Über ein Jahr hat es in Talavera de la Reina im Westen der kastilischen La Mancha keinen Tropfen geregnet. Und in Tomelloso nahe der Weinbauregion Valdepeñas hat man den heurigen Winterweizen zur Gänze verloren (von 40–60 Prozent Ausfällen spricht man landesweit). 135 Tage ohne Regen sorgten dafür, dass das Ackerland handtiefe Risse aufweist. Auf der Fahrt durch die karge Hochebene der La Mancha Richtung Süden, auf der sonst um diese Jahreszeit noch etwas Grün auf den mit Windmühlen gekrönten Hügeln schimmert, ist alles verdorrt. Man sieht aufgegebene Weinparzellen und Reben, an denen nie mehr ein Blatt austreiben wird.

Die spanische Sonne, nach der sich viele in Zentraleuropa nach dem schier nicht enden wollenden kalt-nassen Winter so sehr sehnen, sorgt hier landesweit seit Monaten für tiefe Sorgenfalten. Die hydrologischen Reserven, die in Stauseen gespeichert auch für ein paar Dürrejahre reichen sollten, liegen deutlich unter den für die Jahreszeit typischen Mittelwerten. Manche sind bereits versiegt, wurden aufgelassen, aus den meisten ragen die Kirchtürme untergegangener Städte nach Jahrzehnten wieder empor.

Ein Wasserzähler in einem ausgetrockneten Feuchtgebiet. Mit ergiebigen Regenfällen ist bis zum Herbst nicht mehr zu rechnen.
Foto: AP/Bernat Armangue

Mit ergiebigen Regenfällen ist ohnehin bis zum Herbst nicht mehr zu rechnen. Die vergangene Woche war geprägt von der ersten extremen Hitzewelle – viel zu früh – im Jahr. Temperaturrekorde purzelten, in der Extremadura – in Mérida und Badajoz – maß man am Donnerstag 37 Grad Celsius, die Höchstwerte beider Städte, seit es Aufzeichnungen gibt. Das Weideland für die Rinderzucht der südwestspanischen Region ist vertrocknet. Tierfutter muss längst teuer zugekauft werden. Und auch die Stein- und Korkeichen, die den Ibérico-Schweinen die Eicheln zur Mast für den feinen Rohschinken liefern, leiden offensichtlich unter dem "hydrologischen Stress".

Ausnahmezustand

Auch die Olivenblüte setzte diese Woche ein, doch selbst dieser robuste mediterrane Baum leidet. Nach der schlechten Ernte im vergangenen Winter kündigte der weltgrößte Produzent Deoleo unmittelbare weitere Preissteigerungen beim "grünen Gold" an. Neben dem Süden Spaniens leidet auch das nordostspanische Katalonien seit über einem Jahr an einer nicht enden wollenden Trockenperiode: "Wir befinden uns seit einem Jahr im Ausnahmezustand", bringt es Xavier Díaz, Direktor des Bewässerungsverbands Comunidad de Regantes del Canal de Urgell, im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen TVE auf den Punkt: "Wenn es nicht regnet, werden die Folgen katastrophal sein. Seit 80 Jahren hat man nicht derart wenige Niederschläge in der Region gemessen."

Wassermanagement als Politikum

"Spanien ist global gesehen überaus wettbewerbsfähig in Sachen Landwirtschaft", sagt der Makroökonom Santiago Carbó von der Universitat de València im STANDARD-Gespräch." Aber wir müssen unser Wassermanagement drastisch verbessern. Es gibt Flusstäler, die auf extremen Minimalständen stehen. Oftmals wurde leider auch in der Vergangenheit, wie in der Gegenwart, das Wassermanagement zum Politikum. Wie etwa Tajo-Wasser für den Segura nach Murcia, sagt der Ökonom: "In erster Linie ist es ein Infrastrukturproblem", betont Carbó. "Und spanientypisch ist es, erst zu reagieren, wenn es fast zu spät ist." Zu all dem komme, dass die regierenden Sozialisten (PSOE) und die rechtskonservative Opposition des Partido Popular diametral unterschiedliche Vorstellungen vom Wassermanagement haben, wie man jetzt überdeutlich im Fall des Nationalparks Coto de Doñana (Huelva, Westandalusien) sehe.

Normalerweise tanken die örtlichen Landwirte in diesem Staudamm Wasser. Wenn er nicht ausgetrocknet ist, so wie hier.
Foto: EPA/JESUS DIGES

Die rechte andalusische Regionalregierung weitete die Anbauflächen für Erd- und andere Beerenfrüchte deutlich aus, mit weitreichenden Bewässerungsrechten, die das einzigartige Feucht- und Vogelschutzgebiet massiv und mit ziemlicher Sicherheit auch irreversibel schädigen werden. Der größte Wasserverbraucher ist in Spanien die Landwirtschaft, betont Carbó. Er geht davon aus, dass das Thema den kommenden Parlamentswahlkampf im November prägen wird. Lösungen liegen dabei nicht alleine in der verstärkten Kooperation und dem Teilen der Wasserressourcen, etwa zwischen Flüssen und Einlaufgebieten, wie Carbó sagt, sondern vor allem am politischen Willen, wegweisende Schritte zu setzen. Er geht zudem davon aus, dass über den Sommer das Angebot und die Qualität sinken werden, bei steigenden Preisen. Was auch den wichtigen Export nach Österreich oder Deutschland betrifft.

Handelspreise steigen in Spanien sukzessive, für Lebensmittel im Jahresvergleich laut Partido-Popular-Generalsekretärin Cuca Gamarra "um 25 Prozent". Die gebotene Qualität sinkt. Ein Tomatenkilopreis von 2,50 Euro für "B-Ware" macht den in heißen Tagen erfrischenden Gazpacho zwar noch nicht zum Luxusgut, aber doch empfindlich teurer als in den vergangenen Jahren. An Wassermangel leiden auch die spanischen Reisanbaugebiete um das Guadalquivir-Delta (Cádiz, Sevilla) und Valencia. Alternative Zuliefernationen wie Marokko oder Tunesien, Italien, Griechenland und die Türkei sind ebenso von anhaltenden Dürren betroffen.

Wo liegen die Lösungen

Lösungen liegen in der Spitzentechnologie, Digitalisierung und Sensortechnik. Es ist ja nicht so, als hätte man in Almería nicht vorausgedacht und -geplant. Auch wenn die Folgen des Klimawandels wohl die Prognosen in den Schatten stellen werden. Ohne die seit Dekaden flächendeckende Tröpfchenbewässerung würde in Spanien ohnehin kaum etwas wachsen. Und sie wird klarerweise bei der extensiven Plantagenwirtschaft von Olivenbäumen oder im Weinbau eingesetzt.

"Wassersparen ist der Kern unseres Unternehmens", sagt José Luis Bustos, Chef von Brio Agro, zum STANDARD. Mit seinem einstigen Start-up kann er mittlerweile auf über 500 Kunden zählen, davon knapp 100 Großkunden. Und das mit Fokus auf das "Plastikmeer" bei Almería zwischen El Ejido, Roquetas del Mar und dem Campo von Níjar am Naturschutzgebiet Cabo de Gata oder an den Küsten der Autonomieregion Murcia, wo "Europas Gemüsekammern" liegen – aber auch in Portugal, Italien und anderen spanischen Regionen, wo Regenwasser karges Gut ist, Katalonien, Aragón, in Navarra oder bei Valladolid etwa (Kastilien-León).

Satellit und Solar

Zu seinen Kunden zählen Blatt- und Salatproduzenten für eine US-amerikanische Fastfoodkette. Ganz gleich, ob es Zitrusfrüchte sind oder wasserintensive subtropische Früchte und Gemüsesorten, wie die Avocado, die in Südspanien in Massen produziert wird – "die meisten Landwirte vertrauen auf ihr Auge, wenn es um Bewässerung geht", sagt Bustos weiter: "Doch vollkommen automatisiert, mit Satellitenbild-Analyse und solarbetriebenen Sensoren zur hydrologischen Messung, sind wir weit exakter." Aktuell arbeitet Bustos in einem EU-Projekt (Gen4Olives) mit Spanien und Italien, um Olivenbäume, die ohne künstliche Bewässerung wachsen, über ein Extremjahr penibel zu analysieren.

Landwirte und andere Gemeindemitglieder versammelten sich hier in einem Dorf in Katalonien, um an einer Messe teilzunehmen, bei der um göttliches Eingreifen zur Lösung der irdischen Krise gebeten wurde.
Foto: AP/Emilio Morenatti

Bustos pocht auf ein Gesamtkonzept, das von der Renaturalisierung der Flusslandschaften, dem Pflanzen von Bäumen in Höhenlagen zur Wasserspeicherung bis hin zum Aufstauen von Flusswasser an der Meeresmündung reicht, gekoppelt an die Wiederaufbereitung von Gebrauchswasser und natürlich den Ausbau der Meerwasserentsalzung. Hier wird ein jeder Tropfen gezählt, denn nachdem über Dekaden die hiesigen Grundwasserspiegel drastisch gesunken sind, liefert die Meerwasserentsalzung das für den extensiven Anbau notwendige Nass.

"Entsalztes Wasser ist teuer, aber es ist immer noch besser, als kein Wasser zu haben", sagt Bustos. Zudem wären durch technologische Fortschritte die Kosten der Entsalzung deutlich gesunken. Eine weitere Zukunftschance sieht er in biologisch abbaubaren Gels, die im Wurzelbereich Wasser und Nährstoffe speichern und, wenn es gebraucht wird, abgeben. Und nachdem Biosiegel keinen Hinweis auf die Wassernutzung geben, ist Bustos dafür, den Wasserverbrauch des Produktes für Konsumenten nachvollziehbar zu machen.

"Immer restriktiver"

Roberto Chaves Álvarez von Deeper Agro 4.0 und Fuensol 2006 mit Sitz in Valladolid (Kastilien-León) arbeitet unter anderem mit 14 Bewässerungsnehmern im Becken des Duero-Flusses, einem wichtigen Weinbaugebiet in Zentralspanien. "Aktuell wird der Wasserverbrauch deutlich eingeschränkt", sagt er im STANDARD-Gespräch. "Wir bewässern nur mir Grundwasser, aktuell liegt das Limit bei etwa 4.800–6.000 Kubikmeter pro Hektar. Es wird immer restriktiver, wenn es darum geht, unsere Anbauflächen zu bewässern."

Die Grundwasserreserven wären am Limit und füllen sich nur kaum nach mit Regen und Schneefällen. Man baue weniger Kartoffeln oder Rote Rüben an und auch wegen der steigenden Preise mehr Weizen und Sonnenblumen. Beim Wein, Ribera de Duero und Rueda, ist der zu erwartende Preisanstieg für Kunden in Österreich mehr an den höheren Preis für Flaschen und Kork und Transport gebunden als an den Wassermangel, betont Chaves Álvarez: "Aber auch trockene, heiße Jahre können für exzellente Weine sorgen, wie im Vorjahr."

Preise gestiegen

Aus der WKO heiß es auf STANDARD-Anfrage, "dass es in Spanien aufgrund der klimatischen Veränderungen schwieriger wird, Früchte und Gemüse anzubauen". Trotzdem habe es in den letzten Jahren auch Ernten mit Rekordmengen gegeben, weil die Produzenten flexibel sind, neue Technologien einsetzen und damit effektiver werden. Das Vorjahr war allerdings ein schwächeres Jahr mit weniger Ertrag, was die Preise um etwa zehn Prozent nach oben trieb. Das schlug sich auch in den Exporten nach Österreich nieder, wo die Mengen zurückgingen oder stagnierten. Allerdings sind die Ernteergebnisse oft von Kulturfrucht zu Kulturfrucht unterschiedlich. Zum Beispiel war die diesjährige Ernte für Erdbeeren nicht gut (Oktober zu heiß, Jänner und Februar zu kalt), während jene für Marillen reichlich ausfallen wird.

Ein Landwirt am Rande von Madrid. So schnell lassen sich die landwirtschaftlichen Produzenten nicht unterkriegen, viele wissen mit der Trockenheit immer besser umzugehen.
Foto: AP/Paul White

Die aktuelle Hitzewelle bewirkt nach Ansicht der Experten per se keine große Änderung bei Erträgen und Preisen, weil Hitzewellen in Spanien bis zu einem gewissen Grad normal sind. "Wenn es allerdings wieder so viele Hitzetage wie im Vorjahr gibt (als die Jahrestemperatur um 1,7 Prozent über dem Vergleichszeitraum 1981–2010 lag) und die Niederschläge unterdurchschnittlich sein werden (im Vorjahr 84 Prozent des Vergleichszeitraums 1981–2010), werden wir wieder ein herausforderndes Jahr sehen", so die WKO.

Zukunft unter Plastikplanen?

An der Universität der andalusischen Provinzhauptstadt arbeitet die italienische Agroingenieurin Francesca Berti aus Bologna an ihrer Doktorarbeit. Doch nicht das Wassermanagement ist ihr Thema, sondern Substrate und biologische Düngemittel, die sie aus den Abfällen der landwirtschaftlichen Produktion der Region und auch Meeresalgen entwickelt. "Die Gewächshaus-Landwirtschaft ist ein komplexes, holistisches System", sagt sie. "Alle Elemente spielen zusammen: natürlich das Wasser, die Nähstoffe, das Substrat wie die Böden und die Hitze." Mit der Digital- und Sensortechnik kann man den Wachstumsprozess bis hin zum Endprodukt extrem effizient gestalten und immer weiter optimieren", macht sie Hoffnung: und Stressfaktoren wie Wassermangel oder extreme Hitze vorzeitig erkennen und gegensteuern. (Jan Marot, 1.5.2023)