Diesen Moment hatte sich Manprit Sarkaria redlich verdient. Der Torschützenkönig der Cup-Saison wurde im Finale zum Man of the Match gekrönt.

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Klagenfurt – Manprit Sarkaria hatte seine Bewerbung als tragischer Held schon ins Kuvert gesteckt. Direkt nach der Pause vergeigte Sturms Offensivgeist eine Chance, die ihn unter anderen Umständen noch länger verfolgt hätte. Der enteilte Emanuel Emegha war samt Ball vom rechten Weg abgekommen, hatte aber Niklas Hedl aus seinem Tor gelockt und die Übersicht für den mittig einlaufenden Sarkaria. Der hatte fünf Meter vor dem Tor nur mehr einen Feldspieler auf der Linie zu überwinden – und schoss vorbei. Autsch.

"Wer solche Chancen nicht macht, verliert das Spiel", raunte das STANDARD-Forum. (Okay, hauptsächlich raunte es "oidaaaaa".) Eine Sturm-Niederlage wäre zu diesem Zeitpunkt kaum verwunderlich gewesen, der Favorit hatte seinen Fans bis dato wenig Erbauliches präsentiert. Halbzeit eins war ein hektisches Gewühle, das Grazer Direktspiel ging in den meisten Fällen direkt zum Gegner. "Rapid war um einen Tick präsenter", analysierte Sturm-Trainer Christian Ilzer.

Sturmlauf

Sarkarias Fehlschuss zum Start des zweiten Durchgangs erwies sich aber nicht als irrlichterndes Flackern, vielmehr war es der Startschuss zu 45 Minuten stürmischer Dominanz. "Dieses Spiel findet nur heute statt. Jeder legt noch ein paar Prozent dazu", forderte Ilzer in seiner Pausenansprache. Er habe seinem Team "vor Augen geführt, was es den Menschen bedeutet, wenn wir vor unserer Kurve ein Tor machen".

Sturms Tore bedeuteten auch dem steirischen Pyrotechnikhandel viel.
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Eine gute Viertelstunde bedeutete das Schauspiel für die Grazer Kurve nur ohnmächtiges Stöhnen. Affengruber köpfelte an die Stange, Emegha schob den Ball an Hedl, aber auch am Tor vorbei. Wer solche Chancen nicht macht…der braucht Manprit Sarkaria. Der 26-Jährige ließ sich den Ball von seinem zuvor glücklosen Sturmpartner servieren, ließ die grün-weiße Defensive ins Leere taumeln und pickte den Ball ins Tor.

Für die Annalen

Sturm Graz hat in der laufenden Saison schon einige explosive Tore erlebt. Da wären Otar Kiteishvilis Siegestor gegen Feyenoord, David Affengrubers Last-Minute-Kopfball gegen Rapid oder auch Tomi Horvats 1:0 im Cup-Halbfinale gegen den LASK. Und es mag sein, dass die Eskalationsskala im eigenen Stadion noch ein Euzerl höher klettern kann, aber was die Historie betrifft, dürfte Sarkarias Führungstor am 30. April in einer eigenen Liga spielen.

Durchs Jubeln kommen die Leut' zam.
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"Unbeschreiblich", sagte der Torschütze. "Ich wollte meine vergebene Chance so schnell wie möglich abhaken." Kurzanalyse: gelungen. Das bewiesen nicht nur sein erstes oder, Spoiler Alert, zweites Tor. Der Ex-Austrianer war eine Triebfeder der Grazer Gegenstöße, war seinen Gegenspielern stets einen halben Schritt voraus, wirkte dauerbeflügelt und sagte danach: "Es war ein geiles Match, eine geile Atmosphäre." Zugegeben: Neben dem vor dem Tor tragikomisch agierenden Emegha war es ein Leichtes, gut auszusehen. Der unermüdliche Niederländer riss Räume auf, bekam mehr Laufpässe als beim Speed-Dating in einer Bindungsangst-Selbsthilfegruppe, hatte immer wieder das Auge für den Teamkollegen. Aber mit dem Klagenfurter Tor war der 20-Jährige nicht per Du.

Chancenlose Rapidler

Dennoch: Sturms Sturm-Duo machte den Unterschied. "Ihre Qualität und ihr Tempo und haben heute das Spiel entschieden", sagte Kapitän Stefan Hierländer. "Sie waren Gold wert. Der Sieg war freilich keine Alleinleistung der Offensive, Rapid wartete nicht nur aus Eigenverschulden bis zur Nachspielzeit auf seinen ersten Torschuss. Grün-Weiß blieb auch in Rückstand Passagier und hatte in der 72. Minute Glück, dass Kevin Wimmer für seinen Kniestoß gegen den Kopf des am Boden liegenden Alexander Prass mit Gelb davonkam. Letzterer feldwebelte auch im Cup-Finale durchs Mittelfeld, dass es zumindest für die nördliche Hälfte des Wörthersee-Druckkochtopfs eine Freude war.

Mit Ausnahme ein paar verirrter Pyro-Werfer sorgten die Fans beider Teams für einen grandiosen Rahmen. Die Wörthersee-Arena etwas länger genießen wollten dann aber nur Sturms Fans.
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"Wir haben eine unglaubliche Wucht entwickelt", freute sich Ilzer. Das klingt nach Trainersprech – und beschreibt die zweite Halbzeit doch besser als es alles Fabulieren über abkippende Sechser, Unterschiedsspieler und Positionsspiel. Sturm fraß Rapid und spuckte die Reste wieder aus. Der Trainer sprach von einem "verdienten" Titel, der STANDARD erhöht auf "hart verdient": Salzburg im Viertelfinale, der LASK im Halbfinale, Rapid im Finale, das verdient Respekt. Das Schlusswort von Ilzer: "Wir haben in dieser Cup-Saison die besten Teams Österreich ausgeschaltet." (Martin Schauhuber, 1.5.2023)