Ralf Rangnick war in Innsbruck bei bester Laune.

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Es braucht nicht immer einen echten Anlass wie eine Kaderbekanntgabe oder eine Länderspielanalyse, um Aussagen des Fußballteamchefs unter die Leute zu bringen – zumindest nicht, wenn der Ralf Rangnick heißt und bei der Tagung der österreichischen Sportjournalistenvereinigung eine Tour de Force durch seine Erfahrungen und Ansichten lieferte. Einen roten Faden vorzugaukeln wäre Makulatur. Alsdann.

Ralf Rangnick ist kein Fan von Bierkisten. Seine allerersten Trainerschritte machte er als Fünfjähriger, als er die anderen Kinder beim Kicken einteilte. Bier war damals kein Thema. Seine ersten echten (Spieler-)Trainerschritte machte Rangnick dann 25-jährig bei seinem Heimatverein Viktoria Backnang, und da war Bier ein Thema. "Es stand nach jedem Training eine Kiste in der Kabine, nach gewonnenen Spielen auch mal drei."

Rangnick führte Grundregeln ein: kein Rauchen im Trikot, eineinhalb Stunden nach Spielende kein Alkohol, wer in der Vorbereitung auf Urlaub ist, spielt nicht. "Wir hatten innerhalb von vier Wochen einen top Profispirit in der Mannschaft." Nach dem 5:1-Sieg im ersten Spiel stellt Teambetreuer Reinhold die übliche Belohnung in die Kabine, er hatte die Ansage des Spielertrainers nicht ernst genommen. "Keiner hat sich getraut, den Kasten Bier anzuschauen. Betretene Stille." Rangnick schmiss die Kiste einen Eisenbahndamm hinunter und kam am Abend zurück, um die Reste aufzusammeln. "Wir sind dann zweimal hintereinander aufgestiegen."

Beziehungsmensch

Ralf Rangnick will wie Jürgen Klopp "Beziehungen sammeln". Die Kunst bestehe als Nationalteamtrainer darin, mit den Spielern in Kontakt zu bleiben. Zu Weihnachten teilte sich der Trainerstab die Spieler auf, jeder bekam eine Whatsapp-Nachricht: Rückblick, Ausblick, dazwischen eine persönliche Nachricht. "Wir waren da zwei Wochen lang morgens bis abends damit beschäftigt. Am 23. Dezember habe ich dann innerhalb von zwei Stunden diese 32 Whatsapp-Nachrichten an die Spieler geschickt. Und innerhalb von ein paar Tagen hat jeder eine persönliche Nachricht zurückgeschickt."

Ralf Rangnick hätte gerne eine 16er-Liga in Österreich. "Wenn man alle Fußballstandorte von Namen, Stadion, Historie zusammennimmt, käme man auf 16 oder 18 Vereine." Zu Beginn seines Salzburg-Engagements habe Rangnick zwei Jahre lang "auf jeder ÖFB-Tagung dafür zu kämpfen versucht", ehe er die Zwecklosigkeit einsah. "Wenn du vier- oder fünfmal pro Saison gegen dieselbe Mannschaft spielst – egal welche Möglichkeiten ein Verein hat, so bleibst du immer eine Ausbildungsliga."

Kleines Fragezeichen hinter Chukwuemeka

Ralf Rangnick hat auch die Jüngsten im Auge. "Wir haben schon bei den 13-Jährigen eine Liste von Spielern erstellt, von denen wir glauben, dass sie irgendwann Stammspieler werden könnten." Das habe auch den Zweck, sich frühzeitig um Talente bemühen zu können, die für verschiedene Länder spielen dürfen. "Es gibt die emotionale Komponente – wo sehen sie sich? –, aber auch die sportliche Seite." An dem von einem englischen Medium kolportierten Kontakt zu dem 19-jährigen, in Eisenstadt geborenen Chelsea-Profi Carney Chukwuemeka sei aber nichts dran. "Nach allem, was wir wissen, wird der für England spielen."

Ralf Rangnick war kein Fan des Kaders, den er 2012 bei Salzburg vorfand. "Gott sei Dank sind wir gegen Düdelingen ausgeschieden und haben danach gegen Peter Schöttels Rapid verloren." Das habe den Prozess enorm beschleunigt. "Das war der Inbegriff einer Söldnertruppe. Durchschnittsalter 30 plus, die Spieler haben bei Salzburg gespielt, weil es viel Geld gab und schön zum Wohnen war." Rangnick holte hungrige Jungkicker wie Sadio Mané und Kevin Kampl, der Rest ist österreichische Fußballgeschichte.

Die Busparty

Ralf Rangnick ist unter bestimmten Umständen durchaus ein Fan von Bierkisten. Die Genese des Nationalteamsongs Hoch g’winn mas (n)imma war größtenteils bekannt: Nach dem Sieg gegen Italien feierte die Mannschaft auf der Busfahrt ins Hotel eine Austropop-Party. Auch diese Episode reicherte Rangnick am Mittwoch um ein paar Details an: "Kevin Danso hat da hinten mitgegroovt, das war ein Bild für Götter. Peter Schöttel hat aus voller Kehle gesungen, und der ganze Bus hat gewackelt. Nachdem wir schon fast beim Hotel waren, haben wir dem Busfahrer gesagt: Komm, drehen wir noch eine Runde um den Ring." Nach einer halbstündigen Ehrenrunde verschwand die Mannschaft in ihre Hotelzimmer, der Trainerstab blieb zurück. "Die Bar war zu, also haben wir eine Kiste Bier aus dem Bus geholt." (Martin Schauhuber, 26.4.2023)