022. "Ich habe vor seinem Haus auf ihn gewartet und gesagt, dass ich mein Geld will oder wir uns mit seiner Frau und seinem Vater zusammensetzen sollen, um die Sache zu klären", schildert der Angeklagte weiter. M. wollte das nicht und versprach neuerlich die Begleichung der Schuld, tatsächlich zahlte er im Dezember noch eine Rate.

Im Jänner ging M. dann allerdings zur Polizei und zeigte P. an. Der Angeklagte sei als privater Kreditvermittler bekannt, sagte M. aus, da er selbst von Banken kein Geld mehr bekommen habe, habe er sich an den Angeklagten gewandt. Verlangt habe er für das Darlehen 20 Prozent Zinsen, behauptete M. vor den Ermittlern. Auch das Treffen am 15. Dezember sei weit weniger harmonisch gewesen. P. habe M. angedroht, ihn "in den Rollstuhl zu bringen", er habe Freunde in Serbien, die er vorbeischicken könne. "Schwachsinn!", sagt der Angeklagte vor Gericht dazu. "Ich habe keine Freunde in Serbien, ich bin gebürtiger Bosnier!", stellt P. klar und bestreitet auch, je an andere Personen Geld verliehen zu haben.

Zeuge kurzfristig erkrankt

Für Verteidiger Nierla liegt der Grund für M.s Aussagen klar auf der Hand: "Er versucht unter Zuhilfenahme des Strafrechts seine zivilrechtlichen Schulden loszuwerden", ist er überzeugt. Ob das zutrifft, erfährt der Richter an diesem Tag aber nicht mehr. "Bekanntgegeben wird, dass der Zeuge gestern ein Mail geschrieben hat, wonach er heute nicht erscheinen kann, da er erkrankt sei. Versprochen wurde, eine ärztliche Bestätigung nachzureichen." – "Sehen Sie, wieder ein Gschichtl!", platzt es aus dem Angeklagten heraus, ehe auf den 10. Mai vertagt wird. (Michael Möseneder, 26.4.2023)