Früh wieder arbeiten, möglichst lange stillen: Die Ansprüche an Mütter sind oft paradox.

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Mütter sollen möglichst lange stillen, das sei das Beste für ihr Baby. Frauen sollen möglichst schnell wieder in ihren Job, das sei das Beste für ihre Pensionen. Mütter und Frauen sollen sich in politische Prozesse einbringen, das sei das Beste für baldige Gleichberechtigung.

Die Ansprüche an Frauen sind, vorsichtig ausgedrückt, vieldimensional. Es ist ein Leistungsprofil, dem man aus vielerlei Gründe nie gerecht werden kann. Sei es wegen profaner Müdigkeit, des verständlicherweise fehlenden Willens zu politischer und beruflicher Teilhabe in jeder Phase des Lebens oder wegen alltäglicher Umstände wie ständiges Kranksein der Kleinen oder Schwierigkeiten mit außerfamiliärer Kinderbetreuung. Doch die heftige Kritik an der grünen Gemeinderätin Janine Bex zeigt: Selbst wenn man Arbeit, Stillen und Präsenz unter einen Hut bringen will, ist es längst nicht gut.

Bilder von Mutterschaft

Bex wurde in einer Innsbrucker Gemeinderatssitzung harsch dafür kritisiert, dass sie bei einer langen Sitzung ihr Baby dabeihatte und auch noch ein Bier trank, und zwar aus der Flasche. Es war ein alkoholfreies Bier. Tatsächlich empfehlen viele Hebammen isotonische Getränke während der Stillzeit, da das in der Gerste enthaltene Hormon Prolactin den Milchfluss fördern soll.

Ob das Bier alkoholfrei sei oder nicht, tue nichts zur Sache, sagen unter anderem SPÖ-Gemeinderät:innen, die sich über Bex echauffierten. Das seien keine "Manieren", und hier jetzt mit Sexismus zu argumentieren sei deplatziert. Darum gehe es gar nicht.

Was für ein Unsinn. Natürlich spielt ein bestimmtes Bild von Mutterschaft eine Rolle.

Jede Frau, die mit Kleinkind unterwegs ist, kennt die kritischen Blicke. Wenn es nach 19 Uhr ist, wenn man ein Getränk vor sich stehen hat, das nach Alkohol aussieht. Wenn man das Baby dabeihat, wo es angeblich nicht hingehört. Dass das Baby, auch in einem Lokal oder bei einem Sitzung, friedlich schläft, tut nichts zur Sache. Die Blicke vermitteln: Dein Baby und somit auch du, ihr gehört nach Hause.

Nicht für, sondern mit Frauen

Die Ansprüche an Mütter sind nicht nur umfassend, sie sind auch völlig widersprüchlich. Eine Mama muss immer fürs Baby da sein, aber bitte am richtigen Ort (daheim), gleichzeitig darf man nicht das "Hausmütterchen" geben.

Es ist dringend geboten, die Umstände für Frauen so zu gestalten, dass sie auch mit kleinen Kindern mitmischen können. Und jeder Einzelne kann etwas dafür tun, indem man sich seine verurteilenden Blicke einfach spart.

Insbesondere Politiker:innen sollten hier ein Vorbild sein. Umso enttäuschender, dass viel Kritik auch aus der SPÖ kam. Einst bezeichnete gerade deren wichtigste Frauenpolitikerin Johanna Dohnal es als "Grundmuster" ihrer Politik, nicht "für Frauen" Politik zu machen, sondern "mit den Frauen". So wird das allerdings nichts. (Beate Hausbichler, 29.4.2023)