Nan Madol, das zum Inselstaat Mikronesien gehört, zählt zum Unesco-Welterbe.
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Künstliche Inseln gibt es nicht erst seit dem berühmten "Palm Islands"-Projekt in Dubai, für das Sand und Steine im Persischen Golf aufgeschüttet wurden, um darauf Wohnbauten und Hotels zu errichten. Anzeichen für von Menschen errichtete Inseln reichen bis ins alte Ägypten und in die Jungsteinzeit zurück, wovon etwa die irischen und schottischen "Crannóg"-Inseln zeugen.

Zu den besonders beeindruckenden Bauwerken zählt die Stadt Nan Madol im Westpazifik, die auch als "Venedig des Pazifik" bezeichnet wird. Sie zählt heute zum ozeanischen Inselstaat Mikronesien und wurde auf mehr als 100 künstlich angelegten Inseln erbaut. Vor der natürlichen Küste der Insel Pohnpei wurde die Stadt mit ihren Prachtbauten auf Basaltblöcken errichtet, die mit Korallensteinen verbunden wurden. Dort lebten die Könige der Saudeleur-Dynastie. Ein aktuelles Forschungsergebnis, das bei einer geologischen Fachkonferenz in Wien vorgestellt wurde, zeigt: Die Königsstadt wurde schon im 11. Jahrhundert gebaut und ist damit mehr als 200 Jahre älter als angenommen.

Die künstlich angelegten Inseln befinden sich im Pazifik nordöstlich von Papua-Neuguinea und sind auf dem Satellitenbild zu erkennen.

Inseln in Fußballfeldgröße

Im mikronesischen Archipel der Karolinen wurden die Bauwerke, die heute von Kokospalmen und Bananenstauden überwuchert sind, "aus über dreihunderttausend Kubikmetern Steinmaterial konstruiert", erklärte der Forscher Chuuan-Chou Shen von der Nationaluniversität Taiwan in Taipei. "Der dafür verwendete Basalt und die Korallensteine zum Füllen der Lücken hatten ein Gesamtgewicht von mehr als einer halben Million Tonnen."

Die Stadt war einst der Mittelpunkt eines Königreichs, erklärte der Wissenschafter bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU). Insgesamt bedeckte sie rund einen Quadratkilometer, die einzelnen Inseln haben im Schnitt Fußballfeldgröße.

Radioaktiver Zerfall

Aufgrund mündlicher Überlieferungen und Zerfallsdatierungen von radioaktivem Kohlenstoff habe man bisher angenommen, dass Nan Madol im 13. bis 14. Jahrhundert errichtet und im 16. bis 17. Jahrhundert aufgegeben wurde, sagte Chuuan-Chou Shen. In der über 150 Jahre währenden Forschungsgeschichte über die ungewöhnliche Siedlung sei man sich aber immer unsicher gewesen, zu welcher Zeit sie tatsächlich genutzt wurde.

Blick auf Nan Madol aus der Vogelperspektive.
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Ein Fachteam hat nun das Alter von 148 Korallensteinen aus verschiedenen Bauwerken wie dem mutmaßlichen Königspalast mittels Uran-Thorium-Datierung bestimmt. Die Methode basiert auf dem radioaktiven Zerfall wasserlöslicher Uran-Isotope, also Varianten von Uran mit unterschiedlicher Masse. Sie werden dabei zu unlöslichem Thorium. Die Elemente können in Steinritzen eindringen und werden dort eingelagert. Damit beginnt quasi die von Fachleuten ablesbare Uhr zu ticken.

Einfluss der Klimaveränderungen

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Baubeginn zwischen den Jahren 1055 und 1075 war", sagte Chuuan-Chou Shen. Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die Bautätigkeit eingestellt – genauer gesagt mit dem Jahr 1411. "Unsere Studie zeigt also, dass der Bau von Nan Madol zwei bis drei Jahrhunderte früher stattfand als bisher angenommen."

Weil die Entstehung und das Auflassen der Stadt mit dem Aufstieg und Fall der Saudeleur-Dynastie verbunden sind, kam und ging auch diese eher als geglaubt. Mitverantwortlich für diese geschichtlichen Vorgänge seien wahrscheinlich Klimaänderungen. In der Region veränderten sich die Meeresströmungen durch das Phänomen El Niño, außerdem sei der Meeresspiegel durch Bewegungen in der Erdkruste angestiegen. (APA, red, 2.5.2023)