Angehörige der Schulmädchen werfen den Behörden angesichts der Vergiftungen Versagen vor (Symbolbild).

Foto: EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Teheran – Im Iran sind Aktivistinnen und Aktivisten zufolge wieder neue Vergiftungsfälle an Mädchenschulen gemeldet worden. Die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete am Montag von Fällen in der Hauptstadt Teheran und der von Protesten erschütterten Region Kurdistan. In Saghez, der Heimatstadt der Protestikone Jina Mahsa Amini, sollen Sicherheitskräfte zudem gewaltsam gegen Schülerinnen vorgegangen sein. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Informationen zu den Fällen.

Seit Monaten sorgen die Vorfälle im Land für Unruhe. Betroffen sind fast ausschließlich Mädchenschulen. Landesweit wurden Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Ärzte sprechen von Gasvergiftungen. Tausende Verdachtsfälle verzeichneten die Behörden offiziell. Eltern ließen zwischenzeitlich ihre Kinder aus Sorge nicht zur Schule gehen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete die Fälle als "koordinierte Kampagne".

Geheimdienst spricht von Massenhysterie

Am Freitag veröffentlichte der Geheimdienst rund fünf Monate nach Beginn der ersten Fälle einen Abschlussbericht, der von Aktivisten scharf kritisiert wurde. Darin argumentiert die Behörde, dass es sich nicht um ein organisiertes Netzwerk von Tätern handle. Auch seien nach Analysen keine toxischen Substanzen festgestellt worden. In der Gesamtheit der Fälle handle es sich viel mehr um Massenhysterie. Unabhängig überprüfen lassen sich die Erklärungen nicht.

Eltern und andere Angehörige warfen den Behörden nach den mysteriösen Fällen Versagen vor. Proteste nach dem Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam lösten in Teheran im vergangenen Herbst die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten aus. Kritiker bezeichnen die Vergiftungen als Rache wegen der Demonstrationen. Medien, Familien und Betroffene wurden Kritikern zufolge unter Druck gesetzt, nicht über die Fälle zu sprechen. (APA, red, 1.5.2023)