Lithium-Abbau in der Atacama-Wüste in Chile. Die Ressourcen sind begrenzt, dennoch wird Raubbau betrieben.

Foto: AP / Rodrigo Abd

Am Dienstag und Mittwoch, findet in Salzburg das fünfte nationale Ressourcenforum statt wo sich Vertreter aus Industrie, Landwirtschaft und anderen Bereichen zum Thema Nachhaltigkeit austauschen. Die Eröffnungsansprache hält Petra Künkel, Mitglied des Exekutivkomitees des Club of Rome und Ehrenpräsidentin des Collective Leadership Institute. Der STANDARD hat die Expertin für Ressourcenmanagement vorab telefonisch in Deutschland erreicht.

1972 prognostizierten Forscherinnen Mitte des Jahrhunderts einen gesellschaftlichen Zusammenbruch. Heute sind wir immer noch auf dem Weg dorthin. Warum und er verhindert werden kann
DER STANDARD

STANDARD: Der Ressourcenverbrauch schreitet mit Riesenschritten voran. Was kann, was soll man tun?

Künkel: Ein Bewusstseinswandel muss her. Wahrnehmen und transparent machen, wie die Trends verlaufen und wie die Entwicklungen sind, das ist entscheidend. Und der zweite Schritt ist, in den nationalen und internationalen Gremien eng mit der Wirtschaft zusammen arbeiten und schauen, wie das Thema Ressourcen in den Vordergrund gestellt werden kann. Dafür braucht es auch die Unterstützung des Staates

STANDARD: Inwiefern?

Künkel: Man braucht staatliche Regulierungen, sonst geht so rasch nichts weiter. Der freie Markt löst das Problem nicht. Es ist aber auch wichtig, dass die Unternehmen selbst aktiv werden und Strategien vorlegen, wie der Ressourcenverbrauch eingeschränkt werden kann. Da gibt es Vorreiter, die das gut machen. Aber auch die Kommunen selbst sollten aktiver werden.

STANDARD: Wie lange dauert es, bis so etwas sickert? Über die Dringlichkeit, den Ressourcenverbrauch einzuschränken, spricht man schon lange, bisher ohne nennenswerte Erfolge?

Künkel: Richtig ist, wir haben bei weitem nicht das erreicht, was wir erreichen müssen. Die Weltbevölkerung wächst stark, das macht Erfolge im kleinen, die es zweifellos gibt, wieder zunichte. Man muss aber auch in Betracht ziehen, dass reiche Länder pro Kopf der Bevölkerung eklatant mehr Ressourcen verbrauchen als ärmere Länder und diese einen Nachholbedarf haben, wenn sie wirtschaftlich aufsteigen wollen.

"Die Klimaneutralität, die wir in der westlichen Welt anstreben, um damit die Emission von Treibhausgasen zum Wohle aller zu senken, erfordert auch wieder Ressourcen, die eigentlich gespart werden sollten", sagt Petra Künkel, Mitglied des Club of Rome.
Foto: Christian Jaeggi

STANDARD: Haben Sie Zahlen bei der Hand, die das untermauern?

Künkel: Grob gerechnet ist es so, dass wir in der industrialisierten Welt rund 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen, die insgesamt zur Verfügung stehen. Das ist eine Schieflage, die so nicht weiter bestehen kann. Gerade in den entwickelten Ländern muss es eine radikale Umkehr geben, was den Ressourcenverbrauch betrifft. Es wird aber noch komplizierter.

STANDARD: Nämlich?

Künkel: Die Klimaneutralität, die wir in der westlichen Welt anstreben, um damit die Emission von Treibhausgasen zum Wohle aller zu senken, erfordert auch wieder Ressourcen, die eigentlich gespart werden sollten. Ich denke da etwa an Seltene Erden. Folglich werden werden wir die Innovation stärker vorantreiben müssen und beispielsweise Batterien entwickeln, die mit weniger oder gar keinem Lithium auskommen. Wir, ich meine damit die EU, müssen da eine Vorreiterrolle in den Industrieländern übernehmen.

STANDARD: Wie viel Individualverkehr können wir uns noch leisten angesichts des Bevölkerungswachstums, das Sie skizziert haben?

Künkel: Wir können uns die Vorliebe nicht nur für SUVs nicht leisten, wir können generell den Individualverkehr, wie wir ihn derzeit gewohnt sind in weiten Teilen der Welt, global nicht leisten. Es ist aber verständlich, dass Leute irgendwo in Afrika mit schlechter oder gar keiner Anbindung an ein öffentliches Personenverkehrsnetz ein individuelles Fortbewegungsmittel brauchen. Das heißt, diese unterschiedlichen Bedingungen müssen berücksichtigt werden.

STANDARD: Da muss auch die Autoindustrie mitspielen?

Künkel: Die ist aber noch im alten Denken verhaftet, verkauft ein Lebensgefühl und vermittelt direkt oder indirekt den Eindruck, alles könne so weitergehen wie bisher. Auch die Elektroautos, die mehr und mehr auf den Markt kommen, sind alles andere als Ressourcen schonend. Sie sind groß, breit und schwer, fast wie kleine Panzer. Deswegen verbrauchen sie insgesamt auch mehr Ressourcen, mehr Parkplätze, mehr von allem. Wir sollten überlegen, welche Art von Mobilität benötigen wir in Zukunft.

Wir können uns den Individualverkehr in der heutigen Form nicht mehr leisten, sagt Fachbuchautorin Petra Künkel.
Foto: Imago / Christopf Hardt

STANDARD: Haben Sie eine Antwort?

Künkel: Künstliche Intelligenz, die es früher nicht gab, kann uns jetzt helfen. Das Problem ist weniger die Stadt als das Land, wo die Öffis nicht so gut ausgebaut sind. Dort könnte man Elektrobusse einsetzen – flottes Design, bequem ausgestatte – die autonom und in rascher Folge zwischen Stadt und Land pendeln. Der private Pkw könnte dann überflüssig werden. Von der Autoindustrie kommt da noch wenig Input. Ein bisschen Carsharing, sonst nicht viel

STANDARD: Es ist mehr als 50 Jahre her, dass der Club of Rome mit der Publikation "Grenzen des Wachstums" auf die Gefahren hingewiesen hat, die ein ungebremster Ressourcenverbrauch nach sich zieht. Am Wirtschaftsmodell wurde aber kaum etwas geändert?

Künkel: Dieser 1972 erschienene Bericht hat Vieles angestoßen, die Grünparteien etwa oder generell die Umweltbewegung. Es wurden erstmals auch Diskussionen zu Klimaschutz auf Bundesebene ausgelöst. Von daher glaube ich, dass der Bericht schon viel bewirkt hat.

STANDARD: Aber es geht immer noch um Wirtschaftswachstum, Wirtschaftswachstum, Wirtschaftswachstum.

Künkel: Das stimmt. Der Bericht von vor 50 Jahren sagt ja auch, dass wir nicht einfach immer weiter wachsen können. Ein Umdenken ist im Gang. Ich kenne eine Menge Leute, die an dem Thema dran sind. Die neoliberale Form des Kapitalismus, die eine Zeitlang en vogue war, hat dazu geführt, dass der Staat sich aus der Daseinsvorsorge zurückgezogen hat. Das vermissen wir jetzt zum Teil schmerzlich, der Staat muss wieder stärker lenken. Die Ungleichheit in den Gesellschaften ist dramatisch gestiegen. Zehn Prozent der reichsten Menschen auf der Welt gehört ungefähr 80 Prozent des BIP. Wenn das so bleibt, gefährdet das letztlich auch die Demokratie.

STANDARD: Wenn sie von Ressourcen sprechen, meinen Sie Wasser, Boden, seltene Erden?

Künkel: Die ganze Breite. Das zeigt aber auch die Komplexität, vor der wir stehen. Es geht darum, dass wir auf der wirtschaftlichen Ebene in eine Kreislaufwirtschaft kommen. Und das ist mehr als Recycling.

STANDARD: Warum?

Künkel: Viele Menschen denken, wenn sie ihren Müll trennen und Plastik in die entsprechenden Container werfen, sei die Sache erledigt. Das ist natürlich nicht so. Wir müssen bei der Wurzel des Übels beginnen und zusehen, dass erst gar nicht so viel Müll anfällt.

STANDARD: Und Kreisläufe können das Müllaufkommen reduzieren?

Künkel: Man sollte versuchen, Kreisläufe zu regionalisieren. Auch das kann helfen, Ressourcen zu sparen. Und es werden auch Abhängigkeiten verringert. (Günther Strobl, 2.5.2023)