Neues Gesetz für den ORF mit Haushaltsabgabe und mehr Streamingmöglichkeiten geht in Begutachtung.

Foto: Eva Manhart

Wien – Der ORF-Beitrag für alle wird ab 2024 pro Monat 15,30 Euro betragen. Das kündigte Medienministerin Susanne Raab am Mittwoch bei der Präsentation des neuen ORF-Gesetzes an. Befreiungen für einkommensschwache Haushalte werde es wie bisher geben. Beiträge für Unternehmen werden nach der Zahl der Beschäftigten gestaffelt. Bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird ein ORF-Beitrag fällig, ab 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwei ORF-Beiträge, erklärte Raab.

VIDEO: ÖVP-Medienministerin Susanne Raab und die Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer präsentierten am Mittwoch den Entwurf für ein neues ORF-Gesetz.
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710 Millionen Euro für den ORF, Beitrag auf drei Jahre "eingefroren"

Der ORF wird laut Raab künftig 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag einnehmen. Die 15,30 Euro pro Monat und die Gesamtsumme der Einnahmen würden auf die nächsten drei Jahre – also 2024 bis 2026 – "eingefroren", erklärte Raab, also nicht erhöht.

Die 710 Millionen Euro öffentlicher Einnahmen pro Jahr bedeuten rund 30 Millionen Euro mehr, als der ORF bisher aus der GIS einnimmt. Das sei ein "Nullsummenspiel", erklärte Raab, weil die Werbeeinnahmen des ORF um 25 bis 30 Prozent gekürzt würden.

Die STANDARD-Grafik berechnet die voraussichtliche Belastung pro Bundesland auf der Basis der aktuellen Landesabgaben auf die GIS hoch. Nur Niederösterreich kündigte bereits fix einen Verzicht auf die Abgabe an.

Mittwoch wurde von ÖVP und Grünen der Entwurf eines neues ORF-Gesetzes präsentiert, der die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Medienriesen ab 2024 neu regelt. Die GIS mit Ausnahme für Streamingnutzung hat der Verfassungsgerichtshof mit Ende 2023 aufgehoben.

Der neue ORF-Beitrag soll geringer ausfallen als die GIS. 15,30 Euro gehen an den ORF statt bisher 18,59 Euro im Monat. Der Bund streicht seine Abgaben auf den ORF-Beitrag. Oberösterreich, Vorarlberg und künftig auch Niederösterreich heben keine Abgaben auf den Beitrag ein. In den übrigen Bundesländern dürfte der Beitrag mit Landesabgaben nach bisherigem Stand zwischen 18 Euro und knapp über 20 Euro pro Monat betragen.

Update: Neuerungen im ORF-Gesetz im Überblick

Neuerungen laut Medienministerin Raab und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer im Überblick:

  • Die Sieben-Tage-Beschränkung für Online-Abruf von Video- und Audioinhalten entfällt. Aktuelle Beiträge etwa aus Politik, Kultur, Sport dürfen 30 Tage abrufbar sein. Eigenproduzierte Filme und Serien dürfen ein halbes Jahr online bleiben. Zeit- und kulturgeschichtliche Archive, Kinder- und Sportprogramme abseits des Premiumsegments dürfen unbefristet abrufbar bleiben.
  • Der ORF darf für Online Audio und Video produzieren, auf ORF.at macht das Verhältnis künftig 70 Prozent Video- und 30 Prozent Textbeiträge aus.
  • Textbeiträge auf ORF.at werden auf 350 pro Woche reduziert. Nach STANDARD-Informationen soll der Zeitungsverband in den Verhandlungen 100 Textmeldungen pro Woche gefordert haben. Das Angebot, die Textmeldungen auf 350 pro Woche zu begrenzen, kam von der ORF-Führung, sagen Menschen mit Einblick in die Verhandlungen.
  • Laut Maurer dürfen Beiträge auf ORF.at (weiterhin) nicht vertiefend sein und im Rahmen von "Überblicksberichterstattung" bleiben. Eine weitere Einschränkung sei für die Grünen nicht denkbar, sagt Maurer und verwies auch auf die Barrierefreiheit von ORF.at.
  • Das Radio-Symphonieorchester RSO bleibe erhalten, sagt Raab. Es wird bis 2026 aus Bundesmitteln in der ORF-Struktur finanziert. Bis 2025 muss die Bundesregierung ein Konzept für die künftige Trägerschaft des Orchesters vorlegen.
  • ORF Sport Plus bleibe bis 2026 als TV-Spartenkanal erhalten, danach als Streamingangebot.
  • Der ORF darf künftig ein Kinder-Streamingangebot betreiben.
  • Der ORF darf laut Maurer Inhalte auf Social Media stellen gemäß einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs von 2014; eigene Youtube-Channels dürfe er aber nicht betreiben.
  • Werbebeschränkungen online und im Radio sollen für den ORF rund 25 Millionen bis 30 Millionen Euro weniger Werbeeinnahmen bedeuten.
  • Der ORF muss künftig jährlich in einem Transparenzbericht Gehälter und Nebentätigkeiten und Nebenverdienste veröffentlichen; ab einem Jahresbruttoeinkommen von 170.000 Euro müssen die Gehaltssummen namentlich veröffentlicht werden.
  • ORF-"Privilegien" vor allem aus alten Verträgen werden laut Raab gekürzt. Sonderzulagen wie eine Wohnungszulage würden ab 2024 halbiert und mit 2026 entfallen. Zusatz-Sonderpensionen werden, nach Höhe gestaffelt, bis zu 25 Prozent gekürzt, erklärte die Ministerin. Auch Abfertigungen würden "begrenzt", erklärte sie.

"Massenvernichtungswaffe"

Die erweiterten Möglichkeiten für den ORF, Video und Audio auch ausschließlich für das Web zu produzieren, riefen massive Proteste von privaten Medienunternehmen hervor. Die Novelle gefährde private Medien, ihre Onlineangebote und ihre Finanzierung existenziell, argumentieren sie. Erst am Dienstag sprach STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker von einer drohenden "Massenvernichtungswaffe" gegen private Medien.

Limit für Textmeldungen auf ORF.at

Nach einer weiteren Sitzung mit Vertretern des Zeitungsverbandes VÖZ am Dienstagabend, DER STANDARD berichtete, kam nun das zusätzliche Online-Limit in den Entwurf: Die Zahl der reinen Textmeldungen auf ORF.at wird auf 350 pro Woche limitiert. Dazu kommen nach STANDARD-Infos Videobeiträge mit Text, die nicht in dieses Kontingent einzurechnen sind. Nach der Formel 30 Prozent Text zu 70 Prozent Video würde das rund 800 Videobeiträge pro Woche bedeuten. Der "Kurier" berichtete von einem neuen Limit von 350 Meldungen auf ORF.at pro Woche.

Private Medienhäuser argumentieren, die Dominanz von ORF.at be- oder verhindere den Erfolg von Bezahlangeboten. Medienunternehmen benötigten solche digitalen Paid-Modelle aber angesichts sinkender Printauflagen und der übermächtigen Werbekonkurrenz von internationalen Digitalkonzernen wie Alphabet mit Google und Youtube, Meta mit Facebook, Instagram und Whatsapp oder Tiktok.

710 Millionen Euro

Der ORF ist mit künftig 710 Millionen Euro pro Jahr an verpflichtenden Userbeiträgen wie bisher weitaus größter Medienkonzern in Österreich. Mit Einnahmen aus der Werbung kommt der ORF auf rund eine Milliarde Euro Jahresumsatz. Die größten privaten Zeitungskonzerne kommen auf bestenfalls rund 400 Millionen Euro im Jahr.

Öffentliche Förderungen für alle privaten Medien betragen rund 73 Millionen Euro pro Jahr – die noch von der EU zu prüfende, geplante Journalismusqualitätsförderung eingerechnet. (fid, 26.4.2023)

Der Text wurde nach Erscheinen mehrfach ergänzt und aktualisiert, teils korrigiert.