So unspektakulär eine Wärmepumpe aussehen mag, so groß ist ihre Wirkung. Viessmann verkauft seine Heizungssparte an einen Mischkonzern in Florida,

Foto: Imago Images / Manfred Segerer

Allendorf/Eder – Der Chef des US-Konzerns Carrier Global, David Gitlin, suchte nach der vereinbarten Übernahme des Wärmepumpen-Geschäfts des deutschen Familienunternehmens Viessmann, Zweifel zu zerstreuen und Befürchtungen zu drohenden Sparmaßnahmen auszuräumen. "Es geht nicht um Jobabbau. Wir kommen nicht, um Fabriken zu schließen – im Gegenteil", sagte Gitlin in einer Konferenzschaltung mit Investoren und Finanzanalysten.

"Wir kommen, um in Deutschland zu investieren, um in die Belegschaft zu investieren, in Wachstum zu investieren", verkündete der Carrier-Chef. Viessmann sei ein "phänomenales" Unternehmen, das "gewaltige" Gelegenheiten biete.

Die rund 11.000 Beschäftigten des auf Gasheizungen spezialisierten, Klimatechnikunternehmens aus Hessen begrüßte Gitlin als neuen "Teil unserer Familie". Anleger sehen den Verkauf des Viessmann-Hauptgeschäfts allerdings skeptisch und drückten den Kurs von Carrier-Aktien kräftig nach unten.

80 Prozent des Verkaufserlöses bekommt die Familie Viessmann in Cash, den Rest in Aktien des Käufers.
Foto: AFP / Yann Schreiber

Mit dem Zusammenschluss von Viessmann Climate Solutions und Carrier, einer Tochter des Mischkonzerns United Technologies, entstehe ein "zukunftssicherer globaler Klimachampion", warb Firmenchef Max Viessmann um Akzeptanz. Allein sei man zu klein, sagte er dem "Handelsblatt".

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den Verkauf grundsätzlich positiv, er lässt den Deal aber im Lichte eines drohenden Ausverkaufs von Technologie genau prüfen.

80 Prozent in bar

Viessmann erhält 80 Prozent des Kaufpreises in bar, 20 Prozent in Form von Carrier-Aktien und wird dort Großaktionär, Max Viessmann zieht in den Verwaltungsrat von Carrier ein.

Seitens der deutschen Monopolkommission ist eher kein Einspruch gegen den Verkauf der Heiztechniksparte des deutschen Heizungs- und Klimatechnikspezialisten Viessmann zu erwarten. Der Vorsitzende der Kommission, Jürgen Kühling, geht davon aus, dass die Veräußerung an den US-Konzern Carrier Global durchgewunken wird. "Die Prüfung dieser Fusion durch die Kartellbehörden wird zeigen, ob damit Wettbewerbsprobleme verbunden sind. Es spricht nicht viel dafür", sagte Jürgen Kühling der Rheinischen Post.

Skisprung-Fans ist Viessmann ein Begriff – im Bild der Österreicher Stefan Kraft Anfang April in Planica in Kranjska Gora.
Foto: Imago / Newspix

"Mit dem sprunghaften Anstieg der Wärmepumpen-Nachfrage in Deutschland aufgrund des geplanten Verbots von Gas- und Ölheizungen kommen auf die Hersteller offensichtlich rosige Zeiten zu", sagte Kühling. Dies rufe natürlich ausländische Anbieter auf den Plan, was für die Verbraucher nur gut sein könne.

Expertin warnt vor Abhängigkeiten

Die Bau- und Energieexpertin Lamia Messari-Becker sieht es genau andersrum. Sie warnte beim Bezug von Wärmepumpen vor einer Abhängigkeit von großen Konzernen in China, Südkorea und den USA. Denn nur diese könnten die notwendigen Millionenstückzahlen liefern. Die deutsche Branche sei vor allem mittelständisch geprägt, sagte die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen: "Was bisher eine Stärke war, droht nun durch Fehlentscheidungen verloren zu gehen."

Messari-Becker kritisierte außerdem, Habeck setze bei der Wärmewende zu sehr auf die strombasierten Wärmepumpen. "Das ist ein Holzweg." Neben der Wärmepumpe müssten auch wasserstofffähige Heizungen, Fern- und Nahwärme, Erdwärme, Bioenergie sowie kommunale Wärmepläne mit erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen.

Geschockt hatte die Ankündigung des mit Gasheizungssystemen groß gewordenen Familienbetriebs jedenfalls. Denn Viessmann gehört zu den Profiteuren der Energiewende mit dem großflächigen Umstieg von Gas- auf Stromheizungen, respektive Wärmepumpen. Carrier bietet umgerechnet zwölf Milliarden Euro.

Die Produktion im Viessmann-Werk im hessischen Allendorf. Der Bedarf an Wärmepumpen steigt mit der Energiewende. Aus eigener Kraft könnte Viessmann die Produktion nicht rasch genug steigern.
Foto: Reuters / Fabian Bimmer

Die deutschen Hersteller seien im internationalen Vergleich eher klein und vergleichsweise abgeschottet, weil die Handwerker über Fachschulungen und Kundendienst eng an Hersteller wie Viessmann oder Bosch gebunden seien, erklärte Kühling. Perspektivisch werde sich das ändern, wenn die großen Hersteller aus Japan, Korea oder China ihr Angebot in Europa ausweiten. "Größere Produktionszahlen ermöglichen die Nutzung von Skalenerträgen, was wiederum die Herstellerpreise senken dürfte"

Ein finanzstarker Partner ist dabei von Vorteil, für die Verbraucher sowieso. Carrier Global aus Florida bekommt mit der Übernahme des Hauptgeschäfts von Viessmann Zugang zum deutschen Markt. Und Viessmann ist das in Europa erklärtermaßen vom Aussterben bedrohte Geschäft mit Gasheizungen los. Viessmann habe zwar Investitionen für die großflächige Erweiterung der Wärepumpenproduktion geplant, es fehlte aber die kritische Masse, heißt es in Finanzkreisen.

Viessmann gehört neben Bosch (Buderus) und Vaillant zu den größten deutschen Heizungsherstellern. Vom Verkauf betroffen sind 11.000 der 15.000 Viessmann-Mitarbeiter. Sie bekommen 106 Millionen Euro als Sonderbonus. (ung, Reuters)