Ratzer ist der intuitive Könner, der Bebop, Soul und Funk verinnerlicht hat.

Foto: Imago / Rudolf Gigler

Der Amadeus Award ist schon vor allem dem Pop zugetan. Es existiert zwar eine Jazz-Kategorie, sie wirkt jedoch wie eine stilistische Presswurst. In selbige wurden bis dato auch Country, Weltmusik, Blues und sonstige – natürlich ehrenwerte – musikalische Manifestationen reingemixt. In der Regel hatte der Jazz preismäßig insofern aber fast immer das Nachsehen.

Dass der Wiener Gitarrist Karl Ratzer am Freitag einen Amadeus für sein Lebenswerk erhält, ist also nicht nur allzu berechtigt. Es wirkt auch wie die Vermeidung einer Peinlichkeit, denn in der Kategorie Jazz – siehe oben – hätte Ratzer gewiss nicht den Sieg davongetragen. 2017 war er ja einmal nominiert ...

Lebenswerk im Jazz? Das hat stets auch etwas von "Überlebenswerk". Das existenzielle Überstehen der Rahmenbedingungen in dem zumeist unsubventionierten Genre setzt Robustheit voraus.

Professor und Könner

Der 1950 in Wien geborene Rom und Sohn zweier KZ-Überlebender muss sie besitzen. Als Autodidakt reüssierte er in den spätern 1960ern und frühen 1970ern in Österreich etwa mit eigenen Bands wie Gipsy Love, in der damals Ratzers Cousin, Gitarrist Harri Stojka, noch Bass spielte. Danach ging es nach Amerika. In Atlanta und New York tauchte Ratzer in die Szene ein. Dort, wohin alle wollten, um es im Jazz zu schaffen, in New York also, spielte er sich durch Klubs und mit der Zeit in die erste Gitarrenliga. Er nahm Platten mit Größen wie Joe Chambers, Jeremy Steig und Eddie Gomez auf.

Auch nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt, die ihn mittlerweile mit dem Goldenen Verdienstzeichen geehrt hat, blieb er international angebunden. Er war mit Star-Trompeter Chet Baker zu hören, aber auch mit Lee Konitz, dem Meister der kühlen Abstraktion, oder der Funkrocksängerin Chaka Khan. Auch Weltstar und Gitarrist John Scofield erinnert sich, dass er schon in den 1970ern "so spielen wollte wie Karl".

Durchaus verständlich. Ratzer ist der intuitive Könner, der Bebop, Soul und Funk verinnerlicht hat. Er hat die US-Traditionen zu seiner geformt wie einst Joe Zawinul. Wer Ratzer sanfte Jazzballaden hauchen hört, erlebt einen authentischen Geschichtenerzähler, der den Tonfall von Songs intuitiv erfasst. Natürlich muss einer, um so zu musizieren, einiges – und vor allem mithilfe seiner Frau Anna – an Höhen und Tiefen durchgestanden haben. Dann allerdings wird er von der Republik Österreich auch mit dem Berufstitel Professor bedacht, was Ratzer 2022 passierte. (Ljubiša Tošić, 28.4.2023)