Die OMV hat in Österreich bei Gas einen Marktanteil von knapp 40 Prozent. Die Entscheidung, ob ein riesiges Gasfeld im Schwarzen Meer entwickelt werden soll, wird spätestens im Sommer getroffen.

Foto: Getty Images / Valerii Vtoryhin

In den nächsten Wochen dürfte sich entscheiden, ob die OMV eine ihrer größten Einzelinvestitionen tätigen wird oder nicht. Es geht um Neptun Deep im rumänischen Teil des Schwarzen Meeres, wo 170 Kilometer vor der Küste in 100 bis 1.000 Metern Tiefe bis zu 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas liegen dürften. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr knapp neun Milliarden Kubikmeter Erdgas. "Die finale Investitionsentscheidung wird sich daraus ergeben, dass wir Risiken gegen Rentabilitäten abwägen müssen", sagte OMV-Chef Alfred Stern am Freitag bei der Präsentation der Zahlen zum ersten Quartal.

Die Entscheidung "Daumen hoch, Daumen runter" soll bis Mitte des Jahres getroffen werden, bekräftigte Stern. Mögliche Risiken seien nicht nur technischer Natur, sondern auch fiskalischer. Bei einer Gesamtinvestitionssumme von vier Milliarden Euro, wovon etwa die Hälfte von der OMV zu tragen wäre, müssten alle Eventualitäten in Betracht gezogen und das Projekt genauestens auf seine Ertragskraft abgeklopft werden. Was Letzteres betrifft, hat es aus Sicht der OMV vor kurzem wieder eine Verschlechterung gegeben.

Der CEO der OMV, Alfred Stern.
Foto: AFP / Joe Klamar

Vor wenigen Wochen ist im Parlament in Bukarest eine Dringlichkeitsverordnung für eine Übergewinnsteuer durchgewinkt worden. Demnach sollen 60 Prozent der Gewinne aus Öl- und Gasgeschäften rückwirkend ab 2022 für zwei Jahre an den rumänischen Staat abgeführt werden. Den Öl- und Gaskonzern Petrom, der mehrheitlich der OMV gehört und Neptun Deep realisieren soll, könnte das einen höheren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag kosten, wird kolportiert.

"Wir können das nicht diskutieren, weil es noch keine Stellungnahme von der Regierung gibt", sagt Stern zur Causa. Noch im Herbst hatte der rumänische Staatschef Klaus Johannis Druck gemacht, die OMV möge schnellstmöglich das auch für Rumänien wichtige Projekt angehen. Auch wenn alles klaglos funktionieren sollte – vor 2027 wird wegen notwendiger Vorarbeiten kein Gas aus diesem Feld fließen.

Fortschritte und Rückschritte

Gestoßen ist man auf das Gasfeld vor mittlerweile mehr als elf Jahren. Es war der damalige OMV-Chef Gerhard Roiss, der im Februar 2012 am Ende der Bilanzpräsentation für das Jahr 2011 verkündete, man sei im Schwarzen Meer fündig geworden. Roiss damals: "So etwas passiert im Leben eines Managers für gewöhnlich nur einmal." In der Folge gab es Fortschritte, dann wieder Rückschritte. Der US-Konzern Exxon Mobil hat im Vorjahr wegen mangelnder Fortschritte und genervt von den hohen Steuerforderungen für die Offshore-Gasproduktion in Rumänien seinen 50-Prozent-Anteil an den teilstaatlichen rumänischen Gaskonzern Romgaz verkauft. Die Betriebsführung bei Neptun Deep liegt seitdem in den Händen der OMV.

Die Zentrale von Österreichs größtem Industriekonzern OMV in Wien.
Foto: APA / Hans Punz

Das Geld zum Investieren hätte die OMV. Das zurückliegende erste Quartal 2023 hat dem Öl-, Gas- und Chemiekonzern zwar nicht mehr so hohe Gewinne beschert, wie das im Ausnahmejahr 2022 Quartal für Quartal der Fall war. Mit einem CCS-Ergebnis (Betriebsergebnis, bereinigt um einmalige Sondereffekte und Lagerhaltungsgewinne bzw. -verluste) von 2,1 Milliarden Euro (erstes Quartal 2022: 2,6) und einem Nettogewinn von 592 (855) Millionen Euro war es dennoch das zweitbeste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte. Der Cashflow aus der Betriebstätigkeit ist leicht auf zwei Milliarden Euro zurückgegangen.

Chemie schwächelt

Zur Begründung für den geschrumpften Gewinn, der sich auch in einem Rückgang des Umsatzes um 31 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro spiegelt, wies Stern auf die gesunkenen Preise für Rohöl und Gas hin.

Schwäche zeigt seit geraumer Zeit aber auch die Chemiesparte des Konzerns, die in der Strategie von Stern eine zentrale Rolle spielt. Von Jänner bis März summierte sich das Minus beim operativen Ergebnis vor Sondereffekten hier auf 84 Prozent. Statt 584 Millionen Euro gab es unterm Strich nur noch 94 Millionen Euro. Grund dafür seien sowohl niedrigere Margen als auch Verkaufsmengen, dazu signifikant negative Lagerbewertungseffekte sowie ein niedrigerer Beitrag des Stickstoffgeschäfts der Kunststofftochter Borealis, sagte Stern. Auch für das Gesamtjahr 2023 rechnet der OMV-Chef mit niedrigeren Chemie-Margen als im Vorjahr. (Günther Strobl, 28.4.2023)