Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will den Wahlarztsektor stärker regulieren und zum Beispiel einen Deckel bei der Verrechnung einziehen.

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Wien – Der niedergelassene Gesundheitsbereich auf Kasse weist immer mehr Lücken auf. Das führt dazu, dass über die Zukunft des Wahlarztsystems zunehmend Diskussionen geführt werden. Schadet das Wahlarztsystem dem niedergelassenen Bereich auf Kasse, oder stützt es dieses vielmehr? Muss es weg, oder braucht es mehr Regeln in diesem System?

Der Gesundheitsminister sucht hier einen Mittelweg: Es müsse für Ärzte weniger attraktiv werden, in die Wahlarztpraxis zu gehen, sagte Johannes Rauch (Grüne) am Mittwoch in der Diskussionsreihe "Klartext" des ORF-Radios Ö1. Rauch schweben verschiedene Ansatzpunkte vor: zum Beispiel einen Deckel bei der Verrechnung einzuziehen oder die Wahlärzte zu verpflichten, den Kassenanteil der Behandlung elektronisch abzurechnen, weiters die Pflicht zur Verwendung der elektronischen Gesundheitsakte Elga und einer Diagnosecodierung.

Wahlärzte mit E-Card-Anbindung

Ein paar erste kleine Schritte in die Richtung, in die Rauchs Ideen weisen, sind in Umsetzung, von Verpflichtungen sind sie aber weit entfernt. So gibt es für Ärztinnen und Ärzte, die eine Wahlarztpraxis neu anmelden, seit Mitte 2022 eine österreichweit einheitliche Rezepturbefugnis. Wenn sie diese haben wollen, müssen sie auch das E-Card-System verwenden, dann können sie E-Rezepte ausstellen. Es gibt aber auch einen Weg am E-Card-System vorbei – dann können sie Privatrezepte ausstellen. Auch bereits bestehenden Wahlärzten steht die Verwendung des E-Rezepts offen, sie ist aber generell kein Muss.

Außerdem gibt es eine Software für Wahlärztinnen und Wahlärzte, Wahlzahnärzte und Wahltherapeutinnen namens "WAH online", mit der von Patientinnen und Patienten bereits bezahlte Honorarnoten elektronisch an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) übermittelt werden können. Die Software nützt zwar ein steigender Teil (2022 wurden so 351.800 Honorarnoten übermittelt), der Anteil am Gesamtaufkommen von rund fünf Millionen Honorarnoten von Wahlärzten, Wahlzahnärztinnen und Wahltherapeuten ist aber noch sehr klein. Zwar dürfen nur bereits bezahlte Rechnungen vom Arzt eingereicht werden, Patientinnen und Patienten müssen also immer noch die volle Summe bezahlen, es erleichtert den Versicherten aber den Weg zur Rückerstattung jenes Teils, den die Kasse übernimmt.

Gespräche über digitale Codierung laufen

Die Wahlärztin beziehungsweise der Wahlarzt ist bei "WAH online" nicht gezwungen, seine Leistungen genau aufzuschlüsseln oder gar eine Diagnosecodierung, wie ebenfalls von Rauch gefordert, anzugeben. Über das Eingeben von Codes statt Begriffen für Diagnosen, wodurch die statistische Erfassung vereinfacht werden soll, werden laut Edgar Wutscher, Obmann der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer, derzeit generell Gespräche geführt. Die Diagnosecodierung gebe es bereits bei den Primärversorgungseinheiten, aber noch nicht im Wahlarztbereich, genauso wenig aber bei niedergelassenen Kassenärztinnen und Kassenärzten, sagte Wutscher dem STANDARD.

Die einheitliche Aufbereitung von Gesundheitsdaten ermögliche unter anderem "eine bessere Planung von Ressourcen im Gesundheitssystem oder ein rasches und zielgerichtetes Eingreifen im Falle einer Epidemie", hieß es am Donnerstag auf Nachfrage aus dem Gesundheitsministerium. Diese Daten gebe es, sie würden aktuell "jedoch nicht bestmöglich" im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie der Angehörigen der Gesundheitsberufe genutzt.

Attraktivierung als Hauptziel

Zu Rauchs Regulierungsvorstellungen das Wahlarztsystem betreffend meint Wutscher, er verstehe nicht, warum so viel über das Wahlarztsystem geredet werde und sich "keiner wirklich endlich um eine Attraktivierung des Kassensystems" kümmere. Wer Wahlarzt werden wolle, werde das machen, ob mit Verpflichtung zur E-Card oder dergleichen oder ohne, meint der Kammerfunktionär. Der Kassenbereich müsse zum Beispiel entbürokratisiert werden. Der Wiener Obmann der niedergelassenen Ärzte, Erik Randall Huber, schlägt einen einheitlichen Leistungskatalog vor, der für alle niedergelassenen Ärzte inklusive Ambulanzen und Tageskliniken gelten sollte.

Rauch gehe es nun sehr wohl "vor allem darum, die Tätigkeit als Kassenärztin deutlich attraktiver zu gestalten", hieß es am Donnerstag auf Nachfrage noch aus dem Gesundheitsministerium. Man arbeite dafür an einer Reihe von Maßnahmen. Die wichtigste sei der Ausbau der Primärversorgung. Durch die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie anderen Gesundheitsberufen gebe es flexible Arbeitszeiten und im Bereich der Allgemeinmedizin werde die Einführung des Facharztes für Familien- und Allgemeinmedizin zusätzlich zu einer Aufwertung des Berufs beitragen.

Hacker für teilweise Kassenverpflichtung

Radikalere Einschnitte ins Wahlarztsystem lehnt Rauch ab, etwa eine generelle Abschaffung, was hieße, nur noch Kassen- oder reine Privatärzte zuzulassen, wie es ÖGK-Funktionär Andreas Huss vorgeschlagen hatte. Für Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wäre es denkbar, jeden Arzt, der eine Praxis eröffnet, dazu zu verpflichten, zumindest einen Teil der Patienten auch auf Kasse zu behandeln. Es brauche Rahmenbedingungen, bei denen den Ärzten klar sei, dass sie Teil des Versorgungssystems seien, sagte Hacker bei der Ö1-Diskussion Mittwochabend.

ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer wandte ein, dass ohnehin nur sechs Prozent der Kassenhonorarsumme an Wahlärzte gingen – wobei Hacker argumentierte, dass viele Rechnungen gar nicht eingereicht würden, weil so wenig refundiert werde. (Gudrun Springer, 27.4.2023)