Immer wenn es mit den Löhnen bergauf geht, Arbeitskräfte knapp werden und die Gewerkschaften selbstbewusst auftreten, weiß Michael Kemeny, dass gute Geschäftsabschlüsse in der Luft liegen. So war es auch diesmal. Kemeny arbeitet für das steirische Logistikunternehmen Knapp, allerdings nicht in Graz, sondern in dem 16.000 Kilometer entfernten Sydney. 2022 hat Knapp, das schon mehrere Jahre mit kleineren Projekten in Australien präsent ist, einen Großauftrag in Down Under an Land gezogen.

Die Steirer setzten für die größte Supermarktkette Australiens, Woolworths, in Sydney ein neues, drei Fußballfelder großes Logistikzentrum um. Dieses soll vollautomatisiert operieren: Die Kundinnen und Kunden bestellen ihre Produkte per Mausklick, die von Knapp eingesetzte Lagertechnologie mit Robotern und automatisierter Fördertechnik sorgt dafür, dass der Einkauf ab Anfang 2025 ohne menschliches Zutun verpackt wird und lieferbereit steht. Arbeitskräfte fehlen auch in Australien seit der Pandemie, die Löhne steigen nun schneller an, da trifft es sich gut, dass die Arbeit von Programmen und Förderanlagen übernommen wird, so sieht es Kemeny. 120.000 Stellplätze für Lebensmittel soll es in dem Megalager geben.

Handelsvolumen noch kleiner als mit der Slowakei

Das Projekt bringt den Steirern gutes Geld ein: Nach aktuellem Umrechnungskurs beläuft sich der Auftragswert auf 50 Millionen Euro.

Österreichische Unternehmen, die am anderen Ende der Welt in Australien gute Geschäfte machen: Das ist gemessen an den Geschäftsbeziehungen mit anderen Staaten, die näher an Österreich liegen, immer noch Rarität. Aktuell unternimmt das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit Wirtschaftskammer und Industrie aber einen Anlauf, um daran etwas zu ändern: Diese Woche reist Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) gemeinsam mit Unternehmensvertretern nach Australien und Neuseeland, um eine stärkere wirtschaftliche Verschränkung der beiden Länder mit Österreich zu forcieren. Auf dem Programm in Down Under stehen neben politischen Treffen mit mehreren australischen Ministern in Canberra auch zahlreiche Events zum Austausch und zum Kennenlernen österreichischer und australischer Unternehmen.

Das Handelsvolumen zwischen Österreich und Australien ist mit 1,5 Milliarden Euro tatsächlich recht klein, Australien hat immerhin 25,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Zum Vergleich: Mit der Slowakei beläuft sich der Warenhandel auf mehr als sechs Milliarden Euro. 140 Unternehmen aus Österreich sind laut dem Handelsdelegierten in Sydney, Karl Hartleb, im Land, wobei das nach mehr klinge, als es ist. Viele Unternehmen wickeln nur kleine Projekte ab. Allerdings sind neben kleineren Firmen wie Knapp auch einige große Fische aus Österreich stark engagiert und versuchen die Gunst der Stunde zu nutzen. Australien hat nicht nur die Sackgasse der Zero-Covid-Politik beendet und das Land nach einer nahezu totalen Abschottung 2022 wieder geöffnet. Im vergangenen Jahr hat der Labor-Politiker Anthony Albanese nach seinem Wahlsieg auch den konservativen Politiker Scott Morrison als Premierminister abgelöst.

Neue Regierung will Klimaschutz forcieren

Labor hat angekündigt, die Klimaschutzpolitik nun ernst zu nehmen, Australien soll bis 2030 seinen CO2-Ausstoß um mehr als 40 Prozent reduzieren. Plötzlich wird es viel mehr Geld für Energiewende und grüne Transformation geben, die Regierung forciert den Ausstieg aus Kohle und sucht neue Energiequellen. "Australien ist derzeit der aktivste Hydro-Markt der Welt", sagt Stefan Cambridge von Andritz Hydro in Sydney. Der Anlagenbauer ist aktuell dabei, die Komponenten für ein Pumpspeicherkraftwerk in Kidston im Bundesstaat Queensland zu errichten.

Dabei werden zwei offene Gruben einer aufgelassenen Goldmine mit Wasser befüllt. Das fertige Kraftwerk, das 2024 ans Netz gehen soll und von Andritz auch in den ersten zehn Jahren betrieben wird, soll zu Spitzenzeiten bis zu 280.000 Haushalte mit sauberem Strom beliefern. Da Australien nun die Wasserkraft für sich wiederentdeckt hat, hofft Andritz auf weitere Aufträge. Auch die oberösterreichische Fronius, die Wechselrichter baut, mit denen der von Solarpaneelen erzeugte Gleichstrom in Wechselstrom für die Steckdose umgewandelt wird, ist groß in Australien vertreten.

Die Australier haben eine große Dichte an Solarpaneelen auf ihren Dächern, laut Fronius gibt es eine Anlage auf jedem dritten Dach. Voest und Strabag sind sowieso überall aktiv, Kapsch betreibt in Sydney ein Mautsystem. Und der Drohnenhersteller Schiebel beliefert die australische Navy. Auch dieses Geschäft dürfte expandieren, die Australier rüsten aktuell kräftig auf, Stichwort Konkurrenz mit China. Als erster Wirtschaftsminister überhaupt, der Australien besucht, will Kocher das Land für weitere Investoren und Produzenten diesseits der Welt öffnen.

Die Abschottung ist vorbei, Australien steht internationalen Gästen und Unternehmen wieder offen.
Foto: Reuters

Parallel dazu ist auch die Österreich Werbung aktiv, die ein Kooperationsabkommen mit dem Sydney Symphony Orchestra gerade verlängert hat. Mit dem Orchester soll für Urlaub in Österreich geworben werden, damit die wieder wachsende Zahl an australischen Touristen zu einem echten Strom wird. Immerhin gab es 2019 gut 150.000 Australier, die in Österreich Urlaub oder zumindest Zwischenstation machten. Die Australier geben als betuchte Gäste viel Geld aus – und aktuell ziehen die Besucherzahlen wieder an, nachdem sie von 2020 bis 2022 kollabiert waren wieder an. Die Zahl der Reisen liegt sogar wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Die heimischen Touristiker wollen möglichst viele Australier im Jänner nach Österreich bringen, um die maue Zeit zwischen Weihnachten und den Semesterferien zu überbrücken – die australischen Schulsommerferien sind im Jänner. Es gibt offenbar tatsächlich Australier, die gern Ski fahren.

Freihandelsabkommen steckt fest

Daneben gibt noch andere gemeinsame Themen, als Folge des Arbeitskräftemangels suchen die Australier nach Wegen, um Fachkräfte besser ausbilden zu können, Österreich kann da mit seinem Konzept der dualen Ausbildung auch etwas vorzeigen. Auch über Seltene Erden wird geredet, Australien ist nach China, den USA und Myanmar der größte Produzent der Stoffe, die vor allem für Batterien und Chips benötigt werden. Österreich wie die EU wollen ihre Importe diversifizieren, weg von China. Die EU streckt ihre Fühler überhaupt Richtung Canberra aus, seit gut fünf Jahren wird über ein Freihandelsabkommen verhandelt, das allerdings feststeckt – gestritten wird wie immer über Landwirtschaft.

Australien ist auch nicht sehr erpicht darauf, den großen Markt öffentlicher Aufträge für Ausländer zu öffnen – und zwar auch nicht für größere Player, als es das kleine Österreich ist. Immerhin ein Risiko kann hier ausgeschlossen werden: dass bei offiziellen Akten Australia und Austria verwechselt werden. (András Szigetvari, 2.5.2023)