Zwei Jahrzehnte lang strotzten Fitnesscenterbetreiber vor Gesundheit. Körperkult, Lust an Bewegung und Kampf gegen Kilos ließen die Österreicher scharenweise Kraft und Ausdauer trainieren. Die Corona-Krise tat dem steigenden Gesundheitsbewusstsein wenig Abbruch. Seit dem Ende der Lockdowns wird vielerorts mehr denn je versucht, abzuspecken und Probleme mit Rücken wie Bandscheiben in den Griff zu bekommen.

1300 Betriebe teilen sich das Geschäft mit der Fitness. Die Branche hat seit Corona einiges zu stemmen.
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Doch während vor allem junge Menschen ihre Muskeln spielen lassen, geht zahlreichen alteingesessenen Fitnessstudios die Kraft aus.

In Wien sind Namen wie Styriatraining und Shinergy seit heuer Geschichte. Holmes Place schloss einen defizitären Standort. Bodystyle gab eine von zwei Filialen auf. Die Zahl der Studios, die unter der Marke Crossfit laufen, schmolz ebenso. Top Gym rutschte in die Insolvenz.

Teure Energie

Einige Center prägten den Markt fast 30 Jahre lang. Als Einzelkämpfer sahen sie sich jedoch angesichts stark gestiegener Kosten für Energie, Miete und Personal auf verlorenem Posten. Noch mehr, seit sie gegen eine wachsende Konkurrenz an Billig- und Franchiseketten antreten, die sich vorwiegend aus internationalen Geldquellen finanzieren.

Martin Becker macht aus der prekären Lage vieler traditioneller eigentümergeführter Fitnessbetriebe keinen Hehl. Mitglieder, die während der Pandemie verlorengingen, kehren zwar zusehends in die Studios zurück, ist sich der Sprecher der Wiener Fitnessbranche sicher. In den vergangenen Monaten hätten in Wien dennoch zehn bis 15 Prozent der rund 220 Center zugesperrt. Seinen eigenen Betrieb halte er dank gut gebuchter Schwimmschule über Wasser. Ohne die aber hätte auch er längst schließen und das Feld großen Konzernen überlassen müssen.

Ketten auf dem Vormarsch

Vor zehn Jahren hätten Fitnessketten ein Drittel des Marktes kontrolliert. Mittlerweile teilten sie nach einem ruinösen Wettbewerb 70 Prozent des Geschäfts unter sich auf.

Zahlreiche inhabergeführte Center könnten die enormen Kosten für Strom und Gas nicht mehr stemmen, warnt Becker. "Ich kenne keinen, der Energieförderung erhielt." Mieten hätten sich um rund 15 Prozent verteuert. Deutlich erhöht habe die Branche auch die Gehälter, um den Verlust an Mitarbeitern zu bremsen. Becker geht heuer von mageren Margen zwischen drei und fünf Prozent aus.

Wie er seien viele Kollegen mit Idealismus und Leidenschaft angetreten, um auf dem Fitnessmarkt etwas zu bewegen, sinniert Maximilian Walter, der ein Crossfit-Studio in Wien führt. Mittlerweile schlage man sich aber primär mit betriebswirtschaftlichen Hürden herum.

Neue Körperbilder

Spielraum für höhere Mitgliedsbeiträge sieht Walter wenig. Nur ein kleiner Teil der Mehrkosten lasse sich abfedern. Wer den Bogen überspanne, verliere Mitglieder und schrecke neue Kunden ab.

Kurzlebiger seien auch die Ziele etlicher Sportler geworden, erzählt Walter mit Blick auf Körperbilder, die sich in den Köpfen vieler Österreicher verankerten. "Sich fürs Alter fit zu halten rückt zusehends in den Hintergrund. Lieber will man Sixpacks in drei Monaten."

Österreich engagiere sich zu wenig in der Gesundheitsprävention, bedauert Ernst Minar, Eigentümer von John Harris. Auch er geht von weiterer Marktbereinigung aus. Seine eigenen Studios litten wie alle anderen unter der teuren Energie. Einen Rückgang seiner Mitglieder, die für ein Abo bis zu 200 Euro im Monat bezahlen, verbuche er jedoch nicht.

Sehen und Gesehenwerden

Mut zur Erhöhung der Mitgliedsbeiträge empfiehlt Andreas Pürzel. Der Kraftsportler sicherte sich für sein Center in Wien jüngst die Geräte des pleitegegangenen Top Gym, lässt die Marke in seinem Betrieb weiterleben und verdoppelt seine Workout-Flächen. Eigens für Fitnessstudios entwickelte Restaurants will er mit Franchisepartnern multiplizieren. Mit seinem Gym überlegt er zudem den Sprung nach Deutschland.

Einzelkämpfer müssten sich von großen Ketten stärker abgrenzen, sagt Pürzel. Sei es, dass sie sich einer Vielfalt an Geräteherstellern bedienten, zusätzliche Leistungen offerierten, von Gastronomie über Textilien bis Seminare, oder in die Jahre gekommene Regeln überdächten. Fitness lebe von sozialen Medien, ist Pürzel überzeugt. "Es geht ja auch um Sehen und Gesehenwerden." Neben dem Aufbau von Muskelkraft wolle man Gleichgesinnte treffen, Kontakte knüpfen, nach dem Training "chillen". "Dafür braucht es Flair."

Unzulässige Gebühren

In Österreich tummeln sich mehr als 1300 Betriebe auf dem Fitnessmarkt. Ein Studio hat durchschnittlich 800 Mitglieder. Ein Kunde sorgt im Schnitt für einen jährlichen Umsatz von 500 Euro, rechnet Branchensprecher Christian Hörl vor, der in den Bundesländern 19 Studios betreibt. Er führt die jüngsten Schließungen auf Investitionsstau zurück, auf gestiegene Kosten und schwierigere Finanzierungen. Den Boom der Fitness sieht er über kurz oder lang dennoch ungebrochen.

Was dem Vormarsch so mancher Diskonter einen Dämpfer verpassen könnte, ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, das sie dazu zwingt, zu Unrecht einkassierte Zusatzgebühren an Kunden zurückzuzahlen. Der Fantasie bei der Erfindung diverser Pauschalen für Aktivierung, Technik oder Service waren zuvor wenig Grenzen gesetzt. Neueinsteiger wie Buzz drehen nun den Spieß um – sie werben damit, auf Gebühren zu verzichten, die die Justiz ohnehin längst verboten hat. (Verena Kainrath, 29.4.2023)