Gerd Honsik war über Jahrzehnte eine zentrale Figur der rechtsextremen Szene in Österreich. Er stand unter anderem im Jahr 2010 vor Gericht (Foto). Er verstarb 2018 in Sopron.

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Österreichische Neonazis bauen ihre internationalen Kontakte aus. Derzeit sind sie dabei, den "1. Gerd Honsik – Europakongress" zu organisieren, der kommenden Oktober im ungarischen Sopron stattfinden soll. Ungarn gilt ihnen als sicherer Hafen. Geredet werden soll über Themen wie "europäische Einigkeit, Europas Freiheitskampf in der Vergangenheit sowie nationale Bewegung und ihre Konzeption". Es ist ein Vernetzungstreffen, zu dem sich militante Rechtsextreme aus halb Europa angekündigt haben. Darunter Vertreter der deutschen Kleinstpartei "III. Weg", der "Nordischen Widerstandsbewegung" aus Skandinavien sowie Aktivisten und Aktivistinnen von Casa Pound, einer einflussreichen rechtsextremen Organisation in Italien, die sich selbst als "Faschisten des 3. Jahrtausends" bezeichnet.

Benannt wurde Casa Pound nach dem US-amerikanischen Dichter und glühenden Bewunderer des italienischen Faschismus, Ezra Pound (1885–1972).

Die Gruppe rund um "Alpen-Donau-Info"

Hinter der Veranstaltung in Sopron an der österreichisch-ungarischen Grenze steht maßgeblich eine Gruppe von Neonazis aus Wien und der Steiermark, die im Umfeld der mittlerweile eingestellten neonazistischen Webseite "Alpen-Donau-Info" aktiv waren. Sie treten mittlerweile unter verschiedenen Namen auf, etwa "Sozialismus jetzt", "Unwiderstehlich" oder "Infokanal Deutschösterreich" und unterhalten enge Kontakte zur Kampfsport- und Hooliganszene. Der Kern der Gruppe und ihr Umfeld werden auf 200 Personen geschätzt. Ideologisch verstehen sie sich als orthodoxe Nationalsozialisten, deren Leitbild das 25-Punkte-Programm der NSDAP ist. Der harte Kern der Aktivisten und Aktivistinnen ist oft dort zu finden, wo auch der Neonazi Gottfried Küssel zu finden ist, bei Corona-Demonstrationen oder bei einer Gedenkveranstaltung für den NS-Flieger Walter Nowotny.

Einige der Neonazis waren enge Weggefährten des 2018 verstorbenen Gerd Honsik, dem Namensgeber des geplanten Kongresses. Dieser war über Jahrzehnte eine zentrale Figur der Szene. Er beteiligte sich an terroristischen Anschlägen, war in einschlägigen Parteien und Organisationen aktiv und galt als einer der bekanntesten Holocaust-Leugner Österreichs.

Sein Ziel war es, den Nationalsozialismus weißzuwaschen. Dafür gab er Zeitschriften und Bücher heraus, in denen der Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen geleugnet wurde. In seinem Buch "Freispruch für Hitler? 37 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer" druckte er ein Interview mit dem in Syrien untergetauchten NS-Kriegsverbrecher Alois Brunner ab. In seiner Zeitschrift "Halt" schrieb er vom "Gaskammer-Betrug von Mauthausen". Mehrfach stand er deswegen vor Gericht, mehrfach wurde er zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Honsik in den 1980er-Jahren. Damals war auch der spätere FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in seinem Umfeld zu finden.
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In den Jahren vor seinem Tod hatte Honsik keinen besonderen Einfluss mehr. Mit Holocaust-Leugnung oder allzu offener Hitler-Verehrung war er aus der Zeit gefallen. Gruppen wie die Identitären stahlen ihm die Show, indem sie einen Rechtsextremismus ohne Hakenkreuz propagierten.

Der militanten Neonaziszene gilt er als Säulenheiliger. Der "1. Gerd Honsik – Europakongress" ist eine Hommage an Honsik und ein Lebenszeichen des Milieus. Beachtlich an der Veranstaltung ist, dass österreichische Neonazis sie gemeinsam mit italienischen Faschisten durchführen.

"Pöbel"

Derartiges wäre vor wenigen Jahren wohl noch unmöglich gewesen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wären sich vermutlich bei der ersten Erwähnung des Wortes "Südtirol" in die Haare geraten. Für österreichische Neonazis ist Südtirol "deutsch", wie sie immer wieder betonen. Die Grenze am Brenner ist für sie nicht akzeptabel. Casa Pound hingegen setzte in Südtirol immer wieder Provokationen gegen die deutschsprachige Bevölkerung, so wurden Tiroler Denkmäler verdeckt oder offen der Besatzungspolitik Mussolini gehuldigt. Die FPÖ bezeichnete Casa Pound im Jahr 2012 in einer Aussendung gar als "Pöbel".

Bei den österreichischen Rechtsextremen kommt dazu, dass fast eine ganze Generation beim sogenannten Südtiroler Freiheitskampf in den 1960er-Jahren mitmischte. Damals war auch Honsik dabei, der unter anderem mit Gesinnungskameraden Brandbomben gegen die italienische Botschaft in Wien warf. Andere Neonazis aus Österreich und Deutschland griffen Bahnhöfe in Italien mit Molotowcocktails an, legten Bomben und schossen auf Carabinieri, italienische Soldaten und Zollbeamte. Sie gaben sich selbst die Lizenz zum Töten und sorgten maßgeblich für eine Eskalation des Konflikts, der rund 30 Tote forderte.

Bombenjahre in Südtirol. Was als Krieg gegen Strommasten begann, endete mit über 30 Toten.
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Heute gelten die Attentäter aus jenen Jahren als lebende Ikonen der Szene. Etwa der Olympia-Burschenschafter Herbert F., der bei Demonstrationen der Identitären in Wien ebenso zu finden ist wie als Redner bei Gedenkveranstaltungen für Honsik. Der ehemalige Lehrer gilt als graue Eminenz des österreichischen Rechtsextremismus, der gerne von "früher" erzählt.

Dieses "Früher" spielt bei Casa Pound aktuell keine große Rolle. Statt auf völkischen Nationalismus und Provokationen wird hauptsächlich auf Rassismus und Stimmungsmache gegen Geflüchtete gesetzt. Nicht zufällig nehmen europäische Rechtsextreme immer wieder Anleihen an deren Habitus, Strategie und Symbolik.

Das Logo von Casa Pound.
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Neben Kontakten zu den Identititären in Wien unterhält die Gruppe auch beste Beziehungen nach Deutschland, zum "III. Weg", einer klassischen neonazistischen Partei, deren Mitgliedern von den Sicherheitsbehörden eine hohe Gewaltbereitschaft attestiert wird. Nach Österreich sind Kontakte zu Küssel bekannt.

An der Seite der Ukraine

Mit den deutschsprachigen Neonazis teilen sich viele Casa-Pound-Leute ihre Position zum Ukrainekrieg. Sie stehen auf der Seite der Ukraine, während die sogenannte neue Rechte überwiegend zu Russland hält. Personen aus dem Umfeld von Casa Pound und dem "III. Weg" kämpfen in der Ukraine gegen die russischen Truppen. Ein deutscher Neonazi erklärte vor einigen Monaten in einem Interview mit dem "III. Weg", dass es seine Pflicht sei, "Putin und seinen Neo-Bolschewismus zu bekämpfen". Er wolle nicht zusehen, wie die "rote Pest" Europa "verseucht". Deswegen sei er in der Ukraine. Auch österreichische Neonazis unterhalten zumindest Kontakte zu Kämpfern an der Front, die an der Seite der Ukraine stehen. (Markus Sulzbacher, 5.5.2023)