Es ist nur eine kurze Passage in einem aktuellen Vorschlag des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums für eine Gesetzesänderung, dennoch sorgt sie für jede Menge Wirbel. Gewerkschafter werfen dem zuständige ÖVP-Minister Martin Kocher, aus dessen Büro der Wunsch nach der Gesetzesänderung stammt, vor, gerade erst gestärkte Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern schon wieder beschneiden zu wollen. Der Minister weist das strikt von sich und sieht ein Missverständnis. Sicher ist nur, es geht um ein heikles Kapital im Arbeitsrecht: Kündigungsfristen.

Zur Vorgeschichte: In Österreich gibt es knapp 1,3 Millionen Menschen, die als Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt sind. Historisch bedingt gab es für Arbeiter und Angestellte lange Zeit unterschiedliche Regeln. In den meisten Bereichen fand aber schon vor vielen Jahren eine Angleichung statt. Eine Differenz blieb aber lange bestehen und zwar bei Kündigungsfristen. Diese waren für Arbeiter deutlich kürzer.

Für Angestellte beträgt die Kündigungszeit mindestens sechs Wochen, oft sogar noch mehr, zudem kann der Arbeitgeber die Trennung meist nur zur Monatsmitte oder am Monatsende wirksam aussprechen. Bei Arbeitern waren die Regelungen unterschiedlich: Im Tourismus betrug die Kündigungsfrist oft zwei Wochen, bei Gebäude- und Fassadenreinigern eine Woche. Bei Friseuren, in der Bewachung und im Taxigewerbe ebenfalls zwei Wochen. Am Bau fünf Tage. Nicht zuletzt wegen dieser kurzen Fristen, waren es fast nur Arbeiter, die in der Pandemie ihre Jobs verloren.

Im freien Spiel der Kräfte

Nach mehrmaliger Verschiebung, trat im Oktober 2021 eine Neuregelung in Kraft, mit der die Kündigungsfristen für Arbeiter jenen der Angestellten weitgehend angeglichen wurden. Die Neuregelung wurde 2017 im Nationalrat im Spiel der freien Kräfte fixiert, SPÖ, FPÖ und Grüne stimmten dafür.

Nur eine eng definierte Ausnahme blieb bei der Angleichung bestehen: In Branchen, wo überwiegend saisonal gearbeitet wird, dürfen die Kollektivvertragspartner weiter abweichende Regelungen anwenden, also kürzere Fristen setzten. Welche Branchen genau gemeint waren, wurde nicht festgelegt vom Gesetzgeber– aber gedacht worden sein dürfte wohl vor allem an den Bau und den Tourismus. So blieben in Kollektivverträgen für den Bau die Fristen gleich, im Tourismus wird gestritten – dazu später mehr.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten weiter darüber, welche Kündigungsfristen für Tourismus und Gastronomie gelten
Foto: Imago

Zurück zur Gegenwart: In dem erwähnten Gesetzesvorhaben des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums, das am 28.4.2023 in den Nationalrat eingebracht wurde und dem Sozialausschuss zugewiesen ist, steht, dass es künftig wieder eine weitere Möglichkeit geben soll, die Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter zu beschneiden. Eingefügt werden soll eine Passage ins Gesetz, wonach die Sozialpartner wieder kürzere Fristen vorsehen dürfen, sofern der jeweilige Kollektivvertrag nach dem 1. Jänner 2018 vereinbart wurde. Das würde Arbeitgebern und Arbeitnehmern also weitgehende Freiheit geben.

Streit um den Tourismus

Da das Kündigungsrecht der Angestellten in einem eigenen Gesetz geregelt ist, wären sie nicht betroffen. Anna Daimler von der Dienstleistungsgewerkschaft Vida spricht deshalb von dem Versuch, Arbeiterinnen und Arbeiter gezielt schlechter zu stellen.

Aber gehe die Regelung nicht ohnehin ins Leere, weil Gewerkschaften jeder Änderung bei den Kündigungsfristen zustimmen müssen, sich für Beschäftigte also wohl kaum etwas ändere?

Daimler sagt dazu, dass die Passage Gewerkschaften unter Druck bringen werde, weil sie dann in Verhandlungen Begehrlichkeiten der Arbeitgeber nach rascheren Kündigungen abwehren müssten. Und: Die Gewerkschaft wirft dem Ministerium vor, mit der Gesetzesnovelle Fakten für den Tourismus zum Nachteil der Arbeiter schaffen zu wollen.

Wie erwähnt heißt es im Gesetz aktuell, dass in Branchen, in denen überwiegend Saisonbetriebe tätig sind, weiter kürzere Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter bestehen bleiben können. Gewerkschaft und Arbeitgeber streiten bereits seit fast zwei Jahren darüber, ob diese Passage nun im Tourismus zutrifft. Während Arbeitgeber "ja" sagen, sieht es die Gewerkschaft anders.

Die Wirtschaftskammer zog vors Gericht und wollte vom Obersten Gerichtshof festgestellt sehen, dass im Tourismus überwiegend saisonal gearbeitet werde. Doch dieser Beleg gelang nicht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten dennoch weiter was nun gilt, auch wenn in einem Fall bereits ein erstinstanzliches Urteil vorliegt, wonach die kürzeren Kündigungsfristen nicht angewendet werden dürfen. Das juristische Pendel schlägt also aktuell Richtung Arbeitnehmer aus.

Gewerkschafterin Daimler sagt, Kocher werde mit der geplanten Änderung in den Streit eingreifen und die Fristen zugunsten der Arbeitgeber verkürzen, indem nun diese erweiterte Ausnahme bei der Kündigungsfrist festgelegt wird. Die aktuellen Tourismus-Kollektivverträge, mit kürzeren Vorgaben, würden quasi wieder aufleben.

Ministerium will zurückziehen

Im Arbeitsministerium wird diese Darstellung zurückgewiesen: Martin Kocher sagt, dass man davon ausgegangen sei, dass die Sozialpartner sich auf eine Lösung im Streit um die Kündigungsfristen geeinigt hätten. Unter der Hand heißt, die Sozialpartner hätten den Gesetzesentwurf gesehen und keine Einwände gehabt.

Wenn es keinen Konsens gäbe, werde die Gesetzesänderung nicht umgesetzt werden. Die Regierung wolle hier keine Verschlechterung für Arbeiterinnen und Arbeiter durchdrücken, es sei vielmehr ein Missverständnis entstanden.

Interessant ist, dass dem Gesetzesvorstoß auch die Grünen zugestimmt haben, sonst hätte ihn das Ministerium nicht ins Parlament eingebracht. Allerdings dürfte der kleinere Koalitionspartner die Passage übersehen haben. Sie findet sich am Ende eines Gesetzänderungspakets, indem es eigentlich um die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften geht. Die Grünen selbst sind gegen Möglichkeiten zur Verkürzung der Kündigungsfristen. (András Szigetvari, 1.5.2023)